Herne. Gamze Küçük aus Herne hat eine Ausbildung zur Pflegefachfrau im EvK begonnen - mit 39 Jahren. „Man ist nie zu alt, um noch mal neu anzufangen“, sagt sie.

„Ich bin hier wirklich endlich glücklich“, sagt Gamze Küçük und strahlt. Behutsam wechselt die 39-Jährige den Verband einer Magen-Sonde. Nicht an einem echten Patienten, sondern an einer Pflegepuppe. Die Hernerin macht eine Ausbildung zur Pflegefachfrau – und das noch mit 39 Jahren. Denn bis die dreifache Mutter aus Horsthausen ihre berufliche Erfüllung endlich in der Pflege finden konnte, war es ein langer und steiniger Weg. 24 Jahre brauchte Gamze Küçük, um endlich sagen zu können: „Das macht mir endlich Spaß!“ Man sei nie zu alt, um sich noch mal neu zu orientieren, so die Hernerin.

Die persönliche und auch berufliche Laufbahn der Auszubildenden ist lang: Noch während der 10. Klasse verliebte sich Küçük in ihren späteren Ehemann. Nach ihrem Abschluss an der Gesamtschule Mont-Cenis in Sodingen heirateten sie. Danach fing sie eine Ausbildung zur Friseurin im damaligen „Petras Haarstübchen“ in Horsthausen an. Kurz darauf wurde die damals 17-Jährige schwanger - das vorzeitige Aus für ihre Berufslaufbahn. Arbeiten gehen sollte die Hernerin so lange nicht, bis die Kinder alt genug sind, so ihr Ehemann damals. Nach der Geburt ihrer ersten Tochter kam vier Jahre später die zweite Tochter zur Welt, noch mal vier Jahre später ihr Sohn. Nachdem die Familienplanung für die Hernerin abgeschlossen war, wollte sie zügig wieder arbeiten. So fing sie als Aushilfe bei Edeka in Horsthausen an, da sie zu dem Zeitpunkt keine abgeschlossene Berufsausbildung hatte.

„Ich finde, die Pflege ist super“, so die Hernerin

Innerhalb von drei Jahren hat sie sich zur Vollzeitkraft hochgearbeitet. Ihr Chef habe ihr viele Möglichkeiten zur Weiterbildung gegeben, die sie stets absolvierte. Sei es die Social-Media-Vermarktung des Supermarkts oder einen Sachkundenachweis zu freiverkäuflichen Arzneimitteln. „Meine Richtung war eigentlich der Einzelhandel, dass ich Betriebswirt werde und irgendwann mal selbstständig werden kann“, sagt Küçük. Sie habe es im Markt soweit geschafft, dass sich ihr Vorgesetzter Küçük als Filialleitung vorstellen konnte. Als ihr Chef in Rente ging, reichte sie jedoch zeitgleich die Kündigung ein. Sie habe damals gesagt: „Wenn er nicht da ist, mache ich auch nicht mehr weiter.“ Sie erzählt weiter: „Er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich war so schüchtern, hatte keine Erfahrung im Berufsleben. Mein Chef hat mich aufgebaut.“

Danach wollte die dreifache Mutter beim Wohnzentrum „Zurbrüggen“ im vorherigen Jahr in die Ausbildung starten. Eine Woche vor Beginn warf sie alle Pläne über Bord und habe innerhalb von fünf Tagen die Papiere zur Servicekraft im Evangelischen Krankenhaus (EvK) in Herne unterschrieben. Hier habe sie kleine Hilfeleistungen für Privatpatienten übernommen. Daraus ergab sich dann auch die Pflegeausbildung. Eine Stationsleitung habe sie dazu ermutigt im März diesen Jahres mit der Ausbildung zu starten. „Das hat mich alles so interessiert, weil meine ältere Tochter auch in der Pflege arbeitet und meine mittlere Tochter Medizinische Fachangestellte lernt.“ Ihre Schwester sei auch gelernte Medizinische Fachangestellte. Schon im Schülerpraktikum sammelte Gamze Küçük Erfahrung im Gesundheitswesen. In der Kronen-Apotheke von Ulrike Meyer konnte sie schon früh einen Eindruck in die Branche bekommen. „Leute reden immer, dass die Pflege nicht gut oder zu anstrengend sei. Ich finde, die Pflege ist super. Man muss das mit Herzen machen.“

