Oberhausen. Für schlappe sechs Millionen Euro wollte Oberhausen ein wichtiges Schwimmbad sanieren - und muss nun 18 Millionen Euro ausgeben. Warum nur?
Die obere Wärmebank unterhalb der auffällig-hohen Glasfenster kennt jeder, der mal fröstelnd aus dem Chlorwasser im Sterkrader Hallenbad gestiegen ist: Hier war es so muckelig warm, hier konnte man sich ausruhen und aufwärmen.
Was die Schwimmerinnen und Schwimmer noch nicht einmal ahnten: Unter ihnen brodelte das heiße Wasser einer Fernwärmeleitung, die ihre Hitze außerhalb des normalen Wasserkreislaufes des Bades direkt abgab. Und leider nicht nur ihre Wärme, sondern auch Wasser. Die Rohrleitung war von allen unbemerkt undicht geworden, das Wasser tropfte jahrelang in den Estrich, der bröselig wurde.
Entdeckt wurde der immense Estrich-Schaden erst, als die Bauarbeiter die Sanierung der Edelstahlwanne des Schwimmbeckens im Sterkrader Hallenbad anpackten. Und es blieb nicht dabei: Egal, in welche Ecke die Schwimmbad-Sanierer Anfang 2023 auch schauten - es türmten sich immer neue verborgene zerstörte Stellen auf.
Nach Bad-Kostenexplosion schwiegen die Oberhausener Lokalpolitiker
Nur zehn Monate nach der vom Rat abgesegneten Sanierung des Hallenbades mussten die gewählten Lokalpolitiker im geheimen Teil ihrer Ratssitzung Ende September 2023 rund 18 Millionen Euro Gesamtetat bewilligen - zähneknirschend. Dabei waren doch die Sanierungskosten des Bades im Dezember 2022 nur auf sechs Millionen Euro geschätzt worden.
Zähneknirschen haben die Bürger allerdings zunächst einmal nicht gehört: Alle Ratspolitiker stimmten dem Kostendebakel zwar zu, verhielten sich öffentlich dazu aber erstaunlich leise. Kaum jemand erfuhr, dass die Steuerzahler aus der Stadtkasse nun dreimal soviel Geld für ein gebrauchsfähiges Hallenbad zahlen müssen, als zuvor geplant. Und diskutiert wurde darüber in der Ratssitzung auch nicht, dabei muss das Geld fast vollständig aus der Stadtkasse aufgebracht werden.
Doch der Reihe nach: Im Sommer 2022 war den Fachleuten bei der jährlichen Kontrolle des 50er-Jahre-Schwimmbades an der Holtener Straße 2 nahe der Sterkrader Innenstadt nur aufgefallen, dass das Becken an 90 Stellen durchlöchert und stark verrostet war. Unreparierbar! Das durchtropfende Chlorwasser hatte die Betonkonstruktion zerstört. Hilfreich war es auch nicht, dass die Wasseraufbereitung mit Chlor so angelegt war, dass der beton-anfressende Chloridgehalt in der Luft sehr hoch war.
Neues Edelstahlbecken, die Sanierung der Stahlbetonkonstruktion darunter und eine neue Wasseraufbereitungstechnik - die Experten schätzten die Sanierung im Herbst 2022 auf sechs Millionen Euro. Die Alternative, einen kompletten Neubau zu wagen, damals kalkuliert mit 16 Millionen Euro, empfahl die Stadtspitze nicht - zu teuer. Dieser Auffassung war der gesamte Rat - und winkte die Genehmigung der Sanierung durch.
Im Sterkrader Schwimmbad schwamm schon Romy Schneider
Doch kaum stemmten sich die Bauarbeiter durchs fast 70 Jahre alte Gebäude, erhöhten sich die Kosten: von sechs Millionen im Herbst 2022 über zehn Millionen im Mai 2023 auf 18 Millionen Euro im September 2023. Sichtbar wurden massive Undichtigkeiten im gesamten Bodenaufbau innerhalb der Schwimmhalle, Undichtigkeiten auch innerhalb des Kinderbeckens mit Schäden an der Konstruktion, massive Undichtigkeiten innerhalb des Bodenaufbaus der Duschen und der Verbindungsflure zur Schwimmhalle, morsche Gebäudestützen innerhalb der Schwimmhalle und Schäden an den Wasserleitungen.
Selbst der ikonische Sprungturm mit Fünf-Meter- und Drei-Meter-Brett, vor dem schon Schauspiel-Star Romy Schneider 1966 für den Spielfilm „Schornstein Nr. 4“ plantschte, entpuppte sich mit seinen verrosteten Stahlstützteilen als so instabil, dass er komplett nachgebaut werden musste.
Und da man schon einmal dabei war, hat man auch erkannt, dass man besser ebenso alle Fliesen, alle Umkleiden und Duschen erneuern sollte, um das Schwimmbad mit seinen markanten hohen Fenstern dauerhaft zu ertüchtigen.
