Mülheim. Gutachter erstellen derzeit einen Denkmalpflegeplan für Mülheim. Unter anderem äußerten sie sich jetzt zum Denkmalwert des Hauptfriedhofs.
Noch in diesem Jahr wollen die Gutachter ihre Arbeit an einem opulenten Denkmalpflegeplan für Mülheim abschließen. Gutachter Stephan Strauß (Strauß Fischer Historische Bauwerke GbR, Krefeld) bezog jüngst im Planungsausschuss Stellung auch zum Denkmalwert einzelner Friedhöfe und Grünanlagen.
Im Frühjahr 2020 soll die Politik den zwischen Gutachtern und Stadtverwaltung abgestimmten Denkmalpflegeplan präsentiert bekommen. Eine üppige Bestandsaufnahme mit Empfehlungen zu weiteren Unterschutzstellungen ist zu erwarten – und ein Sammelwerk mit allerlei historischen Informationen, das auch bei heimatinteressierten Mülheimern auf großes Interesse stoßen dürfte.
Hauptfriedhof mit Konzept der reformorientierten 1920er-Jahre
Gutachter Strauß ging bei seinem jüngsten Sachstandsbericht insbesondere auf die Qualitäten einzelner Friedhöfe ein. Wohl auch, weil zuletzt insbesondere der Denkmalwert des Hauptfriedhofs und des alten Friedhofes in Holthausen in Bürgerschaft und Politik diskutiert worden waren.
Nicht überraschend, weil übereinstimmend mit früheren fachkundigen Einschätzungen: Die Gutachter sehen im Hauptfriedhof ein potenzielles Gartendenkmal. Er erfülle fünf der acht Kriterien, die laut NRW-Denkmalschutzgesetz zur Begründung eines Denkmalwertes angeführt werden könnten, heißt es. Der Hauptfriedhof könne als Beispiel für ein architektonisches Friedhofskonzept der reformorientierten 1920er-Jahre angesehen werden, so die Gutachter. Die Stadtverwaltung kündigte an, im nächsten Schritt „den konkreten Umfang der Unterschutzstellung gutachterlich erarbeiten zu lassen“.
Waldfriedhof in Speldorf sei „erkennbar anders“
Ebenfalls einen Denkmalwert erkennen die Gutachter für den Waldfriedhof in Speldorf. Und zwar, weil er „erkennbar anders“ sei, so Strauss mit Blick auf die Lage an der Broich-Speldorfer Gartenstadt, die besondere Pflanz- und Raumstruktur oder aber den guten Pflegezustand. „Die Anlage als solche ist kraftvoll“, so sein Urteil.
Bürger, die eine Unterschutzstellung des alten Friedhofes in Holthausen auch in Bürgerversammlungen eingefordert haben, muss der Gutachter enttäuschen. „Aus Sicht des Denkmalpflegeplans ist das kein Thema“, sagt er. Es gelte immer, im Vergleich aller Anlagen eine Auswahl zu treffen.
Gutachter: Nicht alles, was Bürger liebgewonnen haben, kann Denkmal sein
Der Zeugniswert, aber auch der schlechte Erhaltungszustand sprächen „in Abwägung der vielen Friedhöfe“ gegen einen Denkmalschutz. Das sei so zu sehen wie bei der Bewertung von Kirchen: „Natürlich hängt jedes Mitglied einer Pfarrgemeinde an seiner Kirche. Trotzdem kann nicht jede Kirche ein Denkmal sein.“
Neben den zwei benannten Friedhöfen, die es laut Gutachter zum Gartendenkmal bringen könnten, benennt der Entwurf des Denkmalpflegeplans auch Grünanlagen, die als erhaltenswert eingestuft sind: den Friedhof Dümpten I, den Mintarder Friedhof, den Aubergfriedhof, die Hölteranlage, den Kluse-Park sowie den Witthausbusch. Als „möglicherweise erhaltenswert“ gelten der Friedhof Styrum, die Kahlenberg-Anlage und das Luisental mit Thyssenpark.
Auch weitere Gebäude und Stadträume im Visier des Denkmalschutzes
Der Denkmalpflegeplan wird mit einem Maßnahmen- und Handlungskonzept enden. Dabei geht es nicht nur um die Einstufung von Grünanlagen, sondern auch um den besonderen Schutz für weitere Gebäude oder besondere Stadträume.
Als Beispiel führt Strauss die historische Kulturlandschaft der Saarner Aue an, deren Schutz weiterzuverfolgen sei. Hingegen sind die Gutachter im Gegensatz zu einer Bürgerinitiative der Meinung, dass es zu spät ist, städtebauliche Lösungen zu forcieren, um den historischen Dorfkern Speldorfs oder das alte bauliche Ensemble rund um den Klostermarkt in Saarn wieder zu dem zu machen, was sie einst waren. In Speldorf ist laut Gutachter zu wenig des Alten erhalten, am Klostermarkt sei die durschneidende B1 nicht mehr wegzudenken.
Mülheimer Denkmalliste mit rund 700 Eintragungen
Rund 700 Baudenkmale sind in Mülheim registriert. Die Gutachter stellen fest, dass ein Schwerpunkt auf Gebäuden liegt, die vor dem Jahr 1918 gebaut worden sind. Nicht einmal ein Prozent beträgt der Anteil von Gebäuden der Baujahre 1950 bis 1976.
Bei der Unterschutzstellung von Nachkriegsbauten bestehe Nachholbedarf, stellt Strauss fest. Die Gutachter sehen nach ihrer Inspektion des Stadtgebietes für 78 weitere Gebäude einen noch eingehender zu prüfenden Denkmalwert, 40 Prozent davon sind nach 1945 erbaut worden. Als erhaltenswert sind darüber hinaus 79 Gebäude eingestuft, als möglicherweise erhaltenswert 47.