Herne. Der Herner Heitkamp-Chef warnt nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden: „Unsere Brücken sind nicht besser als in Dresden – im Gegenteil.“

Wie steht es um die Sicherheit der Brücken in Deutschland? Nach dem plötzlichen Einsturz der Dresdener Carolabrücke warnt der Chef des Herner Bauunternehmens Heitkamp: „Dresden kann auch Herne sein – oder Essen oder Dortmund oder überall in Deutschland.“ Die Infrastruktur werde in Deutschland seit Jahren auf Verschleiß gefahren, beklagt Jörg Kranz. „Dass sowas passieren musste, war klar.“ Zwar gebe es in Herne keine Elbe und die Brücken hier hätten andere Spannweiten als die 375 Meter lange Carolabrücke, aber dennoch betont der Heitkamp-Chef: „Unsere Brücken sind nicht besser als in Dresden – im Gegenteil.“

Jörg Kranz, Geschäftsführer des Bauunternehmens Heitkamp aus Herne, warnt: Ein Brückeneinsturz wie in Dresden könnte auch Herne, Essen oder Dortmund treffen.
Jörg Kranz, Geschäftsführer des Bauunternehmens Heitkamp aus Herne, warnt: Ein Brückeneinsturz wie in Dresden könnte auch Herne, Essen oder Dortmund treffen. © FUNKE Foto Services | Lukas Schulze

Wer mit offenen Augen durch Herne gehe, sehe den Sanierungsstau, sagt Kranz, dessen Firma regelmäßig im Brückenbau aktiv ist, in Hagen unter anderem die erste „Lego-Brücke“ baute. Ihm fielen auf Anhieb fünf oder sechs Brücken ein, die dringend saniert oder erneuert werden müssten. Benennen möchte er sie nicht, sagt aber: „Wenn man unter der Brücke hergeht, sieht man, dass der Beton bröselt, dass dort Risse sind, dass die Beschichtung teilweise nicht mehr vernünftig auf den Bauwerken aufgebracht ist. Wenn der Stahl schon rausschaut, wird es langsam kritisch.“

Das sei aber ein flächendeckendes Problem und in Duisburg oder Gelsenkirchen sei die Situation nicht besser. „Hier muss allgemein was passieren.“ Nach der Maueröffnung sei sehr viel Geld in die östlichen Bundesländer geflossen. Das sei auch gut so. „Da ist die Infrastruktur schon ein deutliches Stück besser als hier in den westlichen Bundesländern“, so Kranz.

Brückenabriss Kreuz Herne
Ende Mai wurde die Eisenbahnbrücke über die A43 im Kreuz Herne abgerissen. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Es nutze nichts, wenn in der Politik im Nachhinein in Untersuchungsausschüssen die Schuld gesucht werde, wie beim Desaster um die Rahmedetalbrücke und parallel in Berlin schon wieder diskutiert werde, die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur zu reduzieren, wie es gerade der Fall sei. Das sei das große Problem im Moment.

Heitkamp-Chef aus Herne: „Viele Brücken sind an ihre Grenzen geraten“

„Ich denke, dass die Brücken im Zuge der Autobahnen und auch der Bundesstraßen schon sehr stark im Fokus sind und auch regelmäßig kontrolliert werden und rechtzeitig aus dem Betrieb genommen werden“, sagt der Heitkamp-Inhaber. Als Beispiele nennt er die Rahmedetalbrücke oder auch die A43-Brücke, die derzeit für den Lkw-Verkehr gesperrt ist. „Ich glaube, in Deutschland haben wir ein gutes System.“

Dennoch müsse man auch sagen: „Viele Brücken sind an ihre Grenzen geraten, weil nicht genug Geld investiert wurde für Sanierung, für Ertüchtigung oder auch für Neubau.“ Und weiter: „Wir haben heute ganz andere Verkehrsbelastungszahlen, die auf die Brücken kommen, im Verhältnis zu dem, wie Brücken mal geplant wurden.“ Davor verschließe die Politik die Augen. „Was wir der Verkehrsinfrastruktur antun, das ist nicht gut für die Wirtschaft und die Menschen, die hier leben“, so Kranz.

Eine Schrankenanlage hindert zu schwere Lkw auf der A43 in Herne an der Weiterfahrt.
Eine Schrankenanlage hindert zu schwere Lkw auf der A43 in Herne an der Weiterfahrt. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Anders als bei Autobahnen und Bundesstraßen habe er mit Blick auf die Kontrollen bei den Straßen im Stadtgebiet mehr Bedenken: „Im kommunalen Bereich habe ich nicht den Überblick und das Gefühl, dass Brücken dort wirklich auch so regelmäßig kontrolliert werden, wie es denn sein müsste. Vielfach fehlen den Kommunen die Ingenieure zur Prüfung“, fürchtet der Fachmann. „Ich könnte mir vorstellen, dass es da schon etwas schwieriger ist.“ Der Heitkamp-Chef kommt zu dem Schluss: „Wenn man sich die Brücken nicht nur in Herne, sondern in allen Ruhrgebietsstädten anschaut, schaut man lieber nicht genau hin.“

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Speziell in Herne gebe es Brücken, da redeten sie seit Jahren darüber, dass Ersatz neugebaut werden müsse, betont Kranz. Beispiele möchte er nicht nennen, da es vertrauliche Gespräche seien. Das sei aber kein Thema alleine für die Stadt Herne, sondern treffe in gleicher Weise in anderen Städten, in Essen, Dortmund oder Gelsenkirchen zu, betont er immer wieder. Es gebe derzeit mehrere Fälle in der Region, wo erkannt wurde, dass etwas im Argen ist. Als Beispiele nennt er die A43-Brücke in Herne und die A42-Brücke bei Essen, die für den Lkw-Verkehr gesperrt sind. Die Schlachthofbrücke in Bochum werde derzeit erneuert. „Das ist ein eindeutiges Zeichen, da können wir doch nicht weggucken!“

Es ist ein deutschlandweites Problem, das auch vor Herne nicht Halt mache. Und die Situation werde in Zukunft noch schlimmer, fürchtet der Heitkamp-Chef. Denn die Brücken würden immer älter und die Verkehrsbelastung eher auch noch höher. „Das halten die Brücken nicht mehr aus. Dafür waren sie nicht geplant“, mahnt er. „Dresden war ein wichtiges Signal, bei dem zum Glück niemandem etwas passiert ist.“