Moers. Viele Migranten in Moers wollen auch an der EU-Wahl am Sonntag teilnehmen, um ihre Stimme gegen rechts zu erheben. Was sie dazu bewegt.
„Das ist der letzte Schritt der Integration“, so bewertet Behnaaz Jansen aus Moers die Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an der Europawahl. Am kommenden Sonntag wird in Deutschland zum zehnten Mal das Europäische Parlament gewählt. Neben den Themen Soziales und Frieden ist die Asylpolitik der EU eines der Top-Themen bei dieser Europawahl.
Für Behnaaz Jansen und ihre Freundin Nahid Rahimi spielt dieses Thema eine große Rolle. Denn: „Die Migrationspolitik der EU hat in letzter Zeit Rückschritte gemacht.“ Die beiden sind selbst aus Afghanistan geflohen. Sie kamen in den 80er-Jahren nach Deutschland, gingen hier zur Schule, absolvierten Studium und Ausbildung und wurden schließlich deutsche Staatsbürgerinnen. Jetzt arbeiten sie bei der AWO in Moers. „Deutschland ist jetzt meine Heimat“, sagt Rahimi.
„Demokratieverständnis kommt vor allem aus der Familie“
Migranten in Moers wollen ihre Stimme gegen rechts erheben
Auch wenn die beiden Freundinnen schon in der Vergangenheit an der Europawahl teilgenommen haben, ist die Wahl für sie ein wichtiges Mittel, um das Demokratieverständnis vieler Menschen zu stärken - auch das von Migranten. Denn man merke, wie der Rechtsextremismus in letzter Zeit zugenommen habe. Und deshalb „müssen wir diesen Extremismus stoppen“, sagt Jansen.
Die wachsende Popularität rechtspopulistischer Parteien in Europa ist eine der Hauptsorgen von Rahimi. „Ich mache mir Sorgen, dass diese Parteien in der EU an Einfluss gewinnen könnten. Denn das macht unser Leben schwerer“, sagt sie mit Blick auf die Remigrationspläne der AfD und der Rechtsextremen.
Dennoch ist Jansen optimistisch, dass viele Menschen mit Migrationshintergrund an den kommenden Europawahlen teilnehmen wollen, um einen Rechtsruck zu verhindern. „Früher war das Interesse an Europa nicht so groß, aber jetzt sind sich viele in unserer Community bewusst, dass sie an den Europawahlen teilnehmen müssen, damit die rechten Parteien nicht größer, sondern kleiner werden“, sagt die 53-Jährige.
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Moerser: Trotz Kritik an die EU-Asylpolitik hat die EU viele Vorteile
Bereits im Mai hat das Europäische Parlament nach jahrelangen Verhandlungen das Gesetzespaket zur EU-Asylreform verabschiedet. Es sieht eine deutliche Verschärfung des Asylrechts vor, darunter einheitliche Verfahren an den Außengrenzen sowie eine Neuregelung der Verteilung von Flüchtlingen. Jansen kritisiert die Reform auf Schärfste. Denn: „Man weiß nicht, wie das an den Außengrenzen praktiziert wird. Welchen Rechtsbeistand haben die Asylsuchenden? Bekommen sie unabhängige Hilfe oder Beratung und wie lange bleiben sie in diesen Lagern und unter welchen Bedingungen?“
Trotz dieser Politik hat die EU für die beiden deutschen Staatsbürgerinnen viele Vorteile. Neben den wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Vorteilen schätzen die beiden Moerserinnen die Freizügigkeit innerhalb der EU, die es ermöglicht, in jedem Mitgliedstaat zu leben, zu arbeiten und zu studieren. Das fördert vor allem die kulturelle Vielfalt innerhalb der EU-Mitgliedstaaten, finden sie. „Mit der Abschaffung der Grenze zwischen den EU-Ländern werden auch die Geister offener“, so Rahimi.
Moerserin: Wahlbeteiligung an der EU-Wahl ein wichtiger Schritt zu politischen Teilhabe
Für viele Migranten ist die Teilnahme an der Europawahl ein wichtiger Schritt zur politischen Partizipation und Integration in ihrer neuen Heimat. „Die Wahl gibt mir das Gefühl, dass meine Stimme zählt und ich Teil der Gesellschaft bin“, sagt Rahimi. Sie habe sich aktiv über die politischen Programme der verschiedenen Parteien informiert, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.
Dass Jugendliche in diesem Jahr bereits mit 16 Jahren wählen dürfen, findet sie gut: „Viele von ihnen interessieren sich für Politik und sind sehr demokratiefreundlich eingestellt. Deshalb wollen sie mitentscheiden, wie es im EU-Parlament weitergeht“, sagt die 51-Jährige.
Doch für Jansen und Rahimi ist es fragwürdig, warum viele Menschen mit Migrationshintergrund nicht wählen dürfen, obwohl sie seit Jahren in Deutschland leben und gute Arbeit für diese Gesellschaft leisten. „Viele Gastarbeiter haben dieses Land mit aufgebaut, aber trotzdem dürfen sie nicht entscheiden, wer regiert und wer nicht, obwohl sie von den Gesetzen betroffen sind“, sagt Jansen und ergänzt: „Demokratieverständnis kommt vor allem aus der Familie und wenn Kinder merken, dass ihre Eltern kein Recht auf politische Teilhabe haben, werden sie sich für Politik nicht interessieren“.
Jetzt bereiten sich Jansen und Rahimi auf die EU-Wahl vor und freuen sich darauf, ihre Stimme abzugeben sowie am demokratischen Prozess teilzunehmen, um die Demokratie weiter zu stärken.
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