Oberhausen. Dank Renaturierung der Emscher ist im Holtener Feld in Oberhausen ein Refugium für Vögel entstanden. Ein Jubeljahr für Ornithologen.

Als sensationelles Jahr wird 2024 Tobias Rautenberg von der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet in Erinnerung bleiben. Und als solches ließ der Diplom-Biogeograph und Vogelexperte es bei einem Vortrag im Oberhausener Naturschutzbeirat Revue passieren. Zahlreiche teils seltene Arten tummelten sich in den vergangenen Monaten insbesondere im Holtener Bruch, wo die Emschergenossenschaft im Zuge der Renaturierung „ein echtes Paradies für Menschen, Tiere und Pflanzen“ schaffen will. Fragt man Tobias Rautenberg, ist dies bereits vorzüglich gelungen. Über 100 Vogelarten im und am Wasser konnten in diesem Jahr dort beobachtet werden und auch wenn viele sich bereits auf die Reise gen Süden gemacht haben, empfiehlt sich ein Spaziergang: Die Schnatterente und ihre Freundinnen sind nämlich noch da.

Superselten: eine Zwergscharbe in der Oberhausener Emscher-Aue.
Superselten: eine Zwergscharbe in der Oberhausener Emscher-Aue. © Biologische Station Westliches Ruhrgebiet

Angefangen hat es im Januar, als der Dauerregen und seine Flutfolgen die Stadt und die Region in Atem hielten. Die Wetterlage ließ im Holtener Bruch ein kleines Naturparadies für Vögel entstehen. Vogel-Forscher Rautenberg meldete hunderte Wasservögel, darunter für Oberhausen seltene Arten wie Blässgänse, Mandarinente und Trauerschwan. Diese fühlten sich im künftigen Auengebiet wohl, dort, wo die Emscher genug Platz erhalten hat, um sich künftig kurvenreich auszubreiten.

Artenvielfalt in Oberhausen: Stelzenläufer, Löffelenten, Zwergscharbe

Rückzugsort mitten in der Stadt: Enten und Watvögel lieben das Feuchtgebiet Holtener Feld in Oberhausen.
Rückzugsort mitten in der Stadt: Enten und Watvögel lieben das Feuchtgebiet Holtener Feld in Oberhausen. © Wilfried van de Sand

Im Mai verzückte ein rastender Stelzenläufer, ein Watvogel, der eigentlich im Mittelmeerraum anzutreffen ist. Auch ein Säbelschnäbler, den man sonst eher an der Nordsee beobachten kann, schaute vorbei, ein Sandregenpfeifer (zweiter Nachweis in Oberhausen in diesem Jahrtausend), ein Bruchwasserläufer (zweiter Nachweis in Oberhausen seit 1999), ein Rotschenkel (zuvor letztmals im Jahr 2012), ein Austernfischer, eine Trauerseeschwalbe (erst der vierte Nachweis nach 1906, 1963 und 2008). Zudem konnten nicht jährlich im Stadtgebiet präsente Arten wie Löffelenten, Fischadler und Ringdrossel protokolliert worden. Nicht zuletzt schaute noch ein Weißstorch vorbei, vermutlich auf der Suche nach einem geeigneten Brutplatz.

Neuigkeiten aus dem Holtener Bruch gab es dann im August wieder: Tobias Rautenberg und weitere Vogelexperten hatten eine Zwergscharbe gesichtet, die zuvor erst zweimal (2003 und 2020) in Nordrhein-Westfalen festgestellt worden ist. Im Laufe des Sommers waren dann noch zahlreiche Watvogelarten wie Flussuferläufer, Grünschenkel, Wald- und Bruchwasserläufer sowie seltene Wasservögel wie Löffel- und Knäkenten auf den Schlamm- und Flachwasserflächen unterwegs und auch ein Zugtrupp Weißstörche nutzte die feuchten Wiesen zur Rast. Erstmals seit Jahren im Stadtgebiet von Oberhausen war wieder ein Kiebitzbrutpaar mit drei Jungvögeln präsent, ebenso Flussregenpfeifer mit gleich vier flüggen Jungen.

Mit dem Herbstzug endet langsam das Oberhausener Sensations-Jahr für Vogel-Fans. Doch noch lohnt sich ein Spaziergang im Holtener Bruch, sagt Tobias Rautenberg. Solange es nicht zufriert, seien insbesondere die vielen Entenarten noch zu besichtigen. Diese fänden hier ebenso wie die Watvogelarten ideale Bedingungen vor: „Es gibt kaum irgendwo im Ruhrgebiet eine so große Fläche, wo die Tiere sich ungestört bewegen können.“