Herne. Eltern einer Herner Schule sind wütend: Am neuen Standort gehe es drunter und drüber, kritisieren sie. Was Stadt und Schulaufsicht sagen.
In Herne schlagen Eltern der Förderschule Forellstraße Alarm: Seit dem Umzug ins Kaiserquartier zu Beginn dieses Schuljahres gehe es an der Schule drunter und drüber. Von geregeltem Tagesablauf keine Spur, Ausfall von Unterricht und Fördermaßnahmen im großen Stil - so lauten nur zwei der vielen Vorwürfe. Außerdem gebe es noch gar keinen Schulhof, und viele Schulräume, darunter die Mensa, stünden nicht zur Verfügung. „Die Situation hat bei vielen Kindern zu Krisen geführt“, sagt Schulpflegschaftsvorsitzende Sanja Reinke zur WAZ. Ängste, ja psychologische Störungen seien die Folge. Auch viele Eltern seien bedient: Weil sie sich am Nachmittag nun um ihre Kinder kümmern müssten, könnten sie nicht arbeiten gehen. „Existenzgefährdend“ sei das für viele Familien.
Zum Hintergrund: Die Förderschule am Schwalbenweg ist nach den Sommerferien in die Neue Mitte Baukau gezogen und nennt sich jetzt Förderschule Forellstraße. In zwei Gebäuden im künftigen Geschäftszentrum Kaiserquartier, das Ende September öffnen soll, ist die Schule untergebracht. Der Schulhof soll über den Geschäften - dazu gehören Aldi, Drogeriemarkt DM und Edeka - auf einem Teil der Dachterrasse entstehen. Glaubt man den Eltern, die sich an die WAZ gewandt haben, dann ist noch längst nicht alles fertig. „Die Kinder wurden auf eine Baustelle gesetzt“, klagt Susanne Kristionat, eine Klassenpflegschaftsvorsitzende.
Herne: Schulzeit wurde eingeschränkt
Siehe Schulhof: Der sei nicht fertig, deshalb müssten die Kinder auch in den Pausen immer in den Klassenräumen bleiben. Zudem müssten die Fenster den ganzen Tag über geschlossen bleiben, wegen des ständigen Baulärms im Quartier. Das sei gerade während der vergangenen Hitzetage schlimm gewesen. Darüber hinaus, ergänzt die Schulpflegschaftsvorsitzende, seien Mensa, Bewegungs- und Therapieräume, Hauswirtschafts- und Werkräume zum Teil noch nicht nutzbar. „Es gibt also kein Mittagessen, Therapien sind ausgefallen“, kritisiert sie, „Bewegungsangebote können nicht stattfinden.“ Und: „Sämtliche weiteren schulischen Angebote wie Musik, Sport, Werken ruhen.“
Zudem sei die Schulzeit eingekürzt worden, sagt Angelika Wilk, eine weitere Klassenpflegschaftsvorsitzende. Der Unterricht an der gebundenen, also verpflichtenden Ganztagsschule schließt an vier Tagen um 15.30 Uhr - aber nur in der Theorie. Aktuell sei immer um 12.15 Uhr Schluss. Folge: „Eine zuverlässige Planung für die Berufstätigkeit der Eltern ist nicht mehr machbar.“ Zwar gebe es eine Notbetreuung, aber Platz gebe es dort nur für einige wenige Kinder. Und überhaupt: Eine Notbetreuung sei, wie der Name schon sage, nur für den Notfall da, nicht aber als Dauerlösung. Eine dauerhafte Notbetreuung sei gerade Förderschülerinnen und -schülern nicht zuzumuten.
