Herne. Im Herner Lidl-Lager tobt seit einiger Zeit eine Auseinandersetzung zwischen dem Unternehmen und Betriebsräten. Nun erlitt Lidl eine Schlappe.

Der Alarm, den die Gewerkschaft Verdi im Frühjahr schlug, ließ aufhorchen. Im Herner Lidl-Zentrallager an der Südstraße herrsche ein Klima der Angst, die Belegschaft werde eingeschüchtert, der Betriebsrat drangsaliert und mit Kündigungen überzogen. Doch nun hat das Unternehmen eine Schlappe vor Gericht erlitten.

Schon das Herner Arbeitsgericht kassierte die Kündigung ein

Der Hintergrund: Lidl hatte bereits im Jahr 2022 dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden außerordentlich gekündigt. Der zog dagegen vor das Arbeitsgericht in Herne und bekam Recht. Das wollte das Unternehmen nicht akzeptieren und legte am Landesarbeitsgericht in Hamm Beschwerde ein. Doch die wurde vor wenigen Wochen zurückgewiesen. Auch eine Revision wurde ausgeschlossen. Eine ausführliche Begründung liegt noch nicht vor.

Für den Betriebsratsvorsitzenden ist dies allerdings ein bitterer Sieg. Der Grund: Aufgrund der veränderten Mehrheitsverhältnisse im Betriebsrat ist er vor wenigen zunächst als Vorsitzender abgewählt worden, kurze Zeit später entschied das Herner Arbeitsgericht, dass er ganz aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden darf. Der Richter sah bei der Einladung und der Durchführung einer bestimmten Betriebsratssitzung einen groben Pflichtverstoß, der den Ausschluss aus dem Gremium rechtfertige. Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende hat angekündigt, gegen dieses Urteil vorzugehen.

Verdi-Sekretär: Es herrscht ein Klima der Angst

So dürften wohl noch weitere Kapitel in einer unschönen Geschichte folgen, die nach den Worten des zuständigen Verdi-Gewerkschaftssekretärs Azad Tarhan begonnen hat, als ein neuer Betriebsleiter vor einiger Zeit die Regie im Zentrