Oberhausen. Einige Geschäftsleute auf der Oberhausener Marktstraße sind erbost. Von wegen Weihnachtsgeschäft: Warnbaken und laute Bagger stehen vor der Tür.
Es rattert und es dröhnt. Der Bagger kippt Erdboden aus der Baugrube auf einen Lkw. Passanten bleibt keine andere Wahl. Sie machen einen weiten Bogen um die großen Fahrzeuge. „Überall Baustellen“, entfährt es einer älteren Frau sichtlich verärgert. Derweil bahnen sich wenige Kunden ihren Weg zu den Obst- und Gemüseständen eines Lebensmittelladens, der direkt nebenan liegt und nahezu verdeckt bleibt.
Zum Baustart sah es im Oberhausener Uhrengeschäft wie verwüstet aus
„Überall diese Baken, die Leute finden meinen Laden überhaupt nicht mehr“, schimpft Agron Laroshi, der einen Steinwurf weit entfernt ein Uhrengeschäft betreibt. Aus jedem seiner Sätze spricht Unmut und Unverständnis: „Warum muss diese Baustelle gerade vor Weihnachten sein?“, fragt der 56-Jährige. Der Standort Marktstraße sei schon schwierig genug, gibt er zu verstehen. Das Weihnachtsgeschäft reiße aber normalerweise einiges raus. „Doch daraus wird dieses Mal wohl nichts.“
„„Warum muss diese Baustelle gerade jetzt vor Weihnachten sein?““
Den Tag, als die Arbeiten vor seiner Tür begannen, wird er so schnell nicht vergessen. Als er morgens seinen Laden betrat, sieht der ziemlich verwüstet aus. Durch die starken Vibrationen sind etliche Uhren in Auslagen und Vitrinen von den Ständern gefallen. „Zum Glück sind alle heil geblieben“. Schon jetzt hat Laroshi erhebliche Verkaufseinbußen, weil Kunden ausbleiben, wie er sagt. „Und die Arbeiten sollen noch Wochen dauern.“
Oberhausener Netzgesellschaft erneuert Fernwärmeleitung
Die Oberhausener Netzgesellschaft, eine hundertprozentige Tochter der Energieversorgung Oberhausen (EVO), erneuert derzeit in dem Abschnitt zwischen der Sparkassen-Filiale auf der Marktstraße und dem Abzweig zur Saarstraße die Fernwärmeleitung. Diese stammt noch aus den 80er Jahren. Das Vorhaben sei zwingend erforderlich, um Zuverlässigkeit und Sicherheit der Energieversorgung zu erhöhen, erklärt eine Sprecherin. Im Falle solcher Bauvorhaben beabsichtige das Unternehmen stets, die Beeinträchtigungen für die Betroffenen gering zu halten.
Zum konkreten Projekt auf der Marktstraße räumt sie ein: „Leider bekommen wir unsere geplanten Zeitfenster nicht immer so, wie es eigentlich gewünscht ist. Es gibt viele unterschiedliche Maßnahmen im Stadtgebiet zu koordinieren - und manchmal muss dann auf einen anderen Zeitraum ausgewichen werden.“ Hinzukommt noch, dass „sich die Umstände auf der Marktstraße als herausfordernder erwiesen haben, als im Vorfeld zu erkennen war“. Dies habe jetzt eine Verlängerung der Bauzeit zur Folge, erläutert die Sprecherin. So war die „Ausweitung der Baumaßnahme auf die Saarstraße ebenfalls eine Konsequenz der vor Ort vorgefundenen Bedingungen“.
Ein paar Meter weiter steht Hüseyin Güngor vom Schlüsseldienst Weidensee vor seinem Geschäft. Er braucht für seinen Ärger nur ein Wort: „Katastrophe“. Es geht an diesem Tag schon auf 12 Uhr zu. „Bislang waren bei mir gerade mal zwei Kunden, die aber nur Fragen hatten.“ Momentan überlegt der 59-Jährige, ob er um Weihnachten und Silvester ganz schließen soll. Er befürchtet, dass ohnehin während der Zeit gar kein Kunde mehr zu ihm kommt. „Dann kann ich wenigstens Energiekosten sparen“, merkt er leicht makaber an.
