Mülheim. Acht Jahre hat der Mülheimer gebraucht, um sich von den Schulden zu befreien. Warum er überzeugt ist, dass jeder in seine Situation geraten kann.

Einen Moment lang sitzt der sportliche Mann schweigend am Tisch und blickt durch die Luft. „Eigentlich müsste ich mich mit Namen kenntlich machen, um zu zeigen, dass man sich wirklich nicht schämen muss, dass das jedem passieren kann“, sagt er. Doch dann fällt der Blick zurück auf den Tisch, der Griff geht zur Kaffeetasse und er fügt an: „Aber es ist einfach verdammt schambehaftet.“

Pascal Schmitz, so einigen wir uns schließlich, werden wir ihn in diesem Artikel nennen. Er möchte erzählen, wie er mit Anfang Dreißig in die Verschuldung hineingeriet und wer ihm wieder heraushalf. Er möchte anderen Mut machen, die in einer ähnlichen Lebenssituation stecken. Und vor allem möchte er allen anderen sagen: Dich kann es auch treffen.

Als das Inkasso-Unternehmen anklopfte, war Schluss

Wir treffen uns bei der Awo an der Bahnstraße. Vor acht Jahren stand der 41-Jährige hier auf der Matte, weil es einfach nicht mehr weiterging. Oder wie der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann sagt: „Ich wurde arbeitslos, hatte eine Kreditkarte, und lebte weiter, als wäre nichts gewesen. Das kann nicht gut gehen.“

„Als sich das Inkasso-Unternehmen bei mir gemeldet hat, wusste ich, dass Schluss ist.“ Mehrfach stand Pascal Schmitz bei der Awo Schulden- und Insolvenzberatung vor der Tür, ohne reinzugehen. „Es klingt vielleicht merkwürdig, aber ich dachte, ich werde ausgeschimpft“, erinnert er sich. Damals hat er sich viele Gedanken darüber gemacht, was andere über ihn denken oder erzählen.

„Was ich selbst verschuldet habe, wollte ich auch selbst zurückzahlen.“

Pascal Schmitz
ehemaliger Schuldner

Gemeinsam mit seiner Beraterin hat er seine Unterlagen sortiert und einen Plan zur Rückzahlung der Schulden in Höhe von 10.000 Euro erstellt, den seine Beraterin dann wiederum mit dem Kreditinstitut besprochen hat. So fing er noch in der Arbeitslosigkeit an, seine Schulden zu tilgen. Als er kurz darauf einen neuen Job fand, den er bis heute ausübt, führte er seinen Plan konsequent fort und konnte dann sogar noch etwas zum Sparen beiseite legen.

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„Es hat lange gedauert. Acht Jahre insgesamt. Aber ich habe es aus eigener Kraft geschafft“, erinnert er sich. Hat er an eine Privatinsolvenz gedacht, die nach drei Jahren erledigt ist? Er schüttelt bestimmt den Kopf. „Was ich selbst verschuldet habe, wollte ich auch selbst zurückzahlen.“

Manchmal ist das eigentliche Problem eine Sucht

Nicht jeder Klient bei der Awo-Schuldenberatung ist so zielstrebig und konsistent wie Pascal Schmitz. Häufig seien mehrere Gläubiger involviert und ein Überblick schwieriger zu bekommen. Komplizierter werde die Situation zudem, wenn ganze Familien betroffen sind, erläutert Awo-Geschäftsführerin Michaela Rosenbaum.

Manchmal sei das eigentliche Problem eine Suchterkrankung. „Dann holen wir erstmal andere Beratungsstellen ins Boot“, sagt Michaela Rosenbaum. „Bei Frauen haben wir häufig den Fall, dass sie Bürgschaften für Männer oder Söhne unterschrieben und Firmen auf ihren Namen gegründet haben, ohne zu wissen, was sie da tun.“

Rechnungen landen irgendwo, wo man sie nicht sieht

Es gebe aber auch wiederkehrende Muster. „Meistens haben die Leute eine Schublade, Tüten oder einen Karton, in dem alle Briefe ungeöffnet landen, damit man sie nicht mehr sehen muss.“ Pascal Schmitz sagt wie aus der Pistole geschossen: „Bei mir war es eine Schublade.“

Schon 1400 Beratungen in diesem Jahr in Mülheim - Schulden deutlich gesenkt

Awo Mülheim Geschäftsführerin Michaela Rosenbaum mit Frank Werner vom Vorstand der Sparkasse, die die Schuldenberatung im Jahr 2024 mit 28.515,00 € unterstützt.
Awo Mülheim Geschäftsführerin Michaela Rosenbaum mit Frank Werner vom Vorstand der Sparkasse, die die Schuldenberatung im Jahr 2024 mit 28.515,00 € unterstützt. © Awo Mülheim | Awo Mülheim

„Ich hatte damals massive Schlafprobleme. Als der Zahlungsplan dann stand, ließ der Druck merklich nach. Das ging recht schnell“, resümiert Pascal Schmitz. Manuela Rosenbaum bekräftigt: „Wirklich jeder Mensch kann in eine schwierige Lebenssituation geraten. Heutzutage ist der Kipppunkt oft, dass die Hausfinanzierung kurz vor knapp läuft und dann reichen schon gestiegene Energiepreise aus, damit es nicht mehr passt.“

Pascal Schmitz zieht eine versöhnliche Bilanz mit sich selbst. „Ich habe dadurch gelernt, mit Geld umzugehen.“ Er ist sich sicher: „So etwas wie damals passiert mir nie wieder.“

Kontakt: Die Schulden- und Insolvenzberatung der Awo an der Bahnstraße 18 ist auch per E-Mail zu erreichen unter: sib@awo-mh.de

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