Herne. Trotz belastender DNA-Spuren hüllt sich ein mutmaßlicher Vergewaltiger (34) aus Herne vor Gericht in Schweigen – und geht damit „All in“.

Ein mutmaßliches Sexualverbrechen in einer Mietwohnung in Herne beschäftigt seit Donnerstag, 9. Januar, das Bochumer Landgericht. Ein 34-jähriger Mann soll eine Bekannte in seinem Schlafzimmer gewaltsam zum Sex gezwungen haben. Die Beweislage erscheint erdrückend – trotzdem will der Tatverdächtige sich vorerst schweigend verteidigen.

Erst ein hilfsbereiter Abholer und Gastgeber, dann ein eisiger Vergewaltiger? Die Anklageschrift der Bochumer Staatsanwaltschaft schockiert. Am Vorabend des 14. Mai 2024 soll das mutmaßliche Opfer von einer dreiwöchigen Reise zurückgekehrt sein. Weil ihr eigentlicher Abholer sie am Flughafen Düsseldorf im Stich gelassen haben und nicht erschienen sein soll, soll die Frau den Angeklagten angerufen haben.

Anklage: Herner ignorierte „Nein“ und „Hilferufe“

Schauplatz des Prozesses: das Justizzentrum in Bochum.
Schauplatz des Prozesses: das Justizzentrum in Bochum. © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

Laut Staatsanwaltschaft erklärte sich der 34-Jährige bereit, auszuhelfen, nahm ein Taxi zum Flughafen, ließ die Bekannte samt Gepäck zusteigen und kehrte dann mit ihr zurück nach Herne in seine Wohnung. Dort, so hieß es in der Anklage, könne sich die Frau erst einmal umziehen und ausruhen. Am Folgetag sollte sich aufklären, warum sie am Flughafen versetzt worden sei. Der Angeklagte und seine Bekannte sollen sich zwei Stunden lang unterhalten haben, dann soll die Frau sich auf das Sofa gelegt haben, um zu schlafen.

Der 34-Jährige soll vergeblich versucht haben, die Frau zu überreden, doch bei ihm im Schlafzimmer zu übernachten und ihr angedroht haben, andernfalls die Polizei zu rufen und sie mitsamt Gepäck nachts aus der Wohnung werfen zu lassen. Anschließend soll der Mann die Bekannte ins Schlafzimmer gedrängt und dort mit ihr auf dem Bett liegend begonnen haben, sie am Arm zu streicheln. Die Frau soll die Annäherungen rigoros abgewehrt und gedroht haben, ihrerseits die Polizei zu alarmieren, auch soll sie irgendwann um Hilfe gerufen haben. Der Angeklagte soll sowohl die Hilferufe als auch das entschiedene „Nein“ der Frau mit Blick auf sexuelle Handlungen ignoriert, seine Bekannte gewaltsam an den Armen und Beinen festgehalten und vergewaltigt haben.

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„Nach etwa fünf bis zehn Minuten“, so die Anklageschrift, sei es der Frau gelungen, sich aus den Fängen ihres Vergewaltigers zu lösen, die Wohnung zu verlassen und die Polizei zu alarmieren. Zum Prozessauftakt vor der 11. Strafkammer erklärte Verteidigerin Verena Werner: „Der Mandant wird vorerst von seinem Schweigerecht Gebrauch machen.“ Wie bekannt wurde, soll der Angeklagte in einer ersten polizeilichen Befragung bestritten haben, dass es in der fraglichen Nacht sexuellen Kontakt mit der Frau gegeben hat.

Ein eingeholtes DNA-Spurengutachten soll aber genau das Gegenteil ergeben haben. „Nach Aktenlage ist das Sachverständigengutachten – vorläufig gewürdigt – schon ein deutliches Indiz“, sagte Richterin Susanne Schön Winkler. Sie warnte den Angeklagten sinngemäß, mit seinem Schweigen nicht zu hoch zu pokern. Vor der Vernehmung der Belastungszeugin könne er mit einem Geständnis noch strafmildernde Pluspunkte für sich sammeln. „Wenn wir die Frau erst einmal vernommen haben und am Ende das für glaubhaft halten, was sie uns als Zeugin sagt“, so die Vorsitzende Richterin weiter, sehe die Situation komplett anders aus. Ein nachgeschobenes Geständnis sei dann für ihn praktisch wertlos.

Auch die Staatsanwältin mahnte den Angeklagten, bezeichnete seine Schweigetaktik wörtlich als „All in“. Die Anklage lautet auf Vergewaltigung. Die Mindeststrafe im Falle einer Verurteilung beläuft sich auf zwei Jahre Haft. Geplanter Urteilstermin: 28. Januar.