Oberhausen. Das Aus für die Hauptpost bewegt einen Oberhausener, der auch das Ende vieler Geschäfte und Firmen beklagt. Zugleich werden Erinnerungen wach.

Die Nachricht vom Aus für die Hauptpost hat Norbert Heyer tief berührt. „Was Oberhausen schon alles verloren hat“, sagt er sichtlich betrübt und zählt auf: „So viele Geschäfte in der Innenstadt, aber auch die großen Firmen wie Gute-Hoffnungshütte und Babcock.“ Sein eigener Arbeitgeber, Metallbetrieb Kassen, ist untergegangen. „Und nun verschwindet auch noch die Hauptpost! Wie kann das eigentlich sein?“, fragt der 72-Jährige. „Denn wie oft war es da rappelvoll, an fehlender Kundschaft kann es also nicht liegen.“ Vergleichbares in der Nähe vermisst der gebürtige Oberhausener, wenn er daran denkt, dass in zwei Jahren endgültig Schluss sein soll.

Als Lehrling in Oberhausen taschenweise Post kilometerweit geschleppt

Derweil kommen ihm Bilder aus längst vergangener Zeit in den Sinn. Als wäre es gestern gewesen, sieht er sich noch als Lehrling, wie ein Auszubildender damals hieß, der zweimal am Tag die Post an der Paul-Reusch-Straße aufsuchte. Der angehende Industriekaufmann hatte die Aufgabe, morgens die Briefe für die Firma Kassen abzuholen und abends Sendungen abzugeben. Was heute großenteils in Mega- und Gigabyte auf den Schreibtisch-PCs landet, kam früher per Brief, Päckchen und Paket in die Büros – und hatte Gewicht. Von Ledertaschen, die er sich umhängte, erzählt Norbert Heyer und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Am besten war es, die eine links, die andere rechts zu nehmen, dann blieb man in etwa im Gleichgewicht.“ Berufsgenossenschaften würden wahrscheinlich heute die Hände über den Kopf zusammenschlagen.

Jetzt, wo er schon seit einigen Jahren Rentner ist, bekennt Norbert Heyer aber auch: „Manchmal war das so viel an Post, die konnte man einfach nicht tragen. Dann habe ich einige Briefe liegen lassen in der Hoffnung, dass am nächsten Tag das Postfach nicht schon wieder überquoll.“

Eingang und Kundenhalle der Post wurden im Laufe der Jahre umgebaut, erinnert sich der Oberhausener Norbert Heyer.
Eingang und Kundenhalle der Post wurden im Laufe der Jahre umgebaut, erinnert sich der Oberhausener Norbert Heyer. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

An den Postfächern in Oberhausen herrschte oft dichtes Gedränge

Postfächer sind ein Kapitel, das der gelbe Riese in Oberhausen schon längst zugeschlagen hat. Ende 2023 war Ende Gelände. Unrentabel, so lässt sich mit einem Wort die Argumentation der Post für die Schließung zusammenfassen. Als Norbert Heyer noch tagtäglich in dem altehrwürdigen Gebäude Station machte, waren die Postfächer direkt in der Kundenhalle. Manchmal musste er viel Zeit und Geduld mitbringen, vor den Fächern herrschte gern mal dichtes Gedränge.

Aber auch an den Postschaltern war auch immer viel los, weiß der Oberhausener. Schlangestehen gehörte auch seinerzeit schon zum Alltag bei der Post. Einen großen Unterschied hat er aber noch klar vor Augen: Alle Schalter waren seinerzeit mit einer Glasscheibe ausgestattet, klare Trennung zwischen Kunde und Mitarbeiter. „Ich vermute mal ganz stark, dass das auch mit Sicherheitsvorkehrungen zu tun hatte.“

Die Oberhausener Hauptpost verschwindet in zwei Jahren aus dem Gebäude in der Innenstadt, die Postbank bleibt.
Die Oberhausener Hauptpost verschwindet in zwei Jahren aus dem Gebäude in der Innenstadt, die Postbank bleibt. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Vier Kilometer Arbeitsweg in Oberhausen zu Fuß zurückgelegt

Etwa vier Kilometer legte er von der elterlichen Wohnung an der Helmholtzstraße/Ecke Eisenstraße bis zum Ausbildungsbetrieb zurück - morgens und abends mit Zwischenstopp bei der Hauptpost. „Auto hatte man damals noch nicht.“ Ein Fahrrad hatte er sich nicht zugelegt. Brachte er in der Früh den großen Schwung an Briefen mit zur Firma, hatte er auf dem Rückweg wieder die Taschen voll, schließlich gab es immer reichlich an Rechnungen, Bestellungen oder Lieferwaren zu verschicken.

Bevor er losziehen konnte, wartete aber noch Arbeit: Meist kam zunächst die Briefwaage zum Einsatz, um dann mit der Frankiermaschine für ausreichend Porto zu sorgen. „Ein normaler Brief kostete 50 Pfennig, eine Postkarte 20“. Die Beträge kennt er noch heute. Die vorfrankierten Briefe landeten gebündelt in den Briefkästen der Hauptpost, er musste nicht mehr vor einem Schalter warten, um sie aufzugeben.

Früher gehörte eine große, schwere Holztür zum Eingang in das Postgebäude.
Früher gehörte eine große, schwere Holztür zum Eingang in das Postgebäude. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Eines Tages war die schwere Holztür im Eingang der Oberhausener Post verschwunden

Als Norbert Heyer bei dem Ortstermin vor dem Gebäude steht und sein Blick auf den Eingang fällt, sagt er etwas wehmütig: „Das war damals eine große, schwere Holztür mit kleinen, schmucken Fenstern. Eines Tages haben sie die durch eine moderne Tür ersetzt“ Dass im Foyer bei einem der Umbauten die Post einen Aufzug bekam, war nicht nur aus seiner Sicht ein Gewinn. „Das fanden viele Leute gut, gerade Menschen mit einer Gehbehinderung“. Noch ein Argument für den Erhalt, „hat aber wohl nicht gereicht.“

Nachdem das erste Lehrjahr vorbei war, hat Norbert Heyer einem neuen Auszubildenden gezeigt, wo er was in der Post findet. Der hat dann die Aufgabe übernommen. „Mit der Post hatte man natürlich weiterhin zu tun, wenn auch mehr privat“, sagt der Oberhausener. Dienstlich führten ihn seine Wege da häufiger zur Postbank, die auch damals schon in dem Haus untergebracht war. In seinem Beruf als Industriekaufmann gehörten Kontogeschäfte zum Alltag.

34 Jahre sollte seine Zeit bei Kassen dauern, Anfang der 2000er Jahre gingen nach der Pleite die Lichter aus. Er fand, Anfang 50, zum Glück einen neuen Job, ebenfalls bei einer Metallfirma. Die Hauptpost hat er immer weiter im Blick behalten. „Und die soll jetzt, zentral am Bahnhof und Busbahnhof gelegen, für immer verschwinden?“ Gerade ältere Menschen werden sie vermissen, sagt Norbert Heyer und meint wohl damit wohl auch sich selbst.

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