Herne. Seit 30 Jahren ist Matthias Makowski für Goethe-Institute in aller Welt tätig. Seine Heimatstadt Herne bleibt in all der Zeit sein „Landeplatz“.

Eigentlich ist die Welt sein Zuhause: Seit mehr als drei Jahrzehnten arbeitet Matthias Makowski für das Goethe-Institut, unter anderem in Rotterdam, Krakau, Riga, Prag und München. Bei seinen beiden letzten Stationen war er immer wieder im Krisenmodus: In Griechenland hat Makowski 2015 die Flüchtlingskrise erlebt, in seine Zeit als Leiter des Goethe-Instituts in Sao Paulo in Brasilien fiel die Präsidentschaft des Populisten Jair Bolsonaro und die Corona-Pandemie. Die Jahreswende ist für ihn immer die Zeit der Rückkehr. Seine Heimatstadt Herne sei für ihn immer noch ein „Landeplatz“.

Nicht nur das: Auch wenn er seit 2019 in Brasilien lebt und arbeitet, verfolgt er das Geschehen in Herne aufmerksam, der Online-Aufritt der WAZ macht es möglich. So kennt Makowski die verschiedenen Bauprojekte, auch die Planungen für eine Seilbahn hat er registriert. Seilbahnen als Transportmittel für den ÖPNV sind ihm bestens bekannt: La Paz, die Hauptstadt von Bolivien, hat ein ganzes Seilbahnnetz. Auch Hernes Pläne für ein Kultur-Quartier in Wanne kennt Makowski - und begrüßt sie: „Eine Stadt ist lebenswert durch Dinge wie Kultur.“

Makowski wünscht sich in Deutschland mehr Interesse für internationale Themen

So wie sich Makowski auch aus der Ferne für die Entwicklung in seiner Heimatstadt interessiert, so wünscht er sich ein stärkeres Interesse in Deutschland für internationale Themen, denn das schwinde in seiner Wahrnehmung. „Ich stelle fest, dass in Deutschland nur über Krisen berichtet wird, wenn es einen direkten deutschen Bezug gibt.“ Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten beträfen Deutschland direkt, ebenso die Wahl des amerikanischen Präsidenten. Aber große verlustreiche Konflikte ereigneten sich auch im Sudan oder im Grenzgebiet zwischen Bangladesch und Myanmar. „In Somalia etwa, aber auch in Afghanistan und wahrscheinlich in Nordkorea sterben Menschen, weil sie nicht genug Nahrungsmittel haben.“

Als Leiter des Goethe-Instituts in Sao Paulo ist Makowski auch für den gesamten südamerikanischen Raum verantwortlich - und ist dementsprechend nah an Ereignissen dran, die auch in Deutschland wahrgenommen wurden: So betont er, dass Venezuelas Präsident Nicolas Maduro die Präsidentschaftswahlen gefälscht hat und Menschen in den Gefängnissen des Regimes verschwinden. Das Ergebnis von Maduros Misswirtschaft in einem der reichsten Länder Südamerikas: Rund 300.000 Kinder unter fünf Jahren litten an Unterernährung. Und in Argentinien zeigten sich schon die Folgen der Kahlschlag-Politik des Kettensägen-Präsidenten Javier Milei: Sie träfen den Sozialbereich und die Kultur. „Mit Kopfschütteln habe ich gelesen, dass hierzulande Politiker Deutschland vorschlagen, ein wenig von Milei zu lernen.“

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Brasilien nennt er als Beispiel für die sich verschärfende Klimakrise: Der Sommer 2024 habe alle Hitzerekorde gebrochen. In Rio de Janeiro zum Beispiel sei zum Karneval die Temperatur so hoch gewesen, dass Menschen im berühmten Sambadrom einen Hitzeschock erlitten hätten. Es habe Todesopfer gegeben. Im Mai hätten Regengüsse die Staaten des brasilianischen Südens überflutet, die Folgen der größten Flutkatastrophe Brasiliens seien immer noch überall sichtbar.

Estland ist zur zweiten Heimat geworden und soll Ruhesitz werden

Was überrascht: Auch wenn Makowski zurzeit noch in Brasilien lebt, hat er eine ganz persönliche Sicht auf den Überfall Russlands auf die Ukraine. Sollte Putin Erfolg haben, heißt es, werde er als nächstes seinen Blick auf die Länder des Baltikums richten: Estland, Lettland und Litauen. Makowski ist mit einer Estin verheiratet, gemeinsam besitzen sie ein Haus in Estland, das auch ihr Ruhesitz werden soll. Makowskis Ruhestand beginnt im Juli 2026. „Estland ist mir mittlerweile zur zweiten Heimat geworden.“

Die baltischen Staaten hätten ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Russland, was unter anderem daran liege, dass diese Länder von der Sowjetunion besetzt waren und noch gar nicht so lange unabhängig seien. Vor diesem Hintergrund seien die baltischen Länder längst wehrhaft. Die Heimatschutz-Kompanien, bei denen die Selbstverteidigung geübt werde, sind in Estland sehr beliebt. „Diese Gruppen sind selbstverständlich.“ Es herrsche die Meinung, dass der Angriff auf die Ukraine nur ein erster Versuch von Putin gewesen sein könnte, um die alte Größe Russlands wiederherzustellen. „Im Bewusstsein vieler Russen ist das Baltikum Teil ihres alten Staatsgebiets.“ Deshalb können man in Estland nicht die deutsche Behäbigkeit verstehen, den Wehretat zu erhöhen, auch wenn Kritik immer sehr zurückhaltend formuliert werde.