Oberhausen. Im Theater Oberhausen wird L. Frank Baums amerikanisches Märchen zum poppigen Ausstattungswunder. Auf der Bühne sind Tricks viel bezaubernder.
Gut, dass Dorothys sonst rotglitzernde Zauberpumps in der Oberhausener Inszenierung des „Zauberers von Oz“ als rasant hochhackige Stiefel in Regenbogenfarben daherkommen: Denn mit Pailletten an den Füßen hätte Regina Leenders womöglich den vielen Mädchen in Glitzerröcken und T-Shirts Konkurrenz gemacht, die als Publikum der Sonntags-Premiere auch ein bisschen glänzen durften. Ihnen, ihren Geschwistern und Eltern - sowie in den nächsten Wochen ganz vielen Grundschulklassen - bieten Magdalena Schönfeld als Regisseurin und vor allem Ausstattungsleiterin Franziska Isensee eine nahezu psychedelische Fülle an schönsten Schauwerten - die in einigen Szenen auch ein wenig schaurig-düster sein durften.
Alle Regie-Tricks und „Special Effects“ sollte man aber nicht verraten: Etwa wie der Wirbelsturm über die Bühne fegt oder wie sich die bunte Truppe um Dorothy (Regina Leenders) einen Kampf mit bösartig verwunschenen Bäumen liefert. Das ist gleichzeitig viel einfacher und viel spannender anzusehen als die meisten KI-generierten Pixelwunder in Blockbustern vom Schlage „Wicked“. Und trotz der zeitgemäßen Ausstattung bleibt das Oberhausener Ensemble viel näher dran am sehr amerikanischen Märchen von Lyman Frank Baum (1856 bis 1919). Das galt selbst für die stilvoll modernisierten Lieder. Das unverzichtbare „Over the Rainbow“ arrangierte Jan Paul Werge charmant a cappella zu Barbershop-Harmonien. Und so bewahrt Schönfelds Inszenierung mit Hingabe an viele wunderbare Details den Charme des Fabelhaften - mal abgesehen von wenigen satirischen Ausfallschritten.
Als Dorothy in transparent-blauem Chiffon, darunter ein Pünktchenkleid, tollt Regina Leenders durch ein Märchenland, auf die Drehbühne gestellt wie das allerschönste Karussell, noch dazu poppig-bunt eingerahmt wie eine traditionelle Guckkastenbühne. Vor diesem Farbenrausch namens „Oz“ können sich auch die Darsteller nur mit Extravaganz behaupten: So schuf Franziska Isensee als Kostümbildnerin für den „Strohmann“ Oliver El-Fayoumy das wohl schnittigste lila Gewand, das je eine Vogelscheuche tragen durfte. Beim „Blechmann“ nahm die Kreativität eine ganz andere Kurve: David Wilfried Mayinga aus Oberhausens Urban Arts-Truppe tanzt seine ergreifende Lebensgeschichte in einer furiosen Fusion aus super-geschmeidigem Moonwalk und eckigen Roboter-Moves. Ein bisschen mehr Extraapplaus hätte diese Glanznummer unbedingt verdient gehabt.
Die Steilvorlage, die seine Rolle als überaus ängstlicher „König der Tiere“ für jeden „löwigen“ Schauspieler darstellt, wusste Khalil Fahed Aassy nach allen Regeln seiner Kunst auszuspielen. Unter Dorothys drei Begleitern auf der „gelben Ziegelsteinstraße“ (die sich im Großen Haus eher wie eine Raupe auf und ab wellte) hatte diese liebenswürdige Memme mit Mähne die stärkste Präsenz.
Doch was wäre ein noch so buntes Märchen ohne finstere Hexe? Schon der „Guten Hexe des Nordens“ gab Anna Polke mit turmhoher Frisur in Pink einen zuckersüßen Hauch Exzentrik. Doch das war noch nichts gegen den wie eine schwarze Wolke aus dem Bühnenhimmel heranschwebenden Auftritt von Klaus Zwick als „Böse Hexe des Westens“. Tatsächlich war sein Kleid von gewittrigem Cumulonimbus kaum zu unterscheiden - darin schwebend eine erstklassige „Zweitbesetzung“. Denn wie Intendantin Kathrin Mädler ihrem Publikum erklärte, hatte Klaus Zwick vor seinem spontanen Einsatz nur ein einziges Mal proben können, ehe er für den erkrankten Torsten Bauer die Premiere spielte.
Ließe sich doch nur jede noch so mondän ausstaffierte Bosheit schwungvoll mit Wasser wegspülen. Dorothys anfangs so bedauernswerte Gang - „ohne Verstand, ohne Herz, ohne Mut“ - beweist sich trotz aller charmant gespielten Schreckhaftigkeit als starke Truppe, die nach 70 Minuten hochverdient tosenden Applaus erntet. Da hatte Klaus Zwick in seiner dritten Rolle (den zweifelhaften Titelhelden hatte er auch noch übernommen) als Onkel Henry das kleine Mädchen auf der heimatlichen Farm wieder in die Arme schließen dürfen.
Im neuen Jahr mit Familientag vor der „Oz“-Aufführung
Der „Oz“-Premiere folgen bis ins neue Jahr viele weitere Termine. Karten gibt‘s zu 7,50 Euro und 11 Euro an der Theaterkasse, 0208 8578 184, per Mail an service@theater-oberhausen.de.
Für Kinder ab sechs Jahren und Erwachsene gestaltet das Theater Oberhausen am Sonntag, 26. Januar 2025, von 13.45 bis 17.30 Uhr einen Familientag. Er startet mit einem 90-minütigen Kreativ-Workshop (Basteln und Gestalten). Danach steht für alle eine kleine kulinarische Stärkung bereit. Und um 16 Uhr beginnt die Vorstellung von „Der Zauberer von Oz“. Karten für diesen besonderen Nachmittag gibt‘s für 10 und 14 Euro.