Die Herner Auszubildende ist mit Herzblut bei der Arbeit und lernt in der Zentralen Pflegefachschule im EvK gerne dazu.
Die Herner Auszubildende ist mit Herzblut bei der Arbeit und lernt in der Zentralen Pflegefachschule im EvK gerne dazu. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Vor Intimpflege und Inkontinenzhosen hatte die Hernerin anfangs Respekt

Bevor Gamze Küçük in die Ausbildung startete, bekam sie Gegenwind. „In diesem Alter macht man doch keine Ausbildung mehr“, hörte sie oft. Die 39-Jährige redete sich jedoch gut zu: „Wer will, der schafft das auch!“ „Es ist nie zu spät, noch mal etwas Neues anzufangen.“ Und: „Ich freue mich jedes Mal, wenn ich auf Station bin und etwas Neues lerne. Ich liebe es, alte Menschen zu unterstützen, vor allem kranke. Ich mache das total gerne“, berichtet sie und strahlt. Die Ausbildung mache ihr Spaß, besonders der schulische Teil hat es ihr angetan. In der Ausbildung beim EvK gehe es mit guten sechs Wochen Blockunterricht los, danach erfolge der erste Einsatz auf einer Station für ebenfalls sechs Wochen. Im Anschluss und auch nach der Probezeit wechseln sich Praxis und Blockunterricht ab. Das gefällt der Azubine besonders gern, weil sie das Gelernte dann unmittelbar auf der Station umsetzen kann. „Die Lehrer machen einem das Lernen auch wirklich einfach. Die sind super“, schildert sie. In der Schule räume sie eine Eins nach der anderen ab, so die Horsthausenerin.

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Wenn man den Ausführungen der Auszubildenden so folgt, könnte man zu dem Schluss kommen, dass ihr die Ausbildung ganz einfach von der Hand geht. Doch auch sie hatte anfangs Zweifel. Besonders, was die Intimpflege und Körperpflege angeht. „Da hatte ich große Bedenken“, gibt sie zu. „Doch wenn man das alles so macht, wie es einem in der Schule gezeigt wird und man das als Arbeit sieht, dann ist das nicht schlimm“, so Gamze Küçük. „Ich habe es überwunden“, fügt sie lachend hinzu. Auch das Wechseln der Inkontinenzhosen hat sie Anfangs vor ein Rätsel gestellt.

Ihre drei Kinder sind stolz auf ihre Mutter

Die Mutter von drei Kinder weiß gut, wie man Windeln bei Babys und Kleinkindern wechselt: Man nimmt die Beine nach oben. Wie macht man das bei erwachsenen Menschen?, fragte sie sich. Ganz einfach: Man dreht sie zur Seite. Hinzu kommt, dass die Auszubildende beim Start 24 Jahre lang keine Schule mehr besucht hat. Die neue Technik und die Digitalisierung hätten ihr einiges abverlangt. Dabei konnte sie aber auf die Hilfe ihres 14-jährigen Sohnes vertrauen. „Meine Kinder sind besonders stolz auf mich“, sagt sie.

Sie findet es schade, dass der Ruf des Pflegeberufs bei den Jugendlichen eher schlecht sei. „Die Pflege ist super! Das ist eine top Ausbildung, bei der man sich in verschiedene Richtungen weiterbilden kann. Man kann danach auch Medizin studieren“, erklärt sie. Menschen Ende 30 oder Anfang 40 möchte Gamze Küçük mitgeben: „Man ist nie zu alt!“