Oberhausen. Die kleinere Bühne im Theater Oberhausen bietet Uraufführungen von Nora Bossong und Annika Büsing, aber auch Tanztheater aus nächster Nähe.
Die Tänzerinnen und Tänzer vom jungen „New Wave Ensemble“ haben den kürzesten Weg ins Studio des Theaters am Will-Quadflieg-Platz: einfach treppab von ihrer Probenstätte im einstigen Ballettsaal mit dem wandfüllenden Spiegel. Die kleinere Bühne des Theaters Oberhausen ist der Ort (nicht nur) für tänzerische Experimente und für Neuentdeckungen. Sechs Premieren der kommenden Spielzeit 2024/ ’25 sind hier zu erleben - eine weitere für die meist zuverlässig ausverkaufte Theaterbar. Für das Große Haus sind acht Neuheiten angekündigt: Das Team um Intendantin Kathrin Mädler bleibt also überaus emsig.
Größer könnte ein Anspruch kaum sein: „Utopia“ heißt die erste Premiere der neuen Spielzeit am Freitag, 6. September: Regisseur und Tänzer Kwame Osei nennt sein futuristisches Werk „ein Plädoyer für eine kollektive Erinnerungskultur“. Mit der belgischen Choreographin Ntela Hendrickx verfolgt die multikulturelle Tanztruppe die Frage nach dem Umgang mit der eigenen Vergangenheit und nach der individuellen Verantwortung.
Interaktives Tanztheater bietet die bewegliche Hip-Hop-Crew auch für die Jüngsten: „Swimmy“ nach einem der bezaubernden Bilderbücher von Leo Lionni: Seine Geschichte von einem klugen, kleinen Fisch inmitten eines zaghaften Schwarms erhielt schon 1965 den Deutschen Jugendbuchpreis. Der neugierige kleine Fisch zeigt, dass sich mit Erfindungsreichtum und Zusammenhalt selbst Situationen meistern lassen, die sonst Angst machen. „Swimmys“ Reise durchs Meer erzählen am 19. Oktober zwei Tänzer und eine Schauspielerin in der Regie von Kama Frankl-Groß.
Mit dem zeitgeschichtlichen Drama „Grabeland“ inszeniert Intendantin Kathrin Mädler den ersten Bühnentext der bei Kritik wie Publikum höchst erfolgreichen Roman-Autorin Nora Bossong. Die Metropolschreiberin Ruhr des Jahres 2023 erzählt in der Uraufführung am 31. Oktober vom verwegenen Versuch, im Gelsenkirchen des Jahres 1936 - bedrängt von Weltwirtschaftskrise und NS-Terrorherrschaft - eine Seidenraupenzucht zu etablieren. Doch statt zu einem Lieferanten der eleganten Welt wird das Ruhrgebiet zur „Waffenkammer des Reichs“. Kritische Heimatgeschichte schrieb die gebürtige Bremerin Nora Bossong bereits 2012 mit „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ über eine Essener Industriellenfamilie.
Gesucht fürs Theater: „Betroffene von Gewichtsdiskriminierung“
Ihre im ländlichen Hunsrück aufgewachsene Kollegin Daniela Dröscher hatte mit dem Roman „Lügen über meine Mutter“ 2022 einen heißen Finalisten für den Deutschen Buchpreis vorgelegt. Mit dem Diktum „Sie ist zu dick“ wird die Mutter vom Vater auf die Waage gestellt, ihr Körper kommentiert, pathologisiert und für alles verantwortlich gemacht, was im Familienalltag nicht gelingt. Für die Dramatisierung dieser Erzählung vom Verlust der Würde und Selbstbestimmung sucht das Theater noch Laiendarstellerinnen und Darsteller, „die im weitesten Sinn von Gewichtsdiskriminierung betroffen sind“, wie es in der Einladung heißt. Premierentermin für diese Uraufführung im Studio ist der 30. November.
Die erste „kleine“ Premiere des neuen Jahres präsentiert sich am 22. Februar 2025 in der Theaterbar, die sich als Spielstätte für ein Publikum „mittendrin“ längst ihre eigene Fangemeinde gesichert hat. „Age is a Feeling“ heißt der Monolog der preisgekrönten kanadischen Autorin und Schauspielerin Haley McGee. Ihr so berührender wie humorvoller Text berührt alle Facetten des Alterns, das bekanntlich bereits mit 25 Jahren einsetzt.
Die Bochumerin Annika Büsing schrieb nach ihrem Erfolgsdebüt „Nordstadt“ mit „Koller“ eine berührende und warmherzige Liebesgeschichte, als Uraufführung der Schauspiel-Fassung zu erleben am 27. März: Chris hatte sich vorgenommen „mutiger zu sein“, deshalb fährt er jetzt mit Koller in einem Auto von Kollers Exfreundin Ella von Leipzig an die Nordsee. Chris hat Koller erst kurz zuvor kennengelernt, doch der Fremde fasziniert ihn. Sieben Tage sind sie schließlich unterwegs, bis beide die Küste erreichen.
Von Wut, Trauer und der überschießenden Fantasie eines Elfjährigen erzählt am 17. Mai die letzte Uraufführung im Studio: In „Schmetterball“ verliert Anton seinen besten Freund Rico durch plötzlichen Herztod. Doch Anton behauptet einfach, sein schmerzhaft vermisster Sparringspartner vieler Tischtennis-Matches sei ins Olympia-Kader aufgestiegen. Ricos vermeintliche Mails aus dem Trainingslager gehen als „tischtennis poetry“ viral. Der 31-jährige Berliner Dorian Brunz schreibt das sportliche Schauspiel als Auftragsarbeit für das Theater Oberhausen.
Nicht nur für Abonnenten: Theaterkasse ist wieder geöffnet
Die Theaterferien beendet die emsige Crew der Theaterkasse stets als Erstes: Sie ist bereits wieder zur Stelle und berät, sei es am Will-Quadflieg-Platz, per Kartentelefon 0208 8578 184 oder per Mail an service@theater-oberhausen.de.
Für einige gefragte Inszenierungen bietet das Repertoire ein Wiedersehen im Studio und in der Bar, wo der fulminante Schlagabtausch um rein weiße „Kunst“ in Yasmina Rezas Komödie für drei Vollblut-Schauspieler wieder auflebt.
Bereits im September zählen die Tanztheater-Produktionen „Suits“ und „Vagabund“ wieder zum Studio-Repertoire. Für Kinder folgt im Dezember „Das Leben ist ein Wunschkonzert“ und für Fans boshaft-geschliffener Dialoge im Februar 2025 „Sauer“ von Asja Krsmanovićs.