Moers. Im Vorfeld zum Christopher Street Day 2024 in Moers hagelte es Beleidigungen im Netz. Mit welchen Problemen queere Menschen noch immer kämpfen.
Bunt, schrill, schräg, lustig, aber auch politisch und ernst ging es auf der „After-Show-Party“ im Bollwerk 107 zu. Nach dem Umzug durch die Innenstadt am Christopher-Street-Day (CSD), an dem sich die Menschen für mehr Toleranz und Akzeptanz von queeren Menschen einsetzen, laden „Slam and Friends Moers e.V.“ am Samstag, 13. Juni, zum Abschlussprogramm ein. Als Künstler treten mit viel musikalischem Schwung Charlie Mio Martin und Sophie Atlas auf. Auch Coremy ist angekündigt, kann aber wegen einer akuten Erkrankung nicht auftreten.
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Viele sind nach dem Umzug durch die Innenstadt der Einladung ins Bollwerk gefolgt, sitzen draußen, diskutieren, genießen die ruhige Atmosphäre oder lauschen drinnen der Musik und den Botschaften. Tina Berg hat als Projektleiterin den Tag zum zweiten Mal perfekt vorbereitet, es klappt alles wie geplant. „Leider sind in diesem Jahr nicht ganz so viele beim Umzug gewesen, weil das Wetter ja immer mal wieder gruselig aussieht, als würde gleich ein Gewitter runterkrachen.“ Das tut aber der guten Laune beim Abschlussprogramm keinen Abbruch.
CSD 2024 in Moers: Oft gibt es Porbleme in der Familie
Warum es immer noch nötig ist, dass queere Menschen auf ihre Lage aufmerksam machen, laut und mit der auffälligen Regenbogenfahne durch die Straßen ziehen, beantwortet Tina Berg mit einem Satz: „Man muss sich nur mal vor Augen führen, wie viele Hass-Einträge unter der Ankündigung des CSD auf der Facebook-Seite zu finden waren. Zum Beispiel, Moers brauche solche Leute nicht. Dann kennt man die Meinung vieler Menschen.“ Vor allem sei es wichtig, dass ganz junge Leute und Jugendliche einen Anlaufpunkt haben, wo sie sich austauschen und einfach sie selbst sein können. Denn das Umfeld für Jugendliche sei immer noch schwierig.
Oft gebe es schon in der Familie Probleme, dass Heranwachsende, die sexuell anders sind, absolut nicht verstanden und akzeptiert werden. „Sie sind dann mit ihrer Selbstfindung völlig allein gelassen, haben keinen Ansprechpartner. Das ist hier im Bollwerk eben anders.“
Christopher Street Day in Moers: „Outing ist nach wie vor schwierig“
Deshalb machen auch Charlie Mio Martin und Sophie Atlas in ihren Liedern und Ansprachen auf die Situation aufmerksam, die sich offenbar nur langsam ändert. „Vor allem das Outing sei nach wie vor schwierig“, weiß Tina Berg, mittlerweile für den Landesmusikrat tätig.
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Sophie Atlas (18), in Moers bestens bekannt, studiert mittlerweile in Boston am Berklee College of Musik und hat durch ein Stipendium die Gelegenheit bekommen, in Amerika die musikalische Leidenschaft zu professionalisieren. Speziell Boston im nordosten Amerikas und Hauptstadt des Bundesstaates Massachusetts, sei eine der liberalsten Städte in den USA. Die Wurzeln der Musikambitionen wurden schon in der Musikschule gelegt. Nachdem Sophie das Spielen – Klavier, Gitarre, Ukulele und natürlich Gesang – beherrscht, bleibt jetzt noch der Wunsch, Bass zu lernen. „Dann kann ich komplett ein Stück selbst komponieren, denn ich möchte auf Dauer auch für andere produzieren“, sind die großen Pläne.
CSD in Moers: In 70 Ländern drohen Verfolgung und Todesstrafe
Dass auf queere Menschen und ihre Rechte aufmerksam gemacht werden muss, davon ist die ganze Community im Bollwerk überzeugt. „Schließlich werden immer noch weltweit in circa 70 Ländern Männer und Frauen, die nicht hetero sind, verfolgt oder sogar mit der Todesstrafe bedroht“, sagt Sophie Atlas. Nicht nur über diese Menschen zu lesen und zu hören, sondern in Liedern ihre Geschichten zu erzählen, damit andere sich hineinfühlen und sich selbst darin erkennen können, sei wichtig.
Das sieht auch Charlie Mo Martin so, denn man müsse nicht für große Kunst großes Leid ertragen. „Ich bin gewachsen, um zu bleiben“ heißt es in einem Song. „Zu Beginn des neuen Jahrzehnts erschien Charlie Mo Martin auf der Bildfläche und hat sich auch im Kölner Raum schon ein Publikum erobert“, berichtet Tina Berg. Immer wieder geht es in den Liedern auch um Selbstfindung und Selbstverwirklichung.
Hass gegen queere Menschen: Bollwerk in Moers ist ein Zufluchtsort
Nachdem sich das Wetter an diesem Samstag endlich entschieden hat, einigermaßen warm und trocken zu bleiben, haben sich die Tische draußen gut gefüllt. Auch eine Truppe von jungen Leuten Anfang zwanzig lässt dort die Seele baumeln. Celine, Lorenzo, Alina, Jiho, Stig und andere erzählen von ihren Erfahrungen als queere Menschen und warum es immer noch so nötig ist, in der Öffentlichkeit laut und deutlich Menschenrechte einzufordern. In Krefeld, wo die meisten herkommen, gebe es einen Ort wie das Bollwerk, an dem man so sein kann, wie man ist, überhaupt nicht.
„Vor allem von Älteren schlägt einem oft Hass und Verachtung entgegen“, erzählen sie. Da sei null Toleranz zu erwarten, von Respekt ganz zu schweigen. Selbst bei Jugendlichen seien die Reaktionen fifty/fifty. Auch von ihnen habe die Hälfte kein Verständnis dafür, dass manche Menschen einfach anders leben als Heteros. Bunt und laut soll es also weitergehen auf dem Weg zu mehr Akzeptanz.