Der vielfach prämierte Dokumentarfilmer Rainer Komers hat am Montag, 2. Februar, ein Heimspiel. Dann zeigt das Kino Rio am Synagogenplatz seinen jüngsten Film: „Ruhr Record“, für den er auch zwei Szenen in Mülheim drehte. Die Filme des inzwischen 70-Jährigen im Kino sehen zu können, sind seltene Ereignisse, denn Dokumentarfilme sind meist keine Abend füllenden Filme und für die Kinos auch nicht lukrativ, da sie nur für eine kleine Fangemeinde interessant sind. Festivals haben da schon eine größere Zugkraft.

So ist die Ausstrahlung des Films, für dessen Titel ein Grafito Pate stand, Teil des Dokumentarfilmfestes „Stranger Than Ficton“ und wird unter anderem auch in Köln (27.1.) und Dortmund (24.1) gezeigt. Uraufgeführt wurde Ruhr Records bereits im November im Wettbewerb des Leipziger Dokumentarfilmfestivals, ging aber leer aus. „Es ist schon ein Riesenerfolg, dass der Film dort überhaupt gezeigt wurde“, sagt Komers, der schon einmal mit der Lola, dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde. 2500 Beiträge aus Deutschland würden dort eingereicht, von denen ein gutes Dutzend für den Wettbewerb ausgewählt würden. „Meine Filme haben ja keine Story, keinen Protagonisten, keinen Text und damit auch keine Dramaturgie.“ Und bei einem Wettbewerb sind es gerade die deutlichen Reize, die eine Jury begeistern.

Komers hat da schon eine ganz besondere Ästhetik. Es sind Bild- und Klangkompositionen, in denen die Szenen kunstvoll mit einander verwoben sind, und sich in einer ruhigen Schnittfolge ein. Einen Meister der Übergänge nennt ihn das Programmheft zum Festival. „Aus dem Gleiten der Gondel eines Fahrgeschäfts wird das der Kohle auf dem Förderband, vom Abstich am Hochofen geht es zu Herdplatte, auf der türkische Frauen Fladenbrot backen, und die ornamentale Struktur einer Produktionsanlage findet sich in den Holzscheiten eines Lagerfeuers wieder.“ Übergänge sind auch das Thema des Films, nämlich die der Ruhregion. Zu sehen sind Szenen, die dem klassischen Ruhrgebietsbild entsprechen, aber auch solche, die den Wandel der Region zuspitzen.

Für Komers selbst ist es die anrührendste Szene, wie in Kamp-Lintfort in Anwesenheit von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die von ihren Gefühlen überwältigt wird, als die Zeche in Kamp-Lintfort geschlossen wird. In Mülheim hat er im Max-Planck-Institut und in der Games Factory bei Crenetic gedreht. „Das sind wohl die beiden modernsten Arbeitsplätze“, sagt Komers. Den markantesten Ausdruck für den Niedergang der Region fand er in Duisburg-Bruckhausen vor, wo ein Drittel der Häuser der Abrissbirne weichen muss. Den Anblick des Niedergangs des Viertels habe man bei Thyssen-Krupp dem Management auch nicht zumuten wollen, wie Komers voller Bitterkeit erzählt, und habe eine Mauer um die maroden Gebäude gezogen. Die erste Szene zeigt eine ganz andere Art von Übergang: Deutschstunde in einem katholischen Pfarrheim in Duisburg-Marxloh. Dort werden die osteuropäischen Frauen von einer Kopftuchtragenden Türkin unterrichtet. Wie so vieles bei Komers spricht das für sich.