Herne. Zum wiederholten Mal fällt ein Herner mit überklebten Preisetiketten auf. Dass das Gericht an Zufall glaubt, ärgert die Staatsanwaltschaft.

Eine einschlägig vorbelasteter Etiketten-Schwindler aus Herne ist trotz eines erneuten Zwischenfalls auch in zweiter Instanz vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen worden. Die 15. Berufungskammer am Bochumer Landgericht entschied am Ende im Zweifel für den Angeklagten – die Staatsanwaltschaft zeigte dafür überhaupt kein Verständnis.

Der Herner war im Sommer 2023 dem Filialleiter einer Baumarktkette in Bochum an der Kasse bei einem verdächtigen Kabel-Kauf aufgefallen. Der Marktleiter war nach eigenen Angaben sensibilisiert, weil in seinem Geschäft zuvor ein hoher Fehlbestand bei besonders hochwertigem Kabel aufgefallen war. „Es fehlten über 40 Meter auf der Rolle“, erinnerte sich der 36-jährige Zeuge vor Gericht. Von daher habe er von der Info-Theke aus immer mal wieder einen Blick in Richtung Kasse geworfen. Dass der Herner meterweise von exakt dieser Kabelsorte einkaufte, vor Verlassen des Geschäfts von der Kassiererin auf seinen 50-Euro-Schein aber sogar noch Geld zurückbekam, war dem Marktleiter verdächtig vorgekommen: „Die Kabel hätten mindestens 80 Euro kosten müssen.“

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Der Baummarktchef sprintete damals zur Kasse, prüfte und bemerkte, dass eine viel billigere Sorte Kabel im Kassensystem eingebucht worden war und eilte dem Kunden hinterher. Mit der Reaktion des Herners auf seine Konfrontation, dass auf der Ware falsche Etiketten klebten, hätte er aber kaum gerechnet. „Der hat überhaupt nicht dagegengehalten. Er hat dann sofort den normalen Preis in bar bezahlt“, erinnerte sich der Zeuge. Nichtsdestotrotz habe einer seiner Mitarbeiter sich im Anschluss auf dem Parkplatz noch das Autokennzeichen des Herners notiert und dadurch später eine namentliche Erfassung möglich gemacht. Angesichts des massiven Kabel-Fehlbestands habe man sich später für eine Strafanzeige entschieden, so der Filialleiter.

Polizeiliche Ermittlungen hatten später ergeben, dass der Lagerist aus Herne bereits einige Zeit zuvor in einem Baumarkt in Remscheid auf ähnliche Weise aufgefallen war. Dort war der Angeklagte von einer Kassiererin sogar dabei beobachtet worden, wie er auf zwei Elektroleuchten zum ausgeschilderten Preis von 114,99 Euro die Etiketten mit einem Aufdruck „19,99 Euro“ überklebt hatte. Im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchung fanden sich schließlich in seinem Portemonnaie sogar zahlreiche passende Baumarkt-Etiketten.

Staatsanwalt zeigt für den Freispruch kein Verständnis

Nachdem das Herner Amtsgericht im November 2023 den Lageristen in dem Kabel-Fall aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen hatte, war die Staatsanwaltschaft in Berufung gegangen. Oberstaatsanwalt Marko Schenkewitz zeigte für einen Freispruch in diesem Fall nicht das geringste Verständnis.

„Solche Zufälle gibt es nicht.“

Marko Schenkewitz
Oberstaatsanwalt

„Es besteht doch wirklich kein vernünftiger Zweifel, dass der Angeklagte das Etikett überklebt hat“, argumentierte der Ankläger. Zugegeben, der Herner sei beim Etikettenkleben nicht beobachtet worden. Aber es sei doch mehr als abwegig und lebensfremd, dass ein „unbekannter Dritter“ die Etiketten in dem Baumarkt erst überklebt, mit dem Kauf jedoch abgewartet hat und dann ausgerechnet der Angeklagte als unbedarfter Kunde in diese zeitliche Lücke gestoßen sei. Zumal der Herner gerade in Sachen Etikettenschwindel auch kein unbeschriebenes Blatt sei. „Solche Zufälle gibt es nicht“, legte sich der Oberstaatsanwalt fest. Der Zweifelsgrundsatz „In Dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten) sei fraglos eines der größten Schutzschilder unseres Rechtsstaates, so Schenkewitz. Wer jedoch in diesem Fall an Zufälle glaube, der überspanne den Zweifelsgrundsatz.  

Doch auch die Berufungskammer am Bochumer Landgericht beurteilte die Beweislage für eine Verteilung des Herners wegen Urkundenfälschung am Ende als nicht ausreichend. „Es spricht zwar sehr viel dafür, dass der Angeklagte die Etiketten auf die Kabel geklebt hat, aber letztendlich verbleiben Zweifel“, hieß es in der Begründung für die Bestätigung des erstinstanzlichen Freispruchs. Schlusswort von Richterin Christine Katzer: „Wenn er es gewesen ist, dann hat er Glück gehabt.“