Mülheim. In einem offenen Brief fordern zahlreiche Mülheimer Friseure schnelle Hilfe. Sie protestieren gegen Schwarzarbeit und heimliches Haareschneiden.
Fernsehen kann Freude machen, aber auch Frust erzeugen. Die Mülheimer Friseurmeisterin Eva Melchers hat sich letztens wieder geärgert, als "Stern TV" lief. Nicht über den Inhalt der von ihr sehr geschätzten Sendung, sondern über die Optik. Sie sah den Moderator und seinen Interviewpartner, einen prominenten Virologen, beide "mit perfektem, professionellem Haarschnitt". Da muss jemand Hand angelegt haben, und diese Erkenntnis kann schmerzen, wenn der eigene Salon seit Wochen geschlossen bleiben muss.
Mülheimer Friseurmeisterin: Kein Tätigkeitsverbot für Fernseh-Stylisten?
Eva Melchers, stellvertretende Obermeisterin der Friseurinnung Mülheim, macht die Ungleichbehandlung, die sie beobachtet, wütend. Sie fragt, auch öffentlich: "Zählt für die Fachleute die für Fernsehsender arbeiten - wie Make-up-Artists, Visagisten, Stylisten - das derzeitige Tätigkeitsverbot im Lockdown nicht?" Gemeinsam mit vielen Branchenkolleginnen und -kollegen hat sie jetzt einen offenen Brief an die Politik unterzeichnet.
Verfasst wurde das Schreiben vom Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks, nicht von den Mülheimer Vertretern, doch diese tragen jedes Wort mit, erklärt Eva Melchers. Und sie haben es nicht nur an den Ministerpräsidenten und den Gesundheitsminister des Landes gesendet, sondern auch an politische Akteure hier in der Stadt. Die Gesundheit der Beschäftigten und Kunden stehe an oberster Stelle, schreiben die Friseurinnen und Friseure. Doch je länger der Lockdown andauere, desto mehr Geschäfte gerieten "an den Rand des Ruins".
Forderung: Schwarzarbeit stoppen
Die wichtigsten Forderungen: Bei den Überbrückungshilfen müssten zügig Abschläge gezahlt werden, um Insolvenzen zu vermeiden. Die Ausbildung müsse gefördert werden - schon jetzt gebe es ein Viertel weniger neue Verträge. Für die Chefinnen oder Chefs der Salons müssten Lösungen gefunden werden, denn sie haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Und: "Schwarzarbeit wird Tür und Tor geöffnet", klagen die Friseure. Dies müsse gestoppt werden, besonders vor dem Hintergrund der Pandemiebekämpfung.
Heimliche Haarschneidepartys im Keller
"Ich habe sogar schon von Kollegen gehört, die Haarschneidepartys zu Hause im Keller veranstalten", berichtet Eva Melchers. Dies sei wesentlich riskanter als eine Öffnung der Friseurgeschäfte unter strengen Gesundheits- und Hygienevorschriften, für die die Branchenvertreter dringend plädieren. Dass sicheres Haareschneiden möglich ist, habe das Handwerk nach dem ersten Lockdown bewiesen.
"Kosmetik, Massage und Wellness würde ich dagegen nicht sofort öffnen wollen", meint die stellvertretende Innungsobermeisterin, die selber eine eigene Kosmetikschule betreibt. Obwohl ihr geschultes Auge auch hier Verstöße gegen das Arbeitsverbot wahrnimmt, etwa wenn eine Verkäuferin die Ware mit frisch und professionell modellierten Fingernägeln über die Theke reicht.
Den offenen Brief haben rund 80 Friseurinnen und Friseure aus Mülheim unterzeichnet, auch einige Kundinnen und Kunden schließen sich den Forderungen an. "Der Protest ist sehr groß und nicht aufhaltbar", meint Eva Melchers. "Auch für uns steht an erster Stelle, das Virus zu bekämpfen. Aber wir brauchen und hoffen auf sofortige Hilfe!"
+++ Fast 180 Friseurbetriebe in Mülheim
Der Friseurinnung Mülheim an der Ruhr gehören nach Auskunft der stellvertretenden Obermeisterin rund 60 Betriebe an.
Insgesamt gibt es aber wesentlich mehr Friseurgeschäfte in Mülheim: Nach aktuellen Angaben der Stadt sind 177 aktive Betriebe gemeldet.