Herne. Hat Herne den Nachbarn Wanne-Eickel durch den Städte-Zusammenschluss ausgenommen? Der frühere Kämmerer Heinz Drenseck rechnet Überraschendes vor.

Der Mythos hält sich beständig seit 50 Jahren: Herne habe den Nachbarn Wanne-Eickel durch die Städteehe (auch gerne mal „feindliche Übernahme“ genannt) ausgenommen und geplündert. War Wanne-Eickel früher wirklich so reich? Alt-Kämmerer Heinz Drenseck präsentiert die Zahlen von damals.

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Zusammenschluss kam 1975 als Alternative zu anderen Modellen

Man muss den 85-Jährigen nicht lange bitten. Heinz Drenseck kann die Zahlen auch im Scheinwerferlicht auf der Bühne des Mondpalastes runterrattern. Als Kämmerer hatte er den Zusammenschluss der beiden Städte im Jahr 1975 begleitet. Damals mussten auch die Geldbeutel der beiden bis dahin selbstständigen Städte vereinigt werden. Drenseck räumt beim Festakt zum 50. Jahrestag der Städteehe mit dem Mythos der Plünderung auf.

„Herne und Wanne-Eickel hatten in den letzten Jahren ihrer Selbstständigkeit auch immer Haushaltsüberschüsse. Das muss man sagen“, betont Drenseck. Vor der kommunalen Neugliederung habe Herne ein Kapitalvermögen von 60 Millionen Mark gehabt. „Wanne-Eickel hatte ein Kapitalvermögen von 50 Millionen Mark.“ Punktsieg für Herne.

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In diesem Kapitalvermögen seien die Rücklagen enthalten gewesen. „Und da hatte in der Tat als Teil dieser 50 Millionen Wanne-Eickel eine Rücklage von acht Millionen und Herne nur von vier Millionen.“ Durch das Publikum im Mondpalast geht ein Raunen. Punktsieg für Wanne-Eickel.

Festakt der Städteehe von Herne und Wanne-Eickel
Regierungspräsident Heinrich Böckelühr (links) mit dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Frank Sichau (SPD). © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Aber“, holt Drenseck aus, „man muss auch die Schulden sehen.“ Herne habe Schulden von 63 Millionen Mark gehabt und Wanne-Eickel 82 Millionen Mark Miese. Punktsieg für Herne. Und ein Patt in der Summe mit leichter Tendenz für Herne. Gelächter im Publikum. (Die Gäste sind alle geladen und überwiegend selbst politisch engagiert.)

Wie kam es zu dem Mythos?

Wie es zu dem Mythos kam, kann Drenseck, der 1999 in Ruhestand ging, durchaus erklären. Es habe sich wohl von Anfang an das Gefühl der feindlichen Übernahme eingeschlichen. Drenseck erinnert an seine Sekretärin, die damals die Verteilung der Investitionen auf die Stadthälften akribisch nachhalten sollte. „Am Ende des Jahres fragte ich sie: Helga, wie waren denn die Investitionen?“ Das sei ihr eine unangenehme Frage gewesen. In Wanne sei nämlich am meisten investiert worden. Da habe sich die Sekretärin zu ihm gewandt und gesagt: „Aber du kannst sagen, was du willst: Wanne wird doch benachteiligt.“

Dass solche Mythen nicht ein Wanne-Eickeler Alleinstellungsmerkmal waren, kann auch Regierungspräsident Heinrich Böckelühr bestätigen. Der CDU-Politiker (mit heute 63 Jahren selbst zu der Zeit noch nicht in Amt und Würden) schildert aus seiner Schwerter Heimat ähnliche Benachteiligungsszenarien. In den 1970er Jahren gab es mehrere Wellen kommunaler Neugliederungen, Städte wurden zusammengeschlossen, es gab Eingemeindungen. Andere wurden kreisangehörig.

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Was bedeutete der Zusammenschluss für Herne und Wanne-Eickel?

Für Heinz Drenseck war der Zusammenschluss „ein guter Kompromiss“, betont der Kämmerer. „Denn die Alternativen sahen nicht gut aus.“ Von einer Verbandslösung im Zusammenschluss mit anderen Städten hätten Herne und Wanne-Eickel wohl eher nicht profitiert. Auch als Großstadt könnte Herne heute einem Landkreis angehören.

Stadtarchivar Jürgen Hagen erinnert daran, dass Herne und Wanne-Eickel vor der großen Industrialisierung übrigens schon mal zusammengehörten. Fragt sich nur, wie damals bei der „Scheidung“ die Finanzen aufgeteilt wurden.