Mülheim.. Die Stadttour #KunstundMusik am Samstag war ein kurzweiliges Vergnügen. Über 100 Besucher entdeckten versteckte Perlen der Mülheimer Innenstadt.


Wie warb vor vielen Jahren ein famoser Verlag für seine Reiseführer so schön und treffend: „Man sieht nur, was man kennt.“ Nun, in seiner Heimatstadt kennt man in aller Regel vieles, sieht es aber nicht immer. Wie beispielsweise das allen Mülheimern als „Woolworth“-Haus bekannte Gebäude an der Schloßstraße 35, das gerade aufwändig revitalisiert wird. Weshalb sich seine denkmalgeschützte Back- und Natursteinfassade von 1928 derzeit hinter Planen versteckt, auf denen ein riesiges „O“ prankt.

Das „Warum“ erläuterte nun Georg Reinders, Initiator der musikalischen Stadttour #KunstundMusik, seinen Zuhörern bei einem entspannt-lehrreichen Rundgang durch die Innenstadt. Der Bauherr habe sein ambitioniertes Projekt nämlich „The O“ genannt, weil das Haus einst vom Mülheimer Kaufmann Hugo von Othegraven gebaut worden war. „Darauf wäre ich nie gekommen“, so die offenherzige Reaktion eines Teilnehmers.

Verdis „Aida-Trompeten“ schallen an der Ruhr

Kunst und Musik, ein Projekt zur Belebung der Innenstad:  Im Treppenhaus der Backsteinschule spielte das Trio mobile auf, wenn die Teilnehmer des Stadtrundganges vorbeischauten.
Kunst und Musik, ein Projekt zur Belebung der Innenstad: Im Treppenhaus der Backsteinschule spielte das Trio mobile auf, wenn die Teilnehmer des Stadtrundganges vorbeischauten. © Unbekannt | Funke Foto Services







Aber, wie wusste schon Platon: „Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis.“ Zum ersten Mal staunte man auf dem Rathausmarkt. Denn über 100 Neugierige, darunter auch erfreulich viele Gäste aus dem übrigen Ruhrgebiet, hatten sich dort eingefunden, um in fünf Gruppen mit Unterstützung von mehr als einem Dutzend blau gewandeter Ruhr-Volunteers einen neuen Blick auf die altehrwürdige Stadt am Wasser zu werfen.

Musikalisch begrüßt von den „Moerser Blechbläsern“, die Verdis „Aida-Trompeten“ kraftvoll erschallen ließen. Und willkommen geheißen von Bürgermeisterin Margarete Wietelmann, die sich darüber freute, dass diese Veranstaltung von der Verwaltung im Rahmen des Bürgermitwirkungsbudgets, das aus dem Förderprogramm „Soziale Stadt“ gespeist wird, unterstützt wurde.

Von der Silent University zum Frauengefängnis

Erste Station des Rundgangs mit Georg Reinders war die „Dezentrale“ an der Leineweberstraße, vis à vis der Sparkasse, wo man gleich mehrfach staunen konnte. Etwa darüber, dass dort Migranten ihre wissenschaftliche Tätigkeit in der „Silent University“ präsentieren – Platon lässt grüßen. Oder über die filigranen Gemälde der Kalligraphin Christine Lehmann, die den strengen Regeln des „Sho Do“, des sogenannten Schreibweges, folgen und dennoch eine künstlerisch eigenständige Faszination ausstrahlen. Große Augen und Ohren auch angesichts des souveränen Vortrags der jungen russischen Gitarristin Veronika Mushkina, die neben einer heiteren „Fantasie Sevillana“ vor allem mit Nikata Koshkins von Edgar Allan Poe inspiriertem „Usher-Waltz“ klangprächtigen Eindruck machte.

So wie auch das „JaDe Duo“, das in der Galerie d’Hamé auf zwei Violinen ein delikates Intermezzo im Stadtrundgang bot. Während man in der wunderschönen Backstein-Schule erst mit Schostakowitsch-Preziosen (auf der Panflöte!) musikalisch verwöhnt wurde, um dann von Hardy Bock sein über 500 Quadratmeter großes Wandgemälde am ehemaligen Frauengefängnis charmant erklärt zu bekommen.

Gelungene Stadttour, der man Wiederholungen wünscht

Unter der Schloßbrücke, wo die Moerser Blechbläser knackig ihre Instrumente funkeln ließen, lernte man dagegen von Georg Reinders, dass ein unscheinbarer Stein am Wegesrand große Wirkung hat. Wird dort doch die Ruhr zur Bundeswasserstraße – wusste manch einer auch noch nicht. Zum letzten Mal staunte man schließlich im Park am Kunstmuseum „Alte Post“, wo die blutjungen „Students of Jazz“ mit der auch als Sängerin beeindruckenden Saxophonistin Larissa Stermann heiter durch die Hitparade ihrer Urgroßeltern swingten.

Ein schöner Ausklang für eine gelungene Stadttour, der man viele Wiederholungen wünscht – sie muss ja nicht immer vier Stunden lang sein.

>> EHRENAMTLICH ORGANISIERTE TOUR

Die musikalische Reise organisierte Stadtführer Georg Reinders. Das Motiv für sein ehrenamtliches Engagement: „Ich will zeigen, dass unsere Stadt viel besser ist als ihr Ruf.“

Unterstützt wurde der 53-jährige Wahlmülheimer von vier weiteren Führern und gut einem Dutzend Ruhr-Volunteers. Finanziert wurde das Projekt unter anderem durch das
Bürgermitwirkungsbudget
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