Mülheim. Ein Hund hetzt ein Reh am Mülheimer Ufer, das rettet sich ins Wasser und treibt gen Kraftwerk. Laut Nabu handelt es sich um keinen Einzelfall.
Philipp Fichtner war zum Joggen am Sonntagmittag an der Ruhr unterwegs, doch dann wurde er Zeuge einer dramatischen Szene: Ein Reh, offenbar von einem Hund aufgescheucht und in den Fluss getrieben, kämpfte im eisigen Wasser ums Überleben. Letztlich drohte das Tier vom Wehr angesaugt zu werden und zu ertrinken. Dass ein frei laufender Hund einem Wildtier gefährlich wird, ist kein Einzelfall.
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Er dreht seine übliche Laufrunde entlang der Ruhr, ist gerade unterwegs von der Schleuseninsel in Richtung Florabrücke, als er ein großes Tier im Wasser schwimmen sieht. „Erst dachte ich, das wäre ein Hund“, erinnert sich Philipp Fichtner. Ein zweiter Blick aber zeigt: Da schwimmt ein Reh – und hat sichtlich Mühe, wieder ans Ufer zu gelangen. „Das sah schon kräftezehrend aus, außerdem muss das Wasser doch eiskalt sein“, denkt der Biologie-Lehrer, der sich privat für Tier- und Naturschutz engagiert, wie er erzählt. Er dreht um, verfolgt vom Ufer aus das schwimmende Tier, das flussabwärts treibt.
In der Mülheimer Ruhr treibendes Reh wird von Wehr angesaugt
Dass das Reh Hilfe braucht, ist schnell klar. Zumal es bald das Wasserkraftwerk erreichen würde: „Da es sich linksseitig hielt, schwamm es den Flussarm in Richtung des Kraftwerks. Durch die Erhöhung am Ufer hatte es keine Möglichkeit, aus dem Wasser zu kommen“, hat Fichtner beobachtet. Also ruft der 31-Jährige die Tierrettung an, wird dort an die Feuerwehr verwiesen und alarmiert die Retter. „Ich wollte zum Kraftwerk laufen, um dort zu klingeln, damit es abgestellt wird.“ Denn am Wehr angekommen, sei das Reh angesaugt worden bis an die Gitter heran und droht unterzugehen, schildert der junge Mann und erzählt: „Als ich sah, wie es vom Wehr angesaugt wurde, dachte ich, das war's jetzt mit dem Tier.“
Schließlich hat sich das Drama aber doch noch zum Guten gewendet: „Nach einigen misslungenen Versuchen konnte es sich dann aus eigener Kraft befreien und sich auf Höhe von Haus Ruhrnatur an Land retten.“ Dort sei das Tier dann erschöpft und stark zitternd liegen geblieben. „Das Fell wies einige kahle Stellen auf, die auf Verletzungen hindeuteten.“ Ob diese von der Attacke des Hundes stammen, der das Reh in die Ruhr getrieben haben soll, wie Fichtner von einer anderen Passantin erfahren hatte, oder ob sich das Tier am Gitter des Wehrs verletzt hat, sei unklar. Sichtlich angeschlagen und entkräftet sei das Wild in jedem Fall gewesen.
Saarner Ruhraue in Mülheim ist „Hotspot“ für freilaufende Hunde
Die inzwischen angerückten Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr samt Taucher in Neoprenanzug konnten schließlich unverrichteter Dinge wieder abrücken. Ein Sprecher der Feuerwehr bestätigt: „Das Reh ist selbstständig wieder in die Natur gelaufen.“ Ob das Wild das unfreiwillige Bad in der eiskalten Ruhr und den immensen Stress beim Kampf ums Überleben tatsächlich unbeschadet überstanden hat? Genau sagen kann das niemand. Elke Brandt vom Naturschutzbund ordnet ein: „Eigentlich kann jedes Wildtier schwimmen – es ist nur die Frage, wie lange es durchhält bei Kälte und Strömung.“
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Dass Rehe von Hunden gehetzt und in gefährliche Situationen gebracht werden, sei in Mülheim schon öfter geschehen, habe sie beobachtet, berichtet die zweite Vorsitzende des Nabu-Regionalverbandes Ruhr. Und sie weiß: „Die Saarner Ruhraue ist ein Hotspot – da laufen viele Hunde ohne Leine.“
Mülheimer Nabu-Expertin nimmt Hundehalter in die Pflicht
Dem Vierbeiner könne man dabei keinen Vorwurf machen, findet Brandt, denn: „Der Hund geht nur seinem Urinstinkt nach und jagt, so wie der Wolf es mit seiner Beute tut.“ Die wenigsten Hunde gehorchten noch in solch einer Situation, wenn ein Reh vor ihnen davon läuft, sagt die Expertin und nimmt die Hundehalter in die Pflicht: „Die bemühen sich nicht immer genug, am Ball zu bleiben und regelmäßig zu trainieren, dass der Hund zurückgerufen werden kann.“
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In Naturschutzgebieten, wie die Saarner Aue eines ist, gelte grundsätzlich Leinenpflicht für Hunde, teilt die Stadt auf Anfrage mit, die Wege dürfen nicht verlassen werden. Auch in städtischen Grünanlagen müssen Hunde an die Leine. Ähnlich verhält es sich bei Landschaftsschutzgebieten. Dort darf der Hund allerdings dann frei laufen, sofern sein Halter oder seine Halterin gewährleisten kann, dass der Vierbeiner „bei Fuß“ geht und auf den ausgewiesenen Wegen bleibt. Doch nicht jeder Hund sei entsprechend gut erzogen, erinnert Nabu-Expertin Elke Brandt.
Bekommt ein Hund ein Reh zu packen oder wird das Wildtier auf der Flucht vor dem vierbeinigen Jäger verletzt, müsse es im Zweifel durch einen Gnadenschuss von seinem Leid erlöst werden, sagt Elke Brandt. Doch dort, wo es kürzlich zu dem Vorfall kam, den Jogger Philipp Fichtner beobachtet hat – an der Saarner Aue entlang des Ruhrufers bis zur Schleuseninsel – könne man ein verletztes Tier nicht auf diese Art töten, so Brandt, denn: „Dort sind immer so viele Leute unterwegs, da kann nicht geschossen werden.“ Die Konsequenz für ein verletztes Tier? „Im Zweifel wird es elendig verenden.“
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