Herne. Ein Zahnarzt der Stadt Herne warnt: Die Verwahrlosung der Zähne bei Kindern nimmt zu. Oft seien die Zähne auch ein Indiz für Schlimmeres.

Keine guten Nachrichten: Die Zahngesundheit ist bei vielen Kindern in Herne alarmierend schlecht. Diesen negativen Trend beobachten Zahnärzte der Stadt Herne bei ihren Untersuchungen. Dr. Peter Reuter sprach vor dem Schulausschuss von einer „dentalen Verwahrlosung“, die nicht nur die Zähne betreffe. Diese seien vielmehr nur ein sichtbarer Faktor für etwas, das viel weiter gehe, wo vieles im Argen liege. Auch der starke Zuzug in den vergangenen Jahren habe zu einer Verschlechterung der Zahngesundheit in Herne geführt.

Bereits im Kita-Alter haben einige Kinder Karies. Die Zahl der betroffenen Kinder ist je nach Einrichtung und Standort in Herne sehr unterschiedlich, wie aus dem Zahngesundheitsbericht hervorgeht, den Dr. Peter Reuter, Zahnarzt für öffentliches Gesundheitswesen, den Ausschussmitgliedern vorstellte. Während in manchen Kitas die untersuchten Kinder komplett gesunde Zähne hatten, gab es auch Ausreißer nach unten: Wie etwa in einer Kita in Sodingen, in der mehr als zwei Drittel der vorgestellten Kinder schon Zahnprobleme hatten; in einer Einrichtung in Mitte waren es 59 Prozent der Kinder. Zu beachten sei dabei, dass die „Ausfallquote“ aufgrund fehlender Kinder und fehlender Einverständniserklärungen der Eltern teilweise erheblich war.

Herne: Einzelne Kitas zu Kariesrisiko-Einrichtungen erklärt

„Acht Kindergärten in Wanne, vier in Eickel und sechs in Mitte und Sodingen können als Kariesrisiko-Einrichtungen identifiziert werden“, sagt der Zahnarzt aufgrund der Daten. Welche Einrichtungen das sind, nannte er nicht. In diesen Einrichtungen biete die Stadt vermehrt Vorsorgebehandlungen wie Zahnschmelz-Härtungen an, bei der ein Lack auf die Zähne aufgetragen wird. Dies könne aber natürlich nur mit Zustimmung der Eltern erfolgen.

An den Grundschulen zeigt sich ein ähnliches Bild: „Etwa 50 Prozent der Kinder sind naturgesund und haben nichts, 50 Prozent haben schon Karieserfahrung gemacht“, so Dr. Reuter weiter. Auch hier variierten die Ergebnisse je nach Schule erheblich: Während an manchen Standorten nur ein Drittel der Kinder „naturgesund“ ist, also keine Karies und keine Füllung hat, sind es an anderen rund zwei Drittel, so die Ergebnisse von insgesamt 949 untersuchten Grundschülerinnen und Grundschülern.

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Meist sind bei Kindern in diesem Alter noch die Milchzähne betroffen. Im Schnitt seien es zwischen 1,4 und 3,9 Zähne, die entweder kariös, gezogen oder gefüllt seien. Rund jedes vierte Kind habe diese Schäden an mehr als fünf Milchzähnen oder einem bleibenden Zahn und zählt damit zu den „Kariesrisiko-Kindern“. „Bei etwa einem Drittel dieser Kinder kann man von dentaler Vernachlässigung ausgehen“, so Dr. Reuter. „Da bin ich ganz sicher, sind das nicht nur die Zähne.“

Deutliche Unterschiede zeigen sich vor allem an den weiterführenden Schulen. „Die Hauptschule und die Gesamtschule in Wanne haben das schlechteste Ergebnis und die Gymnasien haben das bessere Ergebnis“, fasst Dr. Reuter zusammen. „Das sind sehr deutliche Unterschiede.“ Insgesamt auffällig: Rund 70 Prozent der untersuchten Elf- und Zwölfjährigen habe überhaupt keine Karieserfahrung. Das heißt: „Alle Füllungen und alles Karies konzentriert sich auf 30 Prozent der Kinder“, so der Zahnarzt.

Jedes zweite Kind geht zu Vorsorgeuntersuchungen

Auch die Krankenkasse AOK Nord-West würde sich eine stärkere Nutzung der kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen von Kindern in Herne wünschen: „Unterm Strich wird die Prophylaxe nur von etwa jedem zweiten Kind in Herne genutzt. Das ist eindeutig zu wenig“, sagt AOK-Serviceregionsleiter Jörg Kock. „Ab dem sechsten Lebensjahr sollten Kinder mindestens zweimal im Jahr zur Vorsorgeuntersuchung zum Zahnarzt gehen.“ Vorsorge sei bei Kinderzähnen das A und O. Doch es gibt auch einen positiven Trend: So beobachtete die Krankenversicherung zuletzt unter den eigenen Versicherten in Herne wieder einen leichten Anstieg bei der Zahnvorsorge von 6,2 Prozent gegenüber 2021.

>>>WEITERE INFORMATIONEN: 10.721 Untersuchungen

  • Grundlage für die Ergebnisse des Zahngesundheitsberichts sind insgesamt 10.721 zahnärztliche Untersuchungen. Diese werden sowohl im Kita-Alter bei Drei- bis Sechsjährigen von einem Zahnarzt durchgeführt, der in die Kindertagesstätten kommt, als auch bei den sechs- und siebenjährigen Grundschülern und an den weiterführenden Schulen bei den Sechsklässlern mit etwa elf oder zwölf Jahren.
  • Die Daten wurden anonymisiert vorgestellt. Die Namen einzelner Einrichtungen oder Schulen wurden dabei nicht benannt, sondern nur den Bezirken zugeordnet.
  • Die AOK Nord-West weist darauf hin, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Prophylaxe ab dem sechsten Lebensjahr zweimal im Jahr übernehmen. Auch die Fissurenversiegelung der bleibenden großen Backenzähne wird bis zum 18. Lebensjahr vollständig bezahlt.