Black-Week-Aktion blieb im Oberhausener Schuhgeschäft hinter Erwartungen zurück
Zu spüren bekommt auch die Deichmann-Filiale die Folgen der Baustelle. Weniger Kundschaft, geringerer Umsatz: „Das macht sich deutlich bemerkbar“, meint die Filialleiterin. Gerade die Black-Week-Aktion, mit der das Schuhgeschäft viele Kunden anlocken wollte, sei deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Durch die vielen Absperrungen meinen die Leute vielleicht, dass überhaupt nicht geöffnet ist, vermutet die junge Frau. Als zusätzlichen Störfaktor im alltäglichen Betrieb macht auch sie den Lärm aus.
Der Radau geht Imat Shero (46) ebenfalls auf die Nerven, erklärt der Handyshop-Betreiber. Zudem leide der Umsatz. Süßer die Kassen nie klingen: Davon kann momentan für ihn kaum die Rede sein. Shero schimpft aber nicht nur, zeigt auch Verständnis: „Die Arbeiten müssen wohl für die Energieversorgung sein.“ Die Netzgesellschaft habe doch einen erklärenden Brief geschickt und von zwei Monaten Bauzeit geschrieben. „Überschaubar.“ Mittlerweile stellt das Unternehmen allerdings ein Ende der Arbeiten erst für Mitte März in Aussicht.
Oberhausener Netzgesellschaft hat Anwohner über Baustelle informiert
Mit dem Hinweis auf das Schreiben geht der Geschäftsmann auf die Aussage des Versorgers ein, er habe in enger Abstimmung mit der Stadt die „Betroffenen über geplante Maßnahmen und ihre Auswirkungen informiert“.
Mitarbeiter des Imbisses „Schloss Damaskus“ haben indes die Arbeiten kalt erwischt. Man sei schon überrascht gewesen, als Absperrungen in Höhe des Eingangs auftauchten, heißt es bei einem Besuch. „Dadurch nehmen viele Leute das Lokal kaum noch wahr“, sagt eine Servicekraft. Mit Lärm und Umsatzverlusten werden die Geschäfte allerdings leben müssen, eine Entschädigung ist nach Angaben der Netzgesellschaft nicht vorgesehen.
Baustelle schon seit Monaten ein Ärgernis für Oberhausener Sportgeschäft
Von erheblichen Einbußen spricht auch Reinhard Behnert, Chef des gleichnamigen Sportgeschäftes an der Ecke Marktstraße/Nohlstraße. Allerdings hat er schon seit Monaten mit Bauarbeiten zu kämpfen. Hier sind nach Darstellung der EVO-Tochter Arbeiten an den Stromleitungen erforderlich, die bis Januar andauern sollen. In der Vorweihnachtszeit sei eine solche Baustelle noch um einiges problematischer, betont der Geschäftsmann. Gerade jetzt kaufen Vereine im großen Stil ein, holen Ware ab. „Doch sie finden nirgends einen Parkplatz.“ Bei allem Verständnis für notwendige Arbeiten: „Aber das hier ist einfach unmöglich.“
Derweil machen auch immer wieder Fußgänger an den Absperrungen auf der Marktstraße Halt, schauen Arbeitern bei ihrer Plackerei zu. Ein paar junge Leute sind einhellig der Ansicht: „Das muss ja mal gemacht werden.“ Eine ältere Passantin aus Dümpten zwängt sich an vielen Baken zum Metzgerladen Dilchert vorbei, schüttelt mit dem Kopf: „Das ist hier wie zu Hause, Baustelle an Baustelle.“ Zu den Absperrungen übrigens sieht sich Stromversorger verpflichtet: aus Sicherheit für die Passanten.