Herne. Ab Januar gilt europaweit ein Amalgam-Verbot. In Herne haben besonders viele Menschen diese Füllung. Was das für die Betroffenen nun bedeutet.
Seit dem 1. Januar gilt europaweit ein grundsätzliches Amalgam-Verbot für Zahnfüllungen. Tatsächlich füllen die meisten Zahnärzte in Deutschland Löcher in den Zähnen ihrer Patienten schon längst nicht mehr mit der Quecksilber-haltigen Legierung, auch aus ästhetischen Gründen. Seit Jahren sei der „Anteil der Amalgam-Füllungen in schadhaften Seitenzähnen“ bundesweit rückläufig, heißt es im aktuellen Zahnreport der Barmer.
Auch in Herne wird Amalgam eher selten eingesetzt. „In unserer Praxis noch maximal zweimal im Jahr“, sagt Dr. Guido Birkelbach, stellvertretender Vorsitzender der Bezirksstelle Herne der Zahnärztliche Körperschaften Westfalen-Lippe. Von den anderen Kollegen in Herne wisse er nicht, wie sehr dort noch mit Amalgam gearbeitet wird, „aber ich weiß, dass es eher selten gemacht wird“. Die Nachfrage nach Amalgam in seiner Praxis sei nie sehr groß gewesen.
Viele Herner haben Amalgam in den Zähnen
Deswegen sei das Amalgam-Verbot für ihn kein Problem. Nachvollziehen könne er die Entscheidung allerdings nicht. „Das ist nicht ausreichend durchdacht“, sagt der Zahnarzt. Denn: Es gebe keine gleichwertige Alternative. Es gebe zwar Kunststoffe, die eingesetzt werden könnten, aber diese seien dann nicht kostenfrei.
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Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, hingegen hatte jüngst erklärt: „Das Thema Amalgam ist bis auf zahnmedizinisch zwingende Fälle Geschichte.“ Man habe auf „geeignete, wirtschaftliche und praxiserprobte Füllungsmaterialien für alle Zahnfüllungen geeinigt.“
Der Anteil der Amalgam-Füllungen im gesamten Nordrhein-Westfalen (2023: 3,0
Prozent) liegt unter dem Bundesdurchschnitt (3,5 Prozent). Was aber auffällt: In die Zähne der Gelsenkirchener und Herner floss laut Barmer-Zahnreport für NRW deutlich mehr Amalgam, nämlich 4,9 beziehungsweise 4,8 Prozent – das sind die NRW-weit höchsten Zahlen. Am wenigsten neue Amalgam-Plomben fanden sich
laut Barmer-Report in Essen (1,5 Prozent).
Das Einsetzen von Amalgam ist zuzahlungsfrei
Einen genauen Grund, warum die Quote in Herne so hoch ist, kenne der Herner Zahnarzt nicht. Aber: Das Einsetzen von Amalgam ist zuzahlungsfrei. Das heißt, für diese Füllungen müssen Patientinnen und Patienten im Gegensatz zu anderen Füllungen nicht noch etwas draufzahlen. „Die Kaufkraft ist in Herne geringer als in anderen Städten“, sagt Dr. Birkelbach. Das sei auch ein Grund dafür, dass es in Herne vermutlich nur einen geringen Wunsch geben werde, das Amalgam auszutauschen. Denn wenn es medizinisch nicht notwendig sei, müsse das Entfernen selbst gezahlt werden, erklärt er.
„Die Kaufkraft ist in Herne geringer als in anderen Städten.“
Amalgam ist eine Metallmischung, die zur Hälfte aus Quecksilber besteht, gebunden in einer Legierung aus Silber, Kupfer, Zink und Zinn. Mehr als 100 Jahre lang war es das Standardmaterial, um Karies-Löcher zu stopfen, noch 1995 wurde es für knapp ein Drittel aller neu gelegten Füllungen in Deutschland verwendet. Insbesondere für die größeren Defekte in den Seitenzähnen (den kleinen und großen Eckzähnen) gab es lange kein geeigneteres Material.
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Dass es nun verboten wird, habe jedoch keine gesundheitlichen Gründe. „Das Verbot gibt es aus Umweltschutzgründen“, betont Dr. Birkelbach.
Deswegen muss nun niemand mit einer alten Amalgam-Füllung zum Zahnarzt, um sie entfernen zu lassen. „Im Gegenteil“, sagt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer Krankenkasse in NRW, „aus zahnmedizinischer Sicht ist sogar von einer Entfernung intakter Füllungen abzusehen.“