Herne. Fotos und Videos von übelsten Missbräuchen an Kindern, zum Teil mit Folterinstrumenten: Ein Herner Kita-Leiter wurde verurteilt – auf Bewährung.
Der Leiter einer Kita in Herne ist wegen des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Auf dem Handy, Laptop und den Festplatten, die bei einer Wohnungsdurchsuchung sichergestellt wurden, fanden die Ermittlerinnen und Ermittler tausende Fotos und Videos.
Eine halbe Stunde lang berichtete die Staatsanwältin zum Teil detailliert, was darauf zu sehen ist - die übelsten Missbräuche an Kindern und Jugendlichen, unter anderem auch mit Folterinstrumenten. Die beiden einzigen Zuschauerinnen im Saal des Herner Amtsgerichts, beide Vertreterinnen des Kitaträgers, waren erschüttert. „Ich musste mehrmals schlucken, um nicht brechen zu müssen“, sagte eine der Frauen.
Der Herner (55) war über viele Jahre Kitaleiter, als er 2023 aufflog. Er sei im Team hoch angesehen gewesen und sehr geschätzt worden, berichteten die Vertreterinnen des Trägers gegenüber der WAZ. Dann standen plötzlich Fahnder vor der Wohnung und vor der Kita des Mannes und präsentierten einen Durchsuchungsbeschluss. Die US-Kinderschutz-Organisation National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) hatte die deutschen Behörden auf die Spur des Mannes gebracht. Der Träger entließ den Herner sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe fristlos. In seiner Wohnung fand die Polizei Berge von belastenden Materialien, in der Kita dagegen nichts.
Herner Angeklagter: Immer mehr Alkohol, verwahrloste Wohnung
„Ich habe in zwei Welten gelebt“, sagte der Angeklagte am Montag, 27. Januar, vor Gericht. Den Arm aufgestützt, von den Zuschauer-Bänken mit seinen beiden Ex-Chefinnen abgewandt, berichtete er leise, stockend. Auf der Arbeit sei er der engagierte Kita-Leiter gewesen, zu Hause der zurückgezogene Mann, ledig und ohne Kinder, der seine „Neigung“, wie er den Konsum von Kinderpornos nannte, immer stärker ausgelebt habe. „Im Zuge der Pandemie“, ergänzte sein Anwalt, „hat das Fahrt aufgenommen.“ Sein Mandant habe zu Hause immer mehr Alkohol getrunken, seine Wohnung sei zusehends verwahrlost.
In der Einrichtung, betonte der Anwalt, sei sein Mandant „niemals übergriffig geworden“. Das bestätigen die Ermittlungen. Ein Fehlverhalten in der Kita konnte dem Mann nicht nachgewiesen werden. Weder wurden dort belastende Materialien gefunden noch sei er dort im Umgang mit Schutzbefohlenen oder Mitarbeitenden auffällig gewesen. Das dürfte viele Eltern beruhigen: Als die Vorwürfe ans Licht kamen, fürchten entsetzte Eltern, dass sich der Kita-Leiter ihren Kindern unsittlich genähert haben könnte.
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Der Angeklagte zeigte Reue: „Das hätte nie passieren dürfen“, sagte er, und auch die Chats, an denen er sich beteiligt habe, seien „völlig daneben gewesen.“ Sein Anwalt ergänzte: Das alte Leben seines Mandanten sei passé, Menschen hätten sich von ihm abgewandt, die Arbeit habe er verloren, er sei sozial geächtet.
Nun, so der Angeklagte, führe er aber ein neues Leben: „Der Tag der Hausdurchsuchung war ein Schnitt.“ Er sei seit Monaten freiwillig in Therapie, mache Musik, habe ein neues soziales Umfeld aufgebaut und auch einen neuen Job gefunden: In Vollzeit begleite er jetzt erwachsene Menschen mit Behinderung, unterstütze sie etwa beim Einkauf. Ob der neue Arbeitgeber von dem Prozess und den Vorwürfen wisse, wollte der Vorsitzende Richter, Amtsgerichtsdirektor Klaus Schrüfer, wissen. „Nein“, antwortete der Mann.
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Die Staatsanwältin forderte drei Jahre Haft. Zwar habe der Angeklagte Reue gezeigt und die Ermittler unterstützt, in dem er etwa Passwörter weitergegeben habe. Auch habe es in der Kita kein Fehlverhalten gegeben. Allein: Der Herner habe sich Bilder angesehen und weitergegeben, die den Missbrauch und mithin das große Leid der missbrauchten Kinder zeigten. Auf diese Weise habe er dabei geholfen, dass die Nachfrage nach solchen Bildern bedient werde. Die Staatsanwältin betonte: Viele der Heranwachsenden, nicht wenige noch im Grundschulalter, hätten sich in den Videos, die die Ermittelnden sicherten, gegen den Missbrauch gewehrt. Vergeblich: „Sie schreien, leiden, weinen.“
Der Verteidiger warb für eine Haftstrafe auf Bewährung. Sein Mandant zeige Reue, er sei in Therapie und habe sich ein neues Leben aufgebaut. Dem folgte das Schöffengericht mit der höchsten Strafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Damit sei der 55-Jährige gerade noch am Gefängnis vorbeigeschrammt, sagte Amtsgerichtsdirektor Schrüfer. Die Zahl der Bilder und der Missbräuche lägen „im oberen Bereich“. Weitere Auflagen: Fortsetzung der Therapie und 3000 Euro, die an die Kinderkrebshilfe fließen.