Oberhausen. Im Baugewerbe verdient man derzeit sehr gut, dennoch entscheiden sich zu wenige für eine Lehre. Oberhausen holt nun junge Leute aus der Mongolei.

Drinnen beackern angehende Hoch- und Tiefbauer Asphalt und Beton; reißen den Boden auf, um Baugruben auszuheben oder Rohrleitungen zu legen. Alles im Miniatur-Format zu Übungszwecken. Draußen bedienen junge Männer in knallorangefarbiger Kleidung allerlei Baumaschinen; hoch oben im Riesen-Kran oder an den Planierraupen und Baggern am Boden, die dagegen nahezu winzig wirken.

Wer will fleißige Handwerker sehen? Auf dem Gelände des Berufsförderungswerks der NRW-Bauindustrie an der Vestischen Straße ist dies eindrucksvoll möglich, das viel gelobte deutsche Ausbildungssystem zeigt sich von seiner hochmodernen Seite. Es ist nicht verwunderlich, dass das Zentrum für Aus-, Fort- und Weiterbildung mit 280 Schülern im ersten Lehrjahr konstant gut belegt und die Abbrecherquote gering ist. Dennoch gibt es existenzielle Probleme – einige deuten sich erst an, andere sind bereits eingetreten.

Oberhausener Ausbildungszentrum: Bauarbeiter händeringend gesucht

Ende August wird Jens Waldoch, Leiter des Ausbildungszentrums, das vor fünf Jahren von Essen nach Oberhausen gezogen ist, in ein Flugzeug Richtung Mongolei steigen. In dem 6500 Kilometer entfernten ostasiatischen Land, das zwischen Russland und China liegt, wird er versuchen, junge Einheimische davon zu überzeugen, für eine Ausbildung in der Bauindustrie nach Oberhausen zu kommen. Es ist nicht das erste Mal, dass er diese Mission antreten wird, berichtet Waldoch am Rande eines Rundgangs für die Teilnehmenden der SPD-Sommerschule. Die Idee sei entstanden, nachdem mongolische Firmen ihre Mitarbeiter zu Lehrgängen ins Ausbildungszentrum geschickt hätten.

Seltener Anblick: eine junge Frau arbeitet in der Abteilung Straßenbau im Ausbildungszentrum der Bauindustrie in Oberhausen.
Seltener Anblick: eine junge Frau arbeitet in der Abteilung Straßenbau im Ausbildungszentrum der Bauindustrie in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Wir brauchen Leute für alle Bauberufe“, sagt Jens Waldoch. Der Bedarf an Facharbeitern sei riesig: Handwerker werden händeringend gesucht und die Schäden bei Brücken und Straßen erforderten in den nächsten Jahren eine große Anzahl an Personal. Nicht nur den künftigen Lehrlingen aus dem Ausland, auch den hiesigen kann Waldoch eine rosige Zukunft in Aussicht stellen. Was Ausbildungsplätze betrifft, kämen auf einen Azubi zurzeit 2,2 freie Lehrstellen, im Tiefbau seien es sogar 2,8.

Künftige Facharbeiter aus Oberhausen: Azubis lockt das Geld

In zwei Stufen können die Besucher des Oberhausener Lernzentrums – 97,3 Prozent von ihnen sind männlichen Geschlechts – ihre Ausbildung absolvieren. Stufe Eins umfasst die ersten beiden Lehrjahre, an deren Ende der Erste Facharbeiterbrief steht (früher Gesellenbrief). 50 Prozent starten dann laut Jens Waldoch ins Berufsleben, wo sie von ihren künftigen Chefinnen und Chefs umworben werden.

Jens Waldoch, Leiter des Ausbildungszentrum der Bauindustrie in Oberhausen.
Jens Waldoch, Leiter des Ausbildungszentrum der Bauindustrie in Oberhausen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Die andere Hälfte macht weiter, ein weiteres Jahr dauert es bis zum Zweiten Facharbeiterbrief. Wer den in der Tasche hat, könnte unter noch viel mehr Jobs auswählen und würde auch mehr Geld verdienen, doch das Pauken ist anstrengend und das Gehalt lockt. „Dabei sind wir im Vergleich weit vorne mit der Ausbildungsvergütung“, sagt Jens Waldoch. 1080 Euro gibt es im ersten Jahr, 1300 Euro im zweiten und 1550 im dritten. Hinzu kommen drei gemeinsame Mahlzeiten in der Mensa und sogar Übernachtungsmöglichkeiten für bis zu hundert Personen während der bis zu siebenwöchigen Ausbildungsblöcke. Fitnessraum, Spielgeräteraum, Sozialarbeiter – Waldoch hebt die Vorzüge des Zentrums auf dem Gelände des früheren Filmtrickstudios HDO in Oberhausen-Osterfeld hervor und spricht von positivem Feedback.

Der Auszubildende Yunus Abu-Dayeh arbeitet in der Abteilung Betonbau im Ausbildungszentrum der Bauindustrie in Oberhausen.
Der Auszubildende Yunus Abu-Dayeh arbeitet in der Abteilung Betonbau im Ausbildungszentrum der Bauindustrie in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Mit bunten Kampagnen kämpfen sie auch in Oberhausen um den Nachwuchs im Baugewerbe, dessen Attraktivität laut Waldoch in den letzten Jahren stark gelitten hat. Wenn jetzt auch noch die Generation der Baby-Boomer in Rente geht, könnte ein Kipppunkt auf dem Markt erreicht werden, befürchtet er. Und er hat noch andere Sorgen: Lehrkräfte sind ebenfalls Mangelware. Am Ausbildungszentrum sind es Poliere und Meister, die aus der Praxis kommen und die Jugendlichen in den mannigfachen Bautechniken unterweisen. „Auf den Baustellen wird mehr verdient“, sagt Waldoch. Da könne er nicht mithalten.