Mülheim. Sie haben ein Spitzen-Abitur hingelegt: 1,0. Wie schafft man das? Was planen sie jetzt? Vier junge Frauen aus Mülheim berichten.

Die absolute Höchstmarke hat Charlotta Nystroem nur um drei Punkte verfehlt, sie erreichte 897 von 900 möglichen Punkten – so steht es auf ihrem Abiturzeugnis, das sie kürzlich im Broicher Gymnasium überreicht bekam. Eigentlich ist das sogar besser als 1,0 (etwa 0,6 bis 0,7), aber Noten jenseits der 1,0 werden auf dem amtlichen Dokument gar nicht vermerkt. Die Abi-Prüfung lief trotz leichter Nervosität einwandfrei, in allen vier Prüfungsfächern – Englisch, Biologie, Erdkunde und Mathe – konnte die 18-Jährige 15 Punkte erzielen. „Ich war immer gut in der Schule, aber mir fliegt auch nicht alles zu. Ich habe mir viel Mühe gegeben, weil ich schon lange einen Studienwunsch vor Augen hatte“, sagt sie. Charlotta will Ärztin werden.

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Ihre schlechteste Note? Ausgerechnet in Sport – in den letzten vier Halbjahren gab es da immer 14 Punkte, also „nur“ eine glatte Eins (die in die Abi-Note nicht einfloss). Dabei spielt die frischgebackene Abiturienten schon recht lange Hockey, bei den Uhlenhorsterinnen. An ihrem zukünftigen Studienort will sie sich einen neuen Verein suchen.

Mülheimerin verfehlt Höchstpunktzahl von 900 nur um drei Punkte

Aber zurück zum Ernst des Lebens: „Ich habe mich für Medizin beworben und an erster Stelle Köln angegeben. Weil es dort einen Modellstudiengang gibt, der mir modern erscheint. An zweiter Stelle steht Bonn. Einfach, weil ich die Stadt schön finde“, berichtet Charlotta. Für Neurobiologie und Genetik hat sie sich im Bio-Unterricht am meisten interessiert. An ihren Genen mag es vielleicht auch liegen, dass sie Medizinerin werden will. Ihre Mutter ist Ärztin, ihre beiden älteren Geschwister studieren ebenfalls Medizin.

Charlotta Nystroem absolvierte in der 10. Klasse ein Praktikum bei Nobelpreisträger Benjamin List (re.), er verstärkte ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften.
Charlotta Nystroem absolvierte in der 10. Klasse ein Praktikum bei Nobelpreisträger Benjamin List (re.), er verstärkte ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften. © Nystroem

„Ich hatte mal eine kurze Phase, da wollte ich Schauspielerin werden, aber die Naturwissenschaften mag ich einfach am liebsten“, sagt die Schulabgängerin, die schon in der 10. Klasse eine besondere Erfahrung machen durfte. Sie absolvierte ein mehrwöchiges Praktikum beim späteren Nobelpreisträger Benjamin List, erhielt im Labor des Max-Planck-Institutes Einblick in die organische Katalyse und andere Geheimnisse der Chemie. „Damals habe ich kurz überlegt, ob ich Chemie studieren sollte.“ Zumal sie den Naturwissenschaftspreis der Mülheimer Bürgerstiftung erhielt und auch an der Neurowissenschaftlichen Olympiade für Schülerinnen und Schüler teilnahm.

Von Mülheim nach Rom - Italienreise als Erholung vom Abi

Die Fachrichtung Neurologie könnte ihr also gefallen, aber: „Ich vermute, dass sich das mehrfach ändern wird im Verlauf des Studiums.“ In Kürze wird sie erstmal einen Teil des .vorgeschriebenen Pflegepraktikums absolvieren - im St. Marien-Hospital in Mülheim. Momentan entspannt Charlotta gerade in Schweden, der Heimat ihres Vaters. Mit der Familie und ihrer besten Freundin. Im Herbst soll es dann auf eine große Familienreise gehen – eine spannende Rundreise durch Vietnam. In der Freizeit beschäftigt die angehende Studentin auch gerne ihre Hände statt ihren Kopf: Sie häkelt oder strickt gerne, malt und schreibt Tagebuch.

In Rom erholt sich Marie-Luise Effmann, die beste Abiturientin der Luisenschule (1,0/862 Punkte), gerade vom schulischen Endspurt und dem genialen Abi-Ball samt After-Show-Party. Mit ihrem Zwillingsbruder Maximilian und einer Freundin reist sie durch Italien. Sie ist noch unsicher, ob sie Medizin oder Jura studieren will, hat sich für beide Studiengänge beworben – unter anderem in Münster, Heidelberg, Bonn oder Würzburg. „Ausziehen und selbstständig werden“, das ist jetzt der Plan.

Marie-Luise Effmann bei der Zeugnisverleihung in der Luisenschule in Mülheim.
Marie-Luise Effmann bei der Zeugnisverleihung in der Luisenschule in Mülheim.

Schülerin absolvierte Praktikum im St. Marien-Hospital in Mülheim

14 und 13 Punkte in den Leistungskursen (Deutsch, Mathe) und jeweils 15 in Erdkunde und Bio hat die 18-Jährige im Abi erzielt. „Wir waren gut vorbereitet“, findet sie und berichtet über sich selbst: „Ich verstehe Sachen ziemlich schnell, aber ich habe auch immer alle Hausaufgaben gemacht, mich vor Klausuren hingesetzt und gelernt.“ Hat sie das Wort „Streberin“ irgendwann mal gehört? „Vielleicht. Dann hab ich gelacht, denn ein bisschen stimmt es ja auch“, sagt sie.

