Mülheim. In Mülheim-Dümpten fand am Montag eine Geothermiebohrung statt. Zwei Experten erklären die Vorteile, aber auch die hohen Kosten.
„So viel war ja hier lange nicht mehr los“, staunt ein Nachbar der Eigenen Scholle, einer Seitenstraße der Oberheidstraße in Dümpten. Ein riesiges Bohrgerät ist im Vorgarten von Nummer elf aufgestellt und dringt dort 120 Meter weit in die Erde ein. Die Arbeiten locken den ein oder anderen Schaulustigen aus der Umgebung an, schräg gegenüber schaut ein Nachbar von seinem Balkon aus zu.
Mindestens einmal pro Woche rücken Fachfirmen zu Geothermiebohrungen in Mülheim aus. „Hier wird quasi heute die Heizung umgestellt. Bisher hatte das Haus einen Nachtspeicherofen, jetzt stellen wir auf Erdwärme um“, sagt Sanierungsmanager Ulrich Bergermann.
Weniger Treibhausgase: „Das schaffen wir nicht, indem wir weiter Gasheizungen bauen“
Im Dümptener Quartier kennt er fast jede Heizung. Diese ganz besonders, denn das Haus gehört seiner Frau. „Ich will keinen Verbrenner mehr im Haus haben, die Zeiten sind vorbei“, begründet Bergermann den Schritt hin zur Erdwärme.
- Die Lokalredaktion Mülheim ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: Hier geht‘s direkt zum Channel.
„Wir wollen ja treibhausgasneutral sein“, sagt Ulrike Marx, Leiterin der städtischen Stabsstelle Klimaschutz und Klimaanpassung, „das schaffen wir nicht, indem wir weiter Gasheizungen bauen.“
Höhere Effizienz durch gleichbleibende Temperatur
Sole-Wärmepumpen gelten als effizienter als ihre Pendants. Während Luft-Wasser-Wärmepumpen aus einer Kilowattstunde Strom drei bis vier Kilowattstunden Wärme erzeugen, liegt die Jahresarbeitszahl bei Sole-Wärmepumpen bei bis zu fünf.
Während Luftwärmepumpen über die Außentemperatur hohen Schwankungen ausgesetzt sind, liefert die Sole ein beständigeres Niveau. „In hundert Metern Tiefe herrscht immer die gleiche Temperatur“, betont Ulrich Bergermann.
Welche Kosten auf Nutzerinnen und Nutzer zu kommen
Auf der anderen Seite stehen freilich die Kosten. „Allein die Anfahrt des Geräts kostet 1000 Euro“, sagt Ulrike Marx. Deshalb sucht die Stadt auch möglichst viele Partner in den Nachbarschaften, die sich zusammentun sollen. Am nahen Anne-Frank-Platz läuft beispielsweise die Suche nach Beteiligten. „Die können richtig Geld sparen“, verspricht Marx.
Pro Meter Bohrung werden 100 bis 120 Euro fällig – in diesem Fall also über 12.000 Euro, die Wärmepumpe kostet 24.000 Euro. Aber: Der Bund fördert solche Vorhaben mit bis zu 60 Prozent: Die Hälfte macht die Grundförderung der KfW aus, 20 Prozent der „Klimaspeedbonus“ für den Ersatz der alten Heizung, wenn sie älter ist als 20 Jahre (bei selbst nutzenden Hauseigentümern). Fünf Prozent Bonus sind für drin, wenn die Wärmepumpe ein umweltfreundliches Kältemittel verwendet. Und das Land gibt zehn Euro pro Meter Bohrtiefe hinzu. Die Förderungen gelten für Bohrungen bis zu 400 Metern Tiefe. „Das ist natürlich eine Riesenersparnis und dazu kann man Handwerksleistungen eins zu eins von der Steuer absetzen“, ergänzt Ulrike Marx.
Welche Bedingungen für eine Bohrung erfüllt sein müssen
Stolperstein für ein solches Vorhaben kann ein schlecht gedämmtes Haus sein, weil sonst die Stromkosten zu hoch werden. Denn im Winter muss mit Strom nachgeheizt werden. „Wenn Sie eine Fußbodenheizung haben oder ein gut gedämmtes Haus, funktioniert es“, sagt Bergermann, zumal das System dann im Sommer auch zum Kühlen genutzt werden kann.
