Mülheim. Mascha Unterlehberg aus Mülheim und Essen startet aktuell mit ihrem Debütroman durch. Er könnte der Beginn einer literarischen Karriere sein.
Jara steht auf der Eisenbahnbrücke über der Ruhr und starrt ins tiefdunkle Gewässer. Anto, die gerade noch neben ihr saß, ist in den Fluss gesprungen und taucht nicht wieder auf. So beginnt der Debütroman von Mascha Unterlehberg und den sollte man im Auge behalten. Denn „Wenn wir lächeln“ ist eine harte, intensive Geschichte über Jugend im Ruhrgebiet, über das Pendeln zwischen Wut und Euphorie und dem Gefühl, im freien Fall durchs Leben zu stürzen.
Der Roman könnte auch der Beginn einer viel versprechenden literarischen Karriere sein. Mascha Unterlehberg wurde in Mülheim geboren und ging dort zur Schule, wuchs in Essen-Kettwig auf. Sie studierte an den angesehendsten Literatur-Instituten, lernte von Größen wie Deniz Utlu und Ulrike Draesner. Aktuell absolviert sie ein Literaturstipendium in Paris, kommt aber mit ihrem Buch zurück in die Heimat.
Sie sind in Mülheim geboren, haben dann in Freiburg, Paris und an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studiert. Ihr Debütroman aber spielt in der Heimat. Warum?
Ich habe meine Jugend in Essen und Mülheim verbracht, kenne diese Gegend sehr gut und verbinde sie mit meinem eigenen Aufwachsen. Das Ruhrgebiet ist ein guter Ort für diese Geschichte, weil es eine gute Mischung ist aus Großstädtischem und teilweise fast Dörflichem. Und genau zwischen diesen Polen bewegen sich Anto und Jara auch, wenn sie um die Häuser ziehen.
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Jetzt sind wir schon mittendrin in der Geschichte. In Ihrem Debütroman geht es um Jara und Anto, zwei Freundinnen, die zusammen erwachsen werden. Es geht um Jugend, aber es wird weder verklärt noch romantisiert. Jugend, das ist auch eine heftige Zeit, oder?
Die Jugend ist nicht die schönste Zeit im Leben. Sie ist eine Zeit, in der wir viele Dinge lernen müssen. Unter anderem eben, wie wir uns in Freundinnenschaften verhalten, wie solidarisch wir sein wollen. Es ist vermutlich die Zeit, in der wir die meisten Fehler machen, Menschen verletzen oder auch verletzt werden können, weil wir Dinge noch nicht reflektiert haben.
Es ist auch eine Zeit, in der man zur Frau wird und nicht immer schöne Erfahrungen macht.
Jara und Anto wachsen in einer Zeit auf, die noch vor MeToo spielt. Und sie machen viele Erfahrungen von kleinen Übergriffen im Alltag, sexualisierter Gewalt. Sie fühlen sich nicht sicher, wenn sie nachts allein nach Hause laufen. Sie fühlen sich teilweise in ihrem Aufwachsen als junge Frauen objektifiziert oder von Blicken verfolgt. Aber sie haben keine richtige Sprache dafür.
Beim Lesen Ihres Romans kann man sich sehr gut selbst dabei ertappen, wie man diese Objektifizierung erst einmal hinnimmt, weil man sie selbst erlebt hat, und dann innehält, erneut liest und sich denkt: Heute würde ich das nicht mehr hinnehmen. Aber ist es so? Hat sich etwas verändert?

Das ist spannend und ich hoffe, dass ich nach Erscheinen des Buches mit jungen Frauen darüber sprechen kann. Eine 17-Jährige, die das Buch vorab gelesen hat, hat mir geschrieben, dass sie sich darin sehr wiedergefunden hat. Das hat mich berührt und gleichzeitig ist es schlimm. Ich glaube, dass wir heute eine andere Sprache dafür haben, dass wir Dinge anders benennen, aber diese Strukturen sind immer noch da. Sexualisierte Gewalt gibt es in Deutschland heute nicht weniger als vor 20 Jahren.
Jara und Anto tragen selbst eine große Wut in sich, die schließlich eskaliert. Eine Emotion, die Frauen gern abgesprochen wird.
Weibliche Wut hat eine lange Geschichte von Abwertung. Sie wurde früher oft als hysterisch abgetan, als lächerlich. Es gab natürlich immer wütende Frauen, die geschrieben haben, aber vielleicht bekommen sie gerade mehr Aufmerksamkeit. Ich schreibe selbst oft Texte aus einer Wut heraus, die durch ein Gefühl von Ohnmacht entsteht. Es hat etwas Befreiendes, sie beim Schreiben rauszulassen.
Oft vergehen viele Jahre, bevor aus einer Idee ein fertiger Roman wird. Was ist die Geschichte hinter Ihrem Roman?
2019 fing ich an, Literarisches Schreiben zu studieren. Damals habe ich schon grob an der Geschichte gearbeitet, aber vieles wieder verworfen. Meine Figuren Jara und Anto hatte ich dann vor ungefähr drei Jahren. 2023 kam ich zu meiner Literaturagentur und hatte dann auch bald den Dumont-Verlag an meiner Seite. Die Hochphase des Lektorats dauerte ungefähr sechs Wochen im Sommer 2024, eine sehr intensive Zeit.
Ihr Buch bekommt gerade viel Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken. Die Premierenlesung moderiert Ruth-Maria Thomas, die mit ihrem Debüt „Die schönste Version“ für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Was passiert als Nächstes?
Ich freue mich vor allem darauf, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und zu sehen, wie meine Geschichte auf sie wirkt. Es gibt jetzt schon Lesungstermine, die anstehen. Und ich hatte eine erste Veranstaltung in Freiburg mit Mona Ameziane, das war toll.
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Gibt es auch Termine in der Heimat?
Auf jeden Fall. Ich lese am 7. Mai im Literaturhaus Dortmund, am 8. Mai bei der Buchhandlung Proust in Essen und am 15. Mai bei Hilberath & Lange in Mülheim.
Sind Sie jetzt hauptberuflich Schriftstellerin?
Dieses Jahr bin ich hauptberuflich Schriftstellerin, unter anderem weil ich zwei Stipendien habe. Mal sehen, ob das dauerhaft funktionieren wird. Ich weiß nicht, wie gut es meinem Schreiben tut, auf Stipendien und Förderungen angewiesen zu sein. Aber jetzt gerade ist es tatsächlich so und es ist sehr schön und ich versuche, es zu genießen.
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