Herne/Bochum. Die SPD hat Hendrik Bollmann für den Bundestagswahlkreis Herne-Bochum II nominiert. Zunächst richteten sich alle Augen auf Michelle Müntefering.
Die Herner SPD und die Bochumer Stadtbezirke Nord und Ost gehen mit Hendrik Bollmann (42) in die kommende Bundestagswahl. Der 42-Jährige erhielt am Samstag bei der Konferenz für den Wahlkreis Herne-Bochum II im Wanner Mondpalast 113 Ja-Stimmen bei zehn Gegenstimmen und einer Enthaltung (91 Prozent).
Womit nicht alle gerechnet hatten: Die amtierende Herner SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering kam mit ihrem Mann Franz Müntefering (84) in den Mondpalast und verabschiedete sich zu Beginn der Wahlkreiskonferenz mit einer Rede. Die 44-Jährige betrieb dabei weder Vergangenheitsbewältigung - mit ihrem Rückzug dürfte sie eine Niederlage gegen Bollmann verhindert haben - noch verriet sie etwas über ihre persönlichen Ziele nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag.
Michelle Müntefering spottet über Christian Lindner
Vielmehr schlug sie einen Bogen von der Wahl Donald Trumps in den USA bis zum Aus der Ampel am Mittwoch. Die Schuld für den Bruch sah sie vor allem bei der FDP. Finanzminister Christian Lindner habe parteitaktisch und verantwortungslos gehandelt. Und: „Das kann er besonders gut, der Christian: in die Büsche schlagen, wenn es schwierig wird“, spottete Müntefering unter Applaus.
Die SPD werde nun versuchen, vor einer Neuwahl im Bundestag die begonnene Arbeit zu Ende zu bringen. Es gehe vor allem darum, den Wirtschaftsstandort, Arbeitsplätze sowie das höhere Kindergeld zu sichern, steuerliche Verbesserungen für Bürgerinnen und Bürger zu erzielen („kalte Progression“) und die Widerstandskraft demokratischer Institutionen zu stärken.
Gemessen daran, dass Müntefering dreimal hintereinander den Wahlkreis gewonnen hat und elf Jahre die Herner und Bochumer SPD im Bundestag vertrat, fiel der Abschied eher unterkühlt aus. Es war vor allem Oberbürgermeister F‘rank Dudda, der ihr in einem Grußwort große Anerkennung zollte. Den Dank der Landes-SPD-Vorsitzenden Sarah Philipp - ihr Grußwort wurde per Film eingespielt - und später von Hendrik Bollmann nahm Müntefering schon nicht mehr persönlich entgegen: Kurz nach Duddas Grußwort hatten sie und Franz Müntefering den Mondpalast verlassen.
Hendrik Bollmann beschwor in seiner Kandidatenrede das, was er auch als Vorsitzender der Herner SPD stets in den Mittelpunkt stellt: die Sorgen der Menschen. „Sie sind verunsichert und haben Angst. Wir tun gut daran, Verständnis zu zeigen und klarzumachen: Wir sind an ihrer Seite.“ Auf die zentralen Fragen gebe die SPD die richtigen Antworten. Zum Beispiel: eine steuerliche Entlastung von 95 Prozent der Leistungsträgerinnen und Leistungsträger bei einer gleichzeitigen höheren Belastung für „die Stärkeren“, Sicherung von Arbeitsplätzen und Renten, Einführung einer Kindergrundsicherung und nicht zuletzt die Lösung der Altschuldenproblematik in Kommunen wie Herne.
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„Der Wahlkampf beginnt am Montag“, kündigte Bollmann nach seiner Nominierung im Gespräch mit der WAZ an. Der Parteivorsitzende stellte im Mondpalast bereits sein Wahlkampfteam vor: Federführend soll Eickels Bezirksbürgermeister Adi Plickert (67) sein, unterstützt von der jungen Sodinger Genossin Nadja Marek (24).
Mit Hendrik Bollmann sind im Wahlkreis Herne-Bochum II bislang drei Direktkandidaten für die vorgezogene, aber noch nicht terminierte Bundestagswahl nominiert worden: Die CDU hat den Herner Parteiorsitzenden Christoph Bußmann (36) am vergangenen Dienstag aufgestellt, die Grünen ihre Kandidatin Anna di Bari (23) - Stadtverordnete in Bochum - bereits Anfang Juli.
Hendrik Bollmanns Vater war Michelle Münteferings Vorgänger
- Michelle Müntefering ist seit 2013 direkt gewählte Abgeordnete für Herne-Bochum II.
- Hendrik Bollmanns Vater Gerd war als Bundestagsabgeordneter Vorgänger Münteferings. Der 2017 verstorbene Sozialdemokrat gehörte dem Bundestag von 2002 bis 2013 an.
- Michelle Müntefering ist der Herner SPD nicht nur durch das Bundestagsmandat verbunden: Sie ist noch immer stellvertretende Parteivorsitzende, verlor zuletzt aber deutlich an Zustimmung (nur 62,1 Prozent bei der Wiederwahl 2023). Die Neuwahl des Vorstands findet erst nach der für den 14. September 2025 terminierten Kommunalwahl statt.
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- Für den größten Lacher sorgte OB Frank Dudda, als er bekannte: „Ich bin heute Morgen nach Röhlinghausen gefahren. Dort stand ich vor dem Volkshaus und dachte mir: Warum ist keiner da?“ Hintergrund: Der Herner SPD-Unterbezirk führt seine Veranstaltungen in der Regel im Volkshaus durch.
- Die nachdenklichsten (Gruß-)Worte fand Mondpalast-Chef Marvin Böttcher. Unter Bezug auf den Wahlsieg von Donald Trump und die Entwicklung in Deutschland sagte er: „Ich mache mir große Sorgen.“ Der Mondpalast und der Revuepalast in Herten beschäftigten 70 Mitarbeiter aus über zehn Nationen. Und er habe eine Tochter mit besonderen Bedürfnissen („ich mag das Wort Behinderung nicht“). „Was passiert mit ihr, was passiert mit uns, wenn der politische Wind sich nun deutlich drehen sollte.“ Demokratie bekomme man nicht geschenkt, mahnte er. „Sie muss jeden Tag geschützt werden.“
- Für die peinlichste Leerstelle sorgte Sarah Philipp. Im Filmeinspieler begrüßte die Chefin der NRW-SPD nur die Genossinnen und Genossen aus Herne, nicht aber die aus Bochum. Ihr Landtagskollege Alexander Vogt holte das für sie im Mondpalast nach und versicherte, dass sie das Versäumnis bereits selbst bemerkt habe. Sie habe jedoch keine Zeit für eine neue Aufnahme des Grußworts gehabt.