Herne. Fast täglich spielt Max Piechotta in der Herner Fußgängerzone auf seiner Drehorgel. Finanziell lohne es sich nicht. Warum er trotzdem dort steht.
Max Piechotta fällt auf mit seinem schwarzen Zylinder in der Herner Fußgängerzone. Der 75-Jährige dreht geduldig an der Kurbel seiner Drehorgel. Was das für ein Lied ist? „Irgendetwas Französisches“, sagt der Rentner. Er steht fast jeden Tag irgendwo in Herne. Nicht um Geld zu verdienen, sondern weil's zuhause viel langweiliger wäre.
+++ Ärger über Grundsteuer in Herne: Telefone laufen heiß +++
Drehorgelspieler entdeckt eine Leidenschaft
„Ich würde sonst Fernsehen gucken“, sagt Piechotta. Die paar Euro in dem kleinen Becher vorne an der Drehorgel nehme er gerne entgegen. Aber das sei nicht seine Motivation. „Ich mache das aus Spaß an der Freud‘.“ Wenn schönes Wetter ist, komme er jeden Tag in die Fußgängerzone. Es sei doch schön, wenn er den Kindern ein Lächeln ins Gesicht zaubern könne.
Früher, da sei er ein Bastler gewesen, sagt Piechotta. Das habe sich aber mit der Drehorgel schlagartig geändert. Jetzt habe die Musik seine Leidenschaft geweckt. Als Konstrukteur im Stahl- und Eisengewerbe habe er immer viel mit Technik zu tun gehabt. Jetzt hat er etwas viel Filigraneres unter seinen Fingern.
+++ Auch interessant: Aus für bekannten Händler in Herne +++
Wie funktioniert die Drehorgel eigentlich?
Wer auf die Drehorgel schaut, sieht, dass man sich hier als Spieler auch durchaus mit der Technik beschäftigen muss. Unter der „Haube“ verstecken sich mehrere Walzen und Rädchen, die Papierrollen transportieren, abtasten und in Musik verwandeln. Vorne sind die Pfeifen zu sehen, aus denen letztlich die Töne kommen. Der Orgelspieler bestimmt selbst über das Abspieltempo der Musik. Je schneller man kurbelt, umso schneller spielt das Lied. Und an der Kurbel braucht man mitunter auch ganz schön viel Geduld. Der Reporter darf sich beim Ausprobieren davon überzeugen, dass so ein Lied auch ganz schön lang sein kann...
In einer Schublade liegen die Rollen versteckt. Sie enthalten den „Code“ mit dem Lochmuster. Max Piechotta ist quasi der DJ und legt die Musik auf. Jede Rolle enthalte vielleicht drei oder vier Lieder. Mit Tesafilm lassen sie sich neu zusammenkleben. Es gebe nur noch wenige Firmen, die so etwas herstellen, einige in Frankreich. Immerhin gut 30 Euro müsse er für ein einzelnes Lied hinblättern.

+++ Auch interessant: Nun doch keine Videoüberwachung in Herner Parkhaus +++
Drehorgeln: Manche sind so teuer wie ein Luxusauto
„Bei neueren elektronischen Orgeln gibt es Chips. Darauf sind 300 oder 400 Lieder gespeichert“, erklärt Piechotta. Diese Orgeln seien aber so teuer wie ein Luxusauto. Er selbst habe für seine gebrauchte Drehorgel auch schon 12.000 Euro hingelegt, damals in Fulda gekauft. Das sei vor zwölf Jahren gewesen. Er habe sich mit dem Einstieg in die Rente eine vernünftige Beschäftigung suchen wollen. Erst sei es eben die Bastelei gewesen, dann der Drehorgelkauf. „Danach habe ich aufgehört zu basteln.“
„Vergiß die Freude nicht“, steht (noch in alter Rechtschreibung) auf der handbemalten Drehorgel. Piechotta hat den Wagen, dessen Unterbau an einen alten Kinderwagen erinnert, mit einem Entchen und dem Affen geschmückt. Dem Tier fehlt nur noch ein Name. Aber das kann ja noch was werden.

Promi-Politiker dreht an der Kurbel
„Max mit der Drehorgel“, so nennt er sich, lässt sich auch buchen. Er komme zum Hochzeiten, Geburtstagen, Jubiläen, ins Seniorenheim und Kindergärten. Kürzlich geriet Max Piechotta auch in einen Wahlkampftermin mit dem Politpromi Anton Hofreiter der Grünen. „Toni“ ließ sich nicht lange bitten, griff zur Kurbel. Wer selbst gespielt hat, bekommt übrigens eine Belohnung von Max: einen bunten Lolli.
