Mülheim. Bei den Mülheimer Grünen rumort es: Nach der mutmaßlichen Einflussnahme auf Geflüchtete gibt es offizielle Stellungnahmen. Wie es nun weitergeht.
Neue Entwicklungen in Sachen mutmaßlicher Wahlmanipulation und Instrumentalisierung Geflüchteter bei den Grünen: Nachdem Vorwürfe - teils anonym, teils offen - publik geworden waren, wendet sich der Kreisvorstand schriftlich an seine Mitglieder. Im Inneren der Partei rumort es derweil und auch die Vierzentrale meldet sich nochmal zu Wort.
So berichteten wir:
- Grüne: Wurden geflüchtete Mitglieder für Wahl manipuliert?
- Geflüchtete für Wahl manipuliert? „Man darf nicht schweigen“
In der Mail, die am Montagabend um 19.53 Uhr unter dem Betreff „Mitgliedermail Richtigstellung“ versandt wurde und der Redaktion vorliegt, distanziert sich der Kreisvorstand von den Vorwürfen. „Zeitungsartikel in der WAZ und der NRZ berichten über angebliche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang unserer letzten Mitgliederversammlung. An diesen Gerüchten ist nichts dran“, heißt es. „Dass so ein schlechtes Bild und Unruhe entstanden ist, tut uns leid.“
- Die Lokalredaktion Mülheim ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: Hier geht‘s direkt zum Channel.
Vielmehr sei man darüber irritiert, finde es „merkwürdig“, erst aus der Presse von den Vorwürfen erfahren zu haben. „Dass Menschen sich anonym an die Presse wenden, um Gerüchte und falsche Andeutungen zu verbreiten, halten wir für verwerflich und entspricht auch nicht den Grundsätzen unserer Partei“, erklärt der Vorstand. „Dies könnte als parteischädigendes Verhalten gewertet werden.“
Mülheimer Grüne: Mitglieder sind fassungslos
Im Inneren der Partei herrscht Fassungslosigkeit, aber auch Erschrecken ob der Mail und ihres Inhaltes. Aus Sorge davor, ausgeschlossen zu werden, möchte ein Parteimitglied, mit dem wir gesprochen haben, anonym bleiben. „Ich möchte kein Ausschlussverfahren bekommen“, sagt der Mann. „Aber der Vorstand ist für mich nur noch rigoros, parteiisch und menschenverachtend. So etwas habe ich noch nicht erlebt“, so das Grünen-Mitglied. Fachpolitisch sei vieles, gar der Großteil, gut und richtig - „aber menschlich ist es katastrophal“. Diese Entwicklung hin zum Karrieregetriebenen beobachte er schon länger mit Sorge, nun aber sei ein neues Maximum erreicht.
Aus internen Kreisen ist zudem zu vernehmen, dass Nachforschungen angestrengt werden. Wer hat wann in der Vierzentrale Beratungstermine mit Geflüchteten dazu genutzt, um sie als Parteimitglieder zu werben? Und das unmittelbar vor der anstehenden Bundestagskandidaten-Wahl?
„Diese Stellungnahme reicht nicht. Wir wollen Aufklärung!“
Das fragt sich auch Gilberte Raymonde Mandel-Driesen. Die Grünen-Politikerin hatte sich zuletzt in ihrer Rolle als 1. Vorsitzende des Vereins „Axatin e.V.“, der sich für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte engagiert, zur Debatte geäußert. Nun spricht sie als Parteimitglied, wie sie betont, und macht deutlich: „Diese Stellungnahme reicht nicht. Wir wollen Aufklärung und keine Bagatellisierung!“ Aus ihrer Sicht sei die Mail ein einfacher Versuch, die Angelegenheit möglichst schnell vergessen zu machen. „Aber das dürfen wir nicht zulassen.“
Von einer angestrebten Aufklärung indes ist in der „Mitgliedermail Richtigstellung“ zum Schluss die Rede. Zunächst heißt es: „Noch schlimmer ist aber die Behauptung einiger Grüner in Mülheim, dass einige von euch instrumentalisiert worden sind und keine eigene Wahlentscheidung treffen können, weil angeblich keine ausreichende Sprachkompetenz vorliege. Auch dafür möchten wir ausdrücklich um Entschuldigung bitten.“
Grünen-Vorstand will „notwendige Aufklärung liefern“
Das Privileg einer Parteizugehörigkeit und einer Stimme bei der Wahl obliege jedem Parteimitglied gleichermaßen. „Und dabei ist es ganz egal, welche Religion, welchen Geburtsort, welche Hautfarbe, welchen Bildungsgrad, welchen Beruf oder welche Dauer der Parteizugehörigkeit ihr nachzuweisen habt.“ Trotz der Sommerpause versichere man, nicht untätig zu sein und „die notwendige Aufarbeitung liefern“ zu wollen.
