Herne/Bochum. Hernes SPD-Chef Hendrik Bollmann hat eine Anleihe bei „Herbie“ gemacht. Und die Grünen machen Sachen, die sie vor Jahren verurteilt hätten.

Herne, ich komm‘ aus dir

Pop-Superstar Herbert Grönemeyer mag es so gar nicht, wenn Parteien seine Lieder kapern. So hat der Sänger mit Bochumer Wurzeln in diesen Tagen aus aktuellen Anlässen sowohl der Jungen Union als auch Grünen-Superstar Robert Habeck über seinen Anwalt verbieten lassen, den Song „Zeit, dass sich was dreht“ für Wahlkampfzwecke zu nutzen. Das wirft die Frage auf: Wird in Kürze auch der SPD-Bundestagskandidat Hendrik Bollmann (42) einen Brief von Grönemeyers juristischen Vertretung erhalten?

Nach seiner Kür für den Wahlkreis Herne-Bochum II am Samstag im Wanner Mondpalast wies der SPD-Chef die Mitglieder darauf hin, dass am Ausgang zwei Karten von ihm bereitlägen: Auf einer stehe „Herne, ich komm‘ aus dir“, auf der anderen „Bochum, ich will zu dir“. Nicht nur Fans des Sängers wissen natürlich sofort: Bollmann variiert hier den Text von Grönemeyers Hymne „Bochum“. Reicht das schon aus, um nun auch Bollmann die Rote Karte anzudrohen? Wohl eher nicht, denn erstens spielte dieser keinen Song ab, zweitens nutzt er nicht den Originaltext und drittens ist Bollmann Mitglied des VfL Bochum.

Er ist so frei: Hernes SPD-Bundestagskandidat Hendrik Bollmann - hier bei der Vorstellungsrede im Mondpalast - machte eine Anleihe bei Herbert Grönemeyers „Bochum“.
Er ist so frei: Hernes SPD-Bundestagskandidat Hendrik Bollmann - hier bei der Vorstellungsrede im Mondpalast - machte eine Anleihe bei Herbert Grönemeyers „Bochum“. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Da kommt eine OB-Kandidatin der Grünen, ey

„Da kommen Mücken, ey“, sagt Sabine von der Beck zu Beginn ihres neuen Vorstellungsvideos auf Facebook als OB-Kandidatin der Herner Grünen. Mit der Hand verscheucht die Stadtverordnete die Insekten und erzählt anschließend den Zuschauerinnen und Zuschauern, was man in Herne alles besser machen könnte. Die Mücken-Abwehr verlief offenbar erfolgreich, doch Zweifel an diesem Clip können sie und ihre Partei nicht so leicht vertreiben.

Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet die Partei, die sich einst Basisdemokratie auf die Fahnen geschrieben hatte, eine OB-Kandidatin ins Schaufenster stellt, die dafür von der Mitgliedschaft noch gar nicht legitimiert worden ist. Der Kreisvorstand hat sich zwar am Donnerstag, 7. November, einstimmig für die 61-Jährige ausgesprochen, doch die offizielle Nominierung durch die Herner Parteimitglieder ist erst für den 28. November terminiert. Die Aufnahmen für das Bewerbungsvideo haben die Grünen sogar schon vor Wochen gedreht, als es noch gar kein Vorstandsvotum gab. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn es bei den Grünen bis zum 28. November in Herne noch eine zweite Bewerbung für die OB-Kandidatur geben würde. Wird dann mit der heißen Nadel schnell ein weiteres Video gedreht? Wird das dann auch auf der Facebook-Seite von Grünen gezeigt?

Frühstart: Sabine von der Beck, Favorition des Vorstands der Herner Grünen für die OB-Kandidatur 2025.
Frühstart: Sabine von der Beck, Favorition des Vorstands der Herner Grünen für die OB-Kandidatur 2025. © Hartmut Bühler

Diese Peinlichkeit dürfte dem Kreisverband mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erspart bleiben, weil eine mit viel Arbeit verbundene, aber aussichtslose OB-Kandidatur alles andere als begehrt ist. Es bleibt die Erkenntnis, dass die Grünen einmal mehr bewiesen haben, dass sie eine ganz normale Partei sind und Sachen machen, die vor Jahren undenkbar oder zumindest umstritten gewesen wären - so wie zum Beispiel die (häufig auf Personalnot zurückzuführende) Aufhebung der Trennung zwischen Amt und Mandat oder eine Häufung von Mandaten.

Valencia, Sea-Eye und das Leid der Menschen

Apropos Häufung von Mandaten: Die Herner Grünen-Bundestagskandidatin Anna di Bari (23) ist hier ganz weit vorne. Seit der Kommunalwahl 2020 gehört sie dem Rat der Stadt Bochum, der Bezirksvertretung Bochum-Mitte und dem Ruhrparlament an. Außerdem ist sie in der Nachbarstadt Vorsitzende des Sozialausschusses und stellvertretende Bezirksbürgermeisterin in Bochum-Mitte. Ein strammes Programm, aber längst nicht die einzigen Ehrenämter der kurz vor dem Bachelor-Abschluss stehenden Studentin der Philosophie, Politik und Ökonomik. Als Vorstandsmitglied der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye weilte sie jüngst für vier Tage in Valencia. Es ging für die Organisation ausnahmsweise nicht um die Rettung Geflüchteter vor dem Ertrinken, sondern um Unterstützung bei den Aufräumarbeiten nach der Unwetterkatastrophe.

Nach der Unwetterkatastrophe in Spanien war Anna di Bari für  Sea-Eye in Valencia im Einsatz.
Nach der Unwetterkatastrophe in Spanien war Anna di Bari für Sea-Eye in Valencia im Einsatz. © Sea-Eye

Nicht die einzige Auslandsreise di Baris in den vergangenen Monaten: So nahm sie Ende Juli im italienischen Ancona an der Taufe des neuen Schiffs Sea-Eye 5 teil. Patin war keine Geringere als die Oscar-nominierte Schauspielerin Sandra Hüller, die in den vergangenen Jahren unter Intendant Johan Simons auch am Schauspielhaus Bochum große Erfolge feiern konnte. Hüller verband die Taufe mit dieser Botschaft: „Ich wünschte, dieses Schiff müsste nicht existieren. Ich wünschte, die Regierungen Europas und der Welt würden endlich begreifen, dass Migration nicht aufhört, wenn sie das Sterben auf den Migrationsrouten zulassen. Sie wird aufhören, wenn sie die Verantwortung für das Leid der Menschen übernehmen, die ihre Heimat verlassen, verursacht durch die Arroganz und Ignoranz des Rests der Welt und der Politik.“

So kennen sie die Besucherinnen und Besucher des Bochumer Schauspielhauses: Sandra Hüller in „Hamlet“.
So kennen sie die Besucherinnen und Besucher des Bochumer Schauspielhauses: Sandra Hüller in „Hamlet“. © Schauspielhaus Bochum | JUB