Mülheim. Hans-Theo Horn, Renate Sommer und Helmut Schäfer blicken zurück auf 25 Jahre Förderverein am Theater an der Ruhr.
Der Widerstand gegen das vor 30 Jahren gegründete Theater an der Ruhr war immens. Die etablierten Theater reagierten feindlich, die Gewerkschaften machten Schwierigkeiten, weil starre Arbeitszeitreglungen überwunden wurden, die Kritik in den Feuilletons war zwiespältig und in der Politik gab es Gegner in allen Fraktionen.
Dass der Gründungsbeschluss eine Mehrheit fand, war, wie sich Dramaturg Helmut Schäfer erinnert, vor allem Eleonore Güllenstern (SPD) und der „Schlitzohrigkeit“ des damaligen Kulturdezernenten Helmut Meyer zu verdanken. Der habe listig der Politik erklärt, das Theater würde die Stadt nichts kosten und käme ohne Subventionen aus. „Roberto Ciulli und ich haben das nie behauptet. Diese Aussage hat uns aber sehr lange verfolgt“, erinnert sich Schäfer. Ziel sei es aber schon gewesen, den Zuschussbedarf deutlich zu senken. Die ersten zwei Jahre gab es von der Stadt auch überhaupt keine finanzielle Unterstützung, abgesehen davon, dass sie zwei Mal sieben Vorstellungen gekauft hat. Das Theater machte Verlust und schrieb diesen immer weiter fort. Nach fünf Jahren musste es die Stadt entschulden. In den ersten 20 Jahren hat die Stadt das Theater mit 33 Millionen Mark bezuschusst, das sind 1,6 Millionen jährlich, im gleichen Zeitraum hat das Theater 42 Millionen Mark, das sind 2,1 Millionen jährlich, erwirtschaftet, wie Schäfer einmal vorgerechnet hat.
Die Idee, einen Förderverein zu gründen, kam von Erika Müggenburg, der Frau des 2002 verstorbenen Fernseh-Journalisten Günter Müggenburg, dem Vater des Berichts aus Bonn. Ciulli und Schäfer hatten die Theater begeisterte Frau 1984 für Öffentlichkeitsarbeit eingestellt, die es bis dahin nicht richtig gegeben hatte. Ziel des Fördervereins war es gar nicht unbedingt, in der finanziell angespannten Zeit zu helfen, sondern Lobby-Arbeit zu leisten. Schnell war ein Kreis Prominenter zusammengetrommelt, dem unter anderen Gabriela Grillo, Horst Siedentopf (Stinnes), Ex-Bundesjustizminister Jürgen Schmude und Joachim Scheele (Jauch & Hübner) angehörten. Im April 86 war die Vereinsgründung mit Mitgliedern perfekt.
Das nichtvorhandene Wohlwollen spiegelte sich auch in falschen Darstellungen und Unterstellungen wider. Von Beginn an waren Gastspiele eine wichtige wirtschaftliche Säule des Theaters. Mitte der 80er Jahre, als Ciullis und Schäfers Erfolg mit einer Einladung zum Berliner Theatertreffen und dem Titel Theater des Jahres belohnt wurde, überstieg die Nachfrage aus allen Teilen der Republik die Möglichkeiten des Ensembles. Dann hieß es, warum sollen wir ein Theater unterstützen, das auf Reisen geht? Auch die Reisen ins Ausland wurden unter dem finanziellen Gesichtspunkt kritisiert. Dabei sei doch klar gewesen, dass das Auswärtige Amt oder das Goethe-Institut sie bezahlte, wie sich Hans-Theo Horn erinnert, der, seitdem er vor fünf Jahren als städtischer Kulturdezernent ausschied, den Förderverein führt.
Theater an der Ruhr auf fünf Kontinenten
So wandte sich der Förderverein vor allem der internationalen Arbeit des Ensembles zu und unterstützte die Gastspiele aus dem Ausland. Inzwischen sind Theatergruppen aus 40 Nationen nach Mülheim gekommen. „Das Theater-Foyer erinnerte manchmal eher an einen orientalischen Bazar“, erzählt Horn durchaus anerkennend. Jugoslawien bildete in den ersten Jahren den Schwerpunkt, denn dort gab es das interessanteste Theater, das lebendiger als das italienische und französische war. Passend zum Thema ist gerade ein Bildband zum Belgrader Bitef-Festival erschienen, wo seit 1967 die interessantesten Inszenierungen erschienen und Schauspielerin Petra von der Beek blättert im Foyer ganz begeistert darin.
Im Gegenzug war Ciullis Truppe bisher in 35 Ländern auf fünf Kontinenten zu Gast. „Das Theater brachte die Welt nach Mülheim“, so Horn.
Der Umbau des Theaters am Raffelberg von 1993 bis 1997, das ursprünglich nur als Probebühne gedacht war, war eine weitere kritische Situation. Das Land zahlte zwar 80 Prozent, doch stellte sich heraus, dass der Boden im Foyer nicht die nötige Tragfähigkeit besaß. Nicht auszudenken, was für eine Katastrophe möglich gewesen wäre. Die Beseitigung der statischen Probleme führte zu Mehrkosten. „Meine Fraktion war nicht gewillt, das weiter mit zumachen“, erinnert sich die CDU-Kulturpolitikerin Renate Sommer. „Das wollte und konnte ich nicht akzeptieren.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte Schwarz-Grün im Rathaus das Sagen. Ihre Idee, Bausteine zu verkaufen, teilte Sommer dem damligen Fördervereinsvorsitzenden Horst Siedentopf mit, der sofort begeistert war. Scheine im Wert von 10 bis 1000 Euro wurden ausgegeben. Bei einem Fest in der Müga baute der Förderverein einen Stand auf und hatte dort auch richtige Steine in einem Korb. „Retten Sie das Solbad. Ein Haus für unser Theater“, hieß es damals absichtlich, um das Theater aus seiner Randlage zu befreien, die nicht nur geografisch gegeben war.
Der größte Groschenteppich der Welt
Rolf Schulze, der damals noch für das Veranstaltungsmanagement der Stadt zuständig war, hatte noch eine andere Idee, mit der die Stadt ins Guinness-Buch kommen sollte: den größten Groschenteppich der Welt. Drei Tage lang, vom 31. August bis 2. September, wurden Groschen auf dem Viktoriaplatz rund um den Hajek-Brunnen ausgelegt. Zum Schluss kamen auf 307 Quadratmetern exakt 719 954 Groschen zusammen, die bei der Sparkasse dann eingetauscht wurden. Die Summe musste aber mit der Arbeitsloseninitiative Malz, dem Verein Hilfe für Frauen und dem DRK geteilt werden. Für das Theater kamen bei beiden Aktionen dann deutlich mehr als 100 000 Mark zusammen und der Eigenanteil war gesichert. Könnte man sich vorstellen, dass heute in einer dreitägigen Aktion für kulturelle und soziale Zwecke noch 35 000 Euro gespendet werden?
Die negativen Emotionen sind zwar verflogen, die Aufgabe, das Theater stärker im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern und den Wert der internationalen Kontakte zu verdeutlichen, bleibt für Hans-Theo Horn immer noch bestehen.