Siegfried Stoltze, ehemaliger gleichberechtigter Vorsitzender des Kreisvorstandes, hat sich in einer Mail an den Landesvorstand gewandt. „Ich denke, dass es eine Begleitung braucht.“ Gehört habe er dazu noch nichts. „Das hat das Potenzial, uns landesweit oder sogar bundesweit zu schaden. Deswegen habe ich den Landesvorstand angeschrieben.“ Auf Anfrage heißt es aus der Landesgeschäftsstelle: „Der Landesvorstand wird nun Gespräche vor Ort führen, um den geäußerten Zweifeln nachzugehen.“
Vierzentrale Mülheim: „Wir sind entsetzt“
Die 1. Vorsitzende des Kreisvorstandes Annette Lostermann-De Nil erklärt auf Nachfrage, dass die Mail, die an sämtliche Mülheimer Parteimitglieder ging, auch an den Landesvorstand gegangen sei. „Insofern ist der Landesvorstand in Kenntnis gesetzt worden.“ Weitere Details zu der in der Mail angekündigten Aufarbeitung nennt Lostermann-De Nil nicht. Der aktuelle Kenntnisstand gehe nicht über den Inhalt der Mail hinaus.
Von Seiten der Vierzentrale, als mutmaßlicher Ort der Werbungsgespräche in die Situation involviert, heißt es in einem schriftlichen Statement der Vierruhr-Projektleitung: „Wir sind entsetzt über die Berichte einer möglichen politischen Einflussnahme auf Geflüchtete in der vier.zentrale und nehmen diese sehr ernst.“ Die Vierzentrale sei ein überparteilicher Ort, politische Einflussnahme auf Geflüchtete oder ihre Instrumentalisierung habe keinen Platz. „Wir werden die Vorfälle schnellstmöglich aufklären und entsprechende Konsequenzen ziehen.“
Aufklärung der Vorfälle: Parteimitglieder arbeiten daran
Wie Parteimitglieder berichten, die zu ihrem Schutze derzeit noch anonym bleiben möchten, arbeiten sie eigenständig an der Aufarbeitung der Ereignisse in den Räumlichkeiten an der Leineweberstraße im Vorfeld zur Wahl und am Tag der Mitgliederversammlung in der Alten Dreherei selbst.
Das Vertrauen in den Kreisvorstand sei verspielt. „In jedem Fall würde ich euch empfehlen, bei allen Gesprächen in dieser Angelegenheit eine neutrale Person z.B. aus dem Landesvorstand hinzuzuziehen, da ihr spätestens nach eurer Mitgliedermail mit der ‚Richtigstellung‘ jedes Vertrauen in eine aufrichtige und ergebnisoffene Aufarbeitung verspielt habt“, schreibt ein Parteimitglied in einer Mail, die am Dienstagnachmittag unter anderem an die Gesamtfraktion und den Landesvorstand ging.
- Mülheims Grüne: Wer kann das tiefe Zerwürfnis beenden?
- Zerwürfnis bei den Grünen: „Eine toxische Kultur herrscht“
- Wahlplakat stieß ihnen auf: Mülheims Grüne üben Selbstzensur
- Gewalt gegen Politik: Mülheimer Betroffene brechen Schweigen
- Attacke auf Politik: viel Mitgefühl, kaum Spuren, eine Sorge
- Buh-Rufe, Gegenrede, Unmut: Versammlung der Grünen eskaliert
Bleiben Sie in Mülheim auf dem Laufenden!
>> Alle Nachrichten aus Mülheim lesen Sie hier. +++ Abonnieren Sie kostenlos unseren Newsletter per Mail oder Whatsapp! +++ Hier kommen Sie zu unseren Schwerpunktseiten Wohnen, Gastronomie, Handel/Einkaufen und Blaulicht. +++ Zu unserem Freizeitkalender geht es hier. Legen Sie sich doch einen Favoriten-Link an, um kein Event zu verpassen! +++ Lokale Nachrichten direkt auf dem Smartphone: Laden Sie sich unsere News-App herunter (Android-Version, Apple-Version).