Ein „tolles Praktikum“ im katholischen Krankenhaus hat Marie-Luise absolviert, die Gynäkologie und die Notaufnahme kennengelernt. Ein weiteres in einer Anwaltskanzlei soll folgen. Dann fällt die Entscheidung für das Studienfach vielleicht leichter. Im Sommer will sie mit ihrem Zwillingsbruder in die USA reisen, ein Geschenk der Eltern zum Abi. Und sollte doch mal Langeweile aufkommen, wird die Selbeckerin Tennis oder Golf spielen oder Fantasyromane lesen, das sind ihre liebsten Hobbys.

Alondra Bongards Juarez, Abiturientin der Willy-Brandt-Schule, hat sich mit den Abi-Klausuren noch hochgeschraubt auf die 1,0 (825 Punkte). Gut in der Schule war sie schon vorher, aber gelernt hat sie dennoch für die Prüfung. „Für Sowi habe ich viel auswendig gelernt, für Mathe Übungsaufgaben gemacht“, erzählt sie. Lediglich für Spanisch musste sie nicht so viel tun, es ist ihre Muttersprache, ihre Mutter stammt aus Venezuela.

„Als ich noch jünger war, wollte ich Gynäkologin werden, aber ich habe dann festgestellt, dass Medizin meine Talente nicht so hervorbringt“, sagt sie. „Mir liegt das Auswendiglernen, das Reden, das Debattieren - also habe ich micht für Jura entschieden“, berichtet die 19-Jährige, die Schülersprecherin war und zum Vorstand der Schülerbezirksvertretung zählte. Auch für Politik interessiert sie sich, ohne allerdings bisher die richtige Partei für sich entdeckt zu haben.

Alondra Bongards Juarez vor der Willy-Brandt-Gesamtschule in Mülheim, an der sie jetzt ihr Abitur mit 1,0 ablegte..
Alondra Bongards Juarez vor der Willy-Brandt-Gesamtschule in Mülheim, an der sie jetzt ihr Abitur mit 1,0 ablegte.. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Jura-Studium in Holland: Mülheimerin möchte später bei UN oder EU arbeiten

Einen Studienplatz hat Alondra schon, sie ist an der Universität in Tilburg (Holland) angenommen worden, die im weltweiten Ranking sehr gut abschneide. Dort studiert sie Internationales Recht – auf Englisch. Beworben hatte sie sich ausschließlich an holländischen Universitäten. Ihr Ziel: „Ich möchte einmal bei den Vereinten Nationen oder bei der EU arbeiten“, sagt sie. Einen Studienplatz in Psychologie schlug sie zugunsten von Jura aus.

„Emotional“ sei der Abschied von der Schule gewesen., aber irgendwie auch erleichternd. Danach ging es gleich auf Reisen, mit einer Freundin besuchte die angehende Studentin Washington und New York. Jetzt gilt es eine Zahn-OP hinter sich zu bringen und ein Zimmer in Tilburg zu finden – dort beginnt das Studium schon Ende August. Einen Unisportkurs hat sich die Wortgewandte auch schon ausgeguckt: Sie möchte Tennis spielen.

Mülheimer Schülerin: Wunschberuf war dann doch nicht das Richtige

Mit einer 1,0 im Gepäck hat auch Sarah Becker die Willy-Brandt-Schule verlassen. „Eine gute Schülerin war ich immer, in der Oberstufe habe ich aber nochmal richtig Gas gegeben. Da habe ich auch gelernt, wie man lernt“, sagt sie. 15 Punkte im Leistungskurs Sowi, 14 Punkte in Englisch – damit ist die 19-Jährige sehr zufrieden.

Sarah Becker hat an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Mülheim ihr Abi mit 1,0 gemacht.
Sarah Becker hat an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Mülheim ihr Abi mit 1,0 gemacht. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Ihren ursprünglichen Wunsch, Ärztin zu werden, hat sie nach einem Praktikum im Krankenhaus aufgegeben. „Das hat mir gar nicht gefallen“, berichtet sie. Jetzt hat sie sich für VWL in Düsseldorf entschieden: „Weil ich mich für Makroökonomik und auch Politik interessiere.“ Ihr Englisch möchte sie weiter ausbauen. Aktuell kann sie sich vorstellen, einmal als Beraterin in der Wirtschaft oder in der Politik tätig zu sein. Gerne auch auf internationaler Ebene.

Arbeit im Abi-Komitee war anstrengender als das Lernen

Das Ende der Schulzeit hat Sarah „mit gemischten Gefühlen“ erlebt. Sie ist gerne zur Schule gegangen - auch wegen ihrer Freundinnen und Freunde und einiger Lehrerinnen und Lehrer. Hinweggesetzt haben sie (und Alondra) sich darüber, dass gute Schülerinnen in ihrer Stufe auch schon mal als Streberinnen angesehen wurden.

Neugierig auf „ein neues Kapitel“ in ihrem Leben ist sie jetzt. Seit dem Abi hat die Oberhausenerin gearbeitet, an der Rezeption im Aquapark, und Geld verdient für eine Reise mit ihrem Freund nach Spanien oder Portugal. Zunächst geht es nun aber in den Familienurlaub mit ihrer Mutter und dem kleinen Bruder. Etwas Erholung tut auch deshalb gut, weil Sarah sich neben dem Lernen auch im Abi-Komitee stark engagiert und die Feierlichkeiten rund um das Abitur mitorganisiert hat. „Das war anstrengender als die ganzen Prüfungen“, sagt sie lachend.

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