Kurzum: „In der Summe findet keine angemessene Förderung unserer Kinder mehr statt“, so Schulpflegschaftsvorsitzende Reinke. Alles, was eine Förderschule leisten soll, falle wegen massiver Schulausfälle aus. Das habe „enorm negative Auswirkungen“ auf die geistige, motorische, soziale und emotionale Entwicklung der Kinder. „Gerade da, wo Struktur und Stabilität eine elementare Bedeutung hat, findet Chaos, Umbruch und eine permanente Destabilisierung statt“, so die Schulpflegschaftsvorsitzende. Schuld an der Misere, fügt sie an, seien nicht die Schule oder die verbliebenen Lehrerinnen und Lehrer, sondern: Stadt, Schulaufsicht und Bezirksregierung. Die Verantwortlichen ließen Eltern und Kinder im Regen stehen: „Wir haben einfach keine Lobby.“
Das sagen Stadt Herne, Schule und Schulaufsicht
Stadt Herne, Schule und Schulaufsicht reagieren nach Anfrage der WAZ in einer gemeinsamen Stellungnahme auf die Vorwürfe der Eltern. „Die anfänglichen Schwierigkeiten befinden sich alle im Rahmen eines normalen Standortwechsels“, heißt es da. Auch andere Schulen hätten nach einem Standortwechsel ähnliche Erfahrungen gesammelt. „Seit dem Beschluss zum Umzug der Förderschule wird täglich mit Hochdruck an der Problembeseitigung gearbeitet, teilweise sogar mit Nachtschichten“, heißt es weiter. Und: Die gegenwärtigen und üblichen Herausforderungen in Zusammenhang mit dem Start im Kaiserquartier würden in den kommenden Tagen und Wochen behoben.
Zu den Baumaßnahmen: Das Schulgebäude sei „baulich fertiggestellt“. Behoben werden müssten aber noch „erforderliche Nachbesserungen“. Dabei dienten die Herbstferien als „endgültiges Zeitziel“. Alle fehlenden Räume, darunter Fachräume, sollen anschließend zur Verfügung stehen, auch die Mensa. Zu Letzterer: Aktuell werde dort nur das Frühstück eingenommen. „Die schrittweise Erhöhung der Essenszeiten wird forciert.“ Noch nicht fertiggestellt sei in der Tat auch der Schulhof. Grund seien verspätete Lieferungen der Spielgeräte und Lieferschwierigkeiten beim Fallschutz. „Die Arbeiten gehen jedoch zügig voran.“ Alternativ würden „andere kompensatorische Mittel“ genutzt, um Kindern bewegungspädagogische Angebote anzubieten. Auch stehe ein provisorischer Schulhof zur Verfügung.
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Auch noch nicht fertig sei der Bewegungsraum, der aber „in Kürze“ vollständig zur Verfügung stehe, heißt es in der Stellungnahme weiter. Ebenfalls in Kürze soll auch der Sportunterricht wieder stattfinden. Das Fußballtraining und der Eislaufunterricht wiederum sollen ab der 38. Kalenderwoche, also jetzt ab 16. September, wieder stattfinden. Und: „Der Schwimmunterricht ist ebenfalls in Planung.“ Die Therapie- und Musikräume würden dagegen bereits genutzt, die Kritik der Eltern in diesem Punkt sei also nicht zutreffend.
Zur Unterrichtskürzung: Diese sei schon im letzten Schuljahr tageweise erfolgt, räumen die Verantwortlichen ein. Grund seien langfristige Erkrankungen und ein Lehrkräftemangel. Eine eingerichtete Notbetreuungsgruppe ermögliche es Eltern, die berufstätig sind, aber, ihre Kinder an vier Tagen pro Woche bis 15.15 Uhr durch Fachkräfte betreuen zu lassen. „Unterrichtsausfälle werden rechtzeitig kommuniziert, Klassen blieben reihum an einem Tag zu Hause, um den Unterricht für die verbliebenden Klassen zu sichern“, heißt es weiter.
Zum Personalmangel: „Die zuständige Schulaufsicht stellte bereits in der Vergangenheit und stellt auch aktuell Stellen zur Neueinstellung und zur Beschäftigung von Vertretungslehrkräften zur Verfügung. Darüber hinaus wurde dem Lehrkräftemangel durch Abordnung von Lehrkräften für Sonderpädagogik von anderen Förderschulen begegnet. Diese und auch andere Maßnahmen werden aktuell sowie auch zukünftig weiterhin vollzogen.“