„Die Vielzahl an neuen Schadensbildern führte zu einer Vielzahl an zusätzlichen Sanierungsmaßnahmen und somit zur deutlichen Ausweitung der gesamten Sanierungsmaßnahme. Hierin begründen sich maßgeblich die Kostensteigerungssprünge“, schreibt die SBO auf die Anfrage der Redaktion. Die erste Kostenschätzung sei durchaus realistisch gewesen, weil man die Schäden nicht hätte erkennen können, da das Gebäude noch im Vollbetrieb war.
Dennoch: Dass die Fachleute mit ihrer ersten Kostenschätzung weder neue Duschen noch neue Wasserleitungen oder Fliesen berücksichtigt hatten, kann man durchaus als ungewöhnlich optimistisch bewerten. Zumindest die Politik aber, die Ende 2022 die Wahl zwischen Sanierung und Neubau treffen musste, hätte die überraschende Kostenflut zehn Monate später kritisch beleuchten können. Doch das ist nicht geschehen. Warum nicht?
Lokalpolitiker verströmen eine große Hilflosigkeit bei Kostenexplosionen am Bau
Spricht man jetzt mit den Lokalpolitikern, spürt man eine große Hilflosigkeit. „Wir Politiker befinden uns in einem Dilemma: Wir selbst können die Kostenrechnungen der Fachleute nicht überprüfen, wenn sich die Bauten dann so sehr verteuern, kann man das nicht mehr stoppen“, analysiert Grünen-Fraktionsvorsitzende Steffi Opitz. FDP-Gruppenchef Marc Hoff ermahnt die Fachleute, zumindest in Zukunft für realistischere Kostenschätzungen zu sorgen: „Wir sind Ehrenamtler und nicht Baufachleute. Man muss sich auf die Werte der Experten verlassen können.“ CDU-Ratsherr Holger Ingendoh verteidigt die Vorgänge: „Wir wollten das Sterkrader Schwimmbad, wir brauchen das Sterkrader Schwimmbad - und die Zusatzkosten sind uns ausführlich und nachvollziehbar erläutert worden. Das musste zwingend angepackt werden.“
Nicht unähnlich sieht dies SPD-Fraktionsvize Manuel Prohl: „Das war ein Kostenschock für uns, aber es gab dazu keine vernünftige Alternative. Natürlich haben wir über diesen extremen Kostenanstieg intensiv diskutiert. Am Ende wollten wir aber keine weitere Verzögerung, die Arbeiten sollten vorangehen, denn wir benötigen dieses Schwimmbad dringend.“
Tatsächlich ist der Bedarf unstrittig: Oberhausen hat deutlich weniger Schwimmflächen als früher, kann den Bedarf an Hobbyschwimmern, Vereinsschwimmern und Gesundheitsschwimmern nur schwer erfüllen - mit seinen drei Hallenbädern nach dem Bäder-Sparkonzept des Jahres 2005. Geschlossen wurden damals die Bäder Ost, Osterfeld, Alsbachtal und Stadion Niederrhein.
Wäre es aber angesichts der hohen Sanierungskosten da nicht sinnvoller gewesen, ein komplett neues Hallenbad in Sterkrade zu bauen, als am Altbau herumzudoktern?
Immobiliendezernent: Trotz Kostenexplosion ist Sanierung statt Neubau richtig
Immobiliendezernent Michael Jehn hat dies sogar eigens im August 2023 noch einmal nachrechnen lassen. Und siehe da: Statt 16 Millionen Euro für einen Neubau mit einer vergleichbaren Bruttogeschossfläche von etwa 5600 Quadratmetern wären es nach realistischer Kostenschätzung sogar 36 Millionen Euro geworden. „Ein Neubau an diesem Standort wäre tatsächlich viel teurer als die Sanierung“, sagte Jehn im Gespräch mit der Redaktion.
Zudem müsste man auch noch einen Kaufpreis für ein Areal in Sterkrade einkalkulieren, denn nach den heutigen Richtlinien, etwa für Parkplätze, sei das so zentral gelegene Gelände des alten Schwimmbades kaum zu bebauen: zu klein. „Die Sanierung bleibt eine richtige Entscheidung, zumal das Sterkrader Schwimmbad am Ende neuwertig saniert sein wird.“
Was keiner öffentlich sagen will: Es gab immerhin auch einen romantischen Grund, am alten Bau im schönen 50er Jahre Stil festzuhalten - schließlich schwamm Deutschlands Schauspiel-Superstar Romy Schneider in diesem Oberhausener Becken.
Für die Zukunft aber hat sich die Oberhausener Stadtspitze, aber auch die neue Geschäftsführung der aus der OGM hervorgegangenen SBO einen drastischen Kurswechsel vorgenommen: Bei Bauten sollen die künftigen Kalkulationen für die Vorlage an die politischen Entscheidungsträger nicht mehr viel zu niedrig, sondern im Gegenteil durch vorsichtige Aufschläge tendenziell lieber zu hoch geschätzt werden, also realistischer. Damit weder Bürger noch Politik oder Kämmerer negativ überrascht werden - und sich die Politik ein besseres Urteil bilden kann.
Mal sehen. Denn die Scheinbar-Billig-Methode zu Beginn von umfangreichen Bauarbeiten hatte einen durchschlagenden Erfolg: Die Politik genehmigte dankend den Start der Baustelle, um der Bevölkerung etwas Gutes zu tun.
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