Oberhausen. “Man hat das Gefühl, hier gewollt zu sein, und das hat man als Künstler ja nicht immer“ - Intendant Peter Carp erläutert im NRZ-Interview seinen Entschluss, für fünf weitere Jahre am Theater Oberhausen zu unterschreiben.
Es gibt nicht viele gute Nachrichten dieser Tage in Oberhausen. Insofern dürfte sich mancher umso mehr gefreut haben über die Meldung, dass Theater-Intendant Peter Carp der Stadt treu bleibt und seinen Vertrag um weitere fünf Jahre verlängert hat. Zumal man damit rechnen musste, dass sein Erfolg ihm auch manche Offerte anderer Häuser bescherte.
Herr Carp, war es eine Bauch- oder eine Kopfentscheidung?
Peter Carp: Beides, aber der Bauch war wichtiger. Als wir hier vor dreieinhalb Jahren anfingen, stand das Theater zur Disposition, es wurde über eine Schließung diskutiert. Davon ist inzwischen nicht mehr die Rede. Das Haus steht gut da, ist sehr erfolgreich. Wir waren nach 44 Jahren zum ersten Mal wieder beim Berliner Theatertreffen und haben mit „Nora“ zahlreiche weitere Festivaleinladungen. Das ist eine Erfolgsgeschichte und es wäre schade gewesen, diesen Bogen abzubrechen. Hinzu kommt der Rückhalt in der Bevölkerung. Man hat das Gefühl, hier gewollt zu sein, und das hat man als Künstler ja nicht immer.
Der Erfolg in Oberhausen hat Ihren Marktwert als Intendant aber doch bestimmt gesteigert.
Carp: Sicher, das geht mir so und den Kollegen im Ensemble ebenfalls. Je mehr man auffällt, umso mehr Menschen interessieren sich für einen. Aber wie sich das konkret geäußert hat, werde ich Ihnen nicht verraten.
Es gab jedenfalls Alternativen?
Carp: Es gibt immer Alternativen.
Nun also zehn Jahre an einem Ort – ist das für einen Theatermann nicht geradezu unerträglich?
Carp: Diese Vertragsverlängerung bedeutet ja nicht, dass ich jetzt mein gesamtes Berufsleben hier verbringen werde. Theaterleben ist ein Wanderleben, das gilt auch für Intendanten. Wie das in fünf oder sechs Jahren sein wird, weiß ich jetzt noch nicht, aber im Moment finde ich es sehr angenehm und spannend hier.
Denken Sie, Sie haben über die Jahre zunehmend ein Gefühl für das Publikum vor Ort und seinen Geschmack bekommen?
Carp: In gewisser Weise schon. Aber wir machen ja nicht nur Theater für Oberhausen. Wir haben Publikum aus der ganzen Region, vom Niederrhein und zunehmend auch aus Düsseldorf. Und unser Ruf reicht darüber hinaus. Als ich neulich bei einem Festival in Krakau war, kannte die Jury-Kollegin aus Thessaloniki unsere „Nora“, die Kollegin aus Seoul hatte schon von „Der Idiot“ gehört. Wir dürfen nicht nur in unserem eigenen Kaffeepott rühren, wir müssen regional, national und international denken. Wir – und damit meine ich alle am Theater Oberhausen Beschäftigten – haben das Theater gerettet. Die Politik will dieses Theater haben, und zwar durch alle Parteien. Jetzt aber stellt sich die Frage, wie man eine stabile Zukunft schafft.
Das dürfte unter den finanziellen Rahmenbedingungen nicht einfacher werden. In der laufenden Spielzeit müssen Sie 750 000 Euro einsparen, in der nächsten eine Million. Und der „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ wird Oberhausen weitere Kürzungen abverlangen.
Carp: Das Wichtigste ist, dass das Theater nicht mehr in Frage gestellt wird. Zudem ist der Betrieb schon jetzt sehr schlank aufgestellt, bei uns gehen circa 40 Prozent der Subventionen in die Kunst, das ist ein sehr guter Wert. Wir arbeiten sehr effizient – ich weiß, dass ich das Haus tendenziell überfordere. Das ist aber notwendig, damit wir so auffallen, wie wir auffallen.
Ist es nicht dennoch frustrierend, dass Sie trotz wachsenden Erfolgs unter immer schwierigeren Umständen arbeiten müssen? Ihr Kollege Anselm Weber hat daraus die Konsequenzen gezogen und von Essen nach Bochum gewechselt.
Carp: So ein Zustand kann sicherlich kommen, und dann muss man sich dazu verhalten. Im Moment haben wir ihn aber nicht. Über eine solche Negativentwicklung zu spekulieren, entspricht nicht meinem Naturell. Ich neige eher dazu, über Träume zu spekulieren, zu fantasieren.
Was sehen Sie da? Welche Pläne haben Sie für die weitere Zeit in Oberhausen?
Carp: Wir werden weiter versuchen, gutes Ensembletheater zu machen. Das ist die große Kraft unseres Hauses, damit fallen wir immer wieder auf. Und das Ensemble ist wahnsinnig engagiert und motiviert. Nehmen Sie Silvester – da haben sich die Schauspieler wieder eine ganz eigene Show ausgedacht, neben den Proben und allem anderen. Das finden Sie sonst kaum irgendwo. Was wir außerdem weiter machen wollen, ist: spannende Regisseure finden, so wie Herbert Fritsch. Der ist schließlich eine Oberhausener Entdeckung.
Sind Sie in Oberhausen auch persönlich angekommen?
Carp: Ein Stück weit schon. Aber wenn man Theater macht, ist man ja immer in so vielen Welten gleichzeitig. Mache ich Tschechow, bin ich in der Tschechow-Welt. Bei Virginia Woolf bin ich in der Welt von Martha und George – vielleicht sogar mehr als in Oberhausen. Und für einen Intendanten gibt es ohnehin wenig Alltag, ich bin die meiste Zeit im Theater.