Für eine Bohrung sind drei Meter Abstand zum Nachbarn verpflichtend. Wird zweimal gebohrt, müssen die beiden Löcher sechs Meter Abstand zueinander haben. Ein gewisser Platz ist also vonnöten. „Wenn Sie eine Blockrandbebauung haben oder nirgendwo einen Vorgarten, dann ist das keine Option“, stellt Klimaexpertin Ulrike Marx klar. Eine Bohrung wird im Normalfall an einem Tag erledigt. Wird Altbergbau oder ein unbekannter Hohlraum gefunden, kann es schonmal länger dauern. Das war zuletzt an der Elisabeth-Selbert-Straße der Fall.
Interessenten müssen mit einem halben Jahr Vorlaufzeit rechnen
Außer in Richtung Aktienstraße sind laut Ulrich Bergermann in Dümpten keine Probleme durch früheren Bergbau zu vermuten. Dennoch muss die Bezirksregierung Arnsberg ab 100 Metern Bohrtiefe eine bergbaurechtliche Genehmigung erteilen. Da eine Wärmeträgerflüssigkeit eingeführt wird, ist auch eine wasserrechtliche Genehmigung notwendig. Dabei gebe es aktuell bei der Verwaltung einen leichten Engpass wegen Personalknappheit.
Durch die hohe Nachfrage besteht aktuell eine Vorlaufzeit von etwa einem halben Jahr. Das könnte sich noch steigern. Denn: „In den letzten zwei Jahren wächst die Nachfrage wirklich stark, da geht richtig die Post ab“, beschreibt Ulrike Marx die Situation. Noch vor zehn Jahren habe „kein Hahn danach gekräht“. Da waren die Firmen eher auf Altlasten- oder Wasserbohrungen spezialisiert.
Mülheimer Stabsstellenleiterin: Appell an das Handwerk
Schon jetzt sei absehbar, dass es in Zukunft nicht genug Firmen geben wird. „Man muss wirklich Werbung dafür machen, dass Menschen bei solchen Firmen arbeiten, dass sich neue Firmen gründen oder sich erweitern“, trommelt die Stabsstellenleiterin auch auf dieser Seite der Medaille.
Eines steht für sie an erster Stelle: „Planung, Planung, Planung!“ Auch Beratungsprogramme würden mit bis zu 50 Prozent gefördert. Bis Anfang August waren es sogar 80 Prozent. Expertinnen und Experten können herausfinden, ob der entsprechende Boden überhaupt für Geothermie infrage kommt. Denn Mülheim ist dabei bei Weitem nicht einheitlich. „Geologisch betrachtet ist Mülheim sehr spannend“, sagt die Geologin Ulrike Marx. Jeden Donnerstag findet bei ihrem Kollegen Ulrich Bergermann eine Sprechstunde von 15.30 bis 18.30 Uhr im Quartierspunkt Dümpten des SWB an der Oberheidstraße 136 statt.
- Erdwärme: Heizt das Ruhrgebiet bald mit Grubenwasser?
- Mülheim plant das Heizen der Zukunft: Gut für Hausbesitzer?
- Graue Energie nutzen: Wer nur neu baut, schadet dem Klima
- Klimafreundliches Wohnen: Wo Mülheim ein Zeichen setzen will
- Heizen mit Gas und Öl: Bis 2035 soll damit Schluss sein
Bleiben Sie in Mülheim auf dem Laufenden!
>> Alle Nachrichten aus Mülheim lesen Sie hier. +++ Abonnieren Sie kostenlos unseren Newsletter per Mail oder Whatsapp! +++ Hier kommen Sie zu unseren Schwerpunktseiten Wohnen, Gastronomie, Handel/Einkaufen und Blaulicht. +++ Zu unserem Freizeitkalender geht es hier. Legen Sie sich doch einen Favoriten-Link an, um kein Event zu verpassen! +++ Lokale Nachrichten direkt auf dem Smartphone: Laden Sie sich unsere News-App herunter (Android-Version, Apple-Version).