Herne. Immer mehr Kinder gehen plötzlich nicht mehr in die Schule. Was tun? In Herne gibt es eine Anlaufstelle, die Hilfe bietet.

Während der Corona-Pandemie haben Kinder und Jugendliche besonders gelitten, das gilt inzwischen als Konsens unter Experten. Gerade die Schließung der Schulen wird in diesem Zusammenhang als großer Fehler eingestuft. Und der spiegelt sich inzwischen in der Arbeit der Herner LWL-Tagesklinik wider.

Die Corona-Pandemie hat das Problem des Schulabsentismus verstärkt

Der Grund: Das Team an der Ludwigstraße in Wanne ist immer öfter mit dem sogenannten Schulabsentismus konfrontiert, wenn also Kinder oder Jugendliche über einen längeren Zeitraum nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Erste Auffälligkeiten in dieser Hinsicht habe es zwar schon ab 2010 gegeben und spätestens seit 2015 sei Schulabsentismus ein großes Thema, doch durch Corona habe sich die Lage noch einmal verschärft, so Dr. Claudia Schalla, Leiterin der Herner Tagesklinik. „Die Homeschooling-Phase hat bei manchen Kindern dazu geführt, dass sie die Rückkehr in die Schule nicht geschafft haben.“ Allerdings spiegele sich darin auch ein gesellschaftliches Problem: So schrumpfe die Autorität der Eltern, sodass sie nicht mehr in der Lage seien zu sagen: Du musst in die Schule.

Es gebe Kinder, die ein halbes Jahr, teilweise sogar mehrere Jahre nicht in der Schule gewesen seien. Manche hätten mehrmals versucht zurückzukehren, seien aber gescheitert. Für diesen Absentismus gebe verschiedene Auslöser: Ängste, schlechte Erfahrungen wie Mobbing, oder eine falsche Einschätzung der Leistungsfähigkeit, wenn Eltern ihre Kinder entgegen der Empfehlung der Grundschule an einem Gymnasium angemeldet haben.

Claudia Schalla
Dr. Claudia Schalla leitet die Tagesklinik in der Ludwigstraße in Wanne. © Tobias Bolsmann | WAZ

Das Therapeuten-Team der Tagesklinik gehe nicht nur den Ursachen der Schulabwesenheit auf den Grund, die Kinder würden wieder an Schule herangeführt. So stünden an den Vormittagen zwei mal zwei Stunden Unterricht mit maximal sechs Kindern auf dem Plan. Wobei den Kindern teilweise zunächst beigebracht werde, wie Schule funktioniert. Danach tasteten sich die Lehrer langsam an den Lernstand heran. Je nach Ergebnis würden die weiteren Schritte diskutiert.

Klinik leistet Hilfe bei unterschiedlichen Problemen

Doch es wäre viel zu kurz gegriffen, die Arbeit der Tagesklinik auf schulische Probleme zu reduzieren, die Spannbreite ist deutlich größer. Aufnahmegründe könnten ADHS, Schwierigkeiten im Sozialverhalten (etwa durch Mediennutzung), Einnässen- und Einkoten, Ängste, Zwänge, Depressionen, Ticstörungen, autistische Störungen oder soziale Ängste sein. Im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten gebe es ein völlig anderes Verständnis von Kinder- und Jugendpsychiatrie. Kinder, bei denen heute ADHS diagnostiziert werde, seien früher lediglich als „Zappelphilipp“ bezeichnet worden. „Man ist heute viel offener für Psychotherapie.“ Was sich unter anderem darin widerspiegele, dass Schulen schneller die Tagesklinik kontaktieren würden.

LWL Tagesklinik Herne
Das Team der Tagesklinik vereint viele Experten für die Arbeit mit Kindern. © Tobias Bolsmann | WAZ

Selbstverständlich seien die Kinder zu Beginn der Therapie nicht unbedingt begeistert, weil sie nicht wüssten, was auf sie zukommt, aber ihnen tue die Alltagsstruktur gut. „Die Abläufe sind geregelt und vorhersehbar.“ Schon durch den geregelten Tagesablauf seien gute Fortschritte erkennbar. Hinzu komme, dass sich die Kinder Ziele für den Tag und die Woche setzen könnten.

LWL Tagesklinik Herne
Der Außenbereich der Klinik bietet viele Möglichkeiten zum Toben. © Tobias Bolsmann | WAZ

Der Vorteil der Klinik: Sie habe ein breites Angebot: So zählen unter anderem eine Ärztin, ein Psychotherapeut, eine Motopädin, eine Ergotherapeutin und Sozialarbeiterin zum Team. Hinzu kämen die Möglichkeiten der Hauptklinik des LWL für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marl. Dort werde Reittherapie angeboten, auch gebe es einen Kletterpark. Schalla: „Wir bieten so eine Art Rundumpaket.“

„Oft hängen die Erkrankungen der Kinder mit den Problemen der Eltern zusammen“

Das Anstrengende, aber auch Tolle, so Schalla: Wir können mit jedem Kind individuell arbeiten, 6-Jährige brauchen etwas anderes als 18-Jährige. Das macht unsere Arbeit so hochinteressant und spannend.“ Und: „Wir können nicht zaubern, aber in bis zu zwölf Wochen kann man schon arbeiten.“ Die Kinder merkten, dass sie selbst etwas erreichen können.

Eine wichtige Rolle bei der Arbeit spielten die Eltern: „Oft hängen die Erkrankungen der Kinder mit den Problemen der Eltern zusammen.“ Das offenbare sich in den obligatorischen Elterngesprächen. Deshalb gebe es unter anderem Angebote, um die Bindung zwischen Kindern und Eltern zu stärken. Und die Eltern seien häufig bereit, selbst das eine oder andere zu verändern. Es könne es vorkommen, dass der Therapieerfolg bei den Kindern auf deren Eltern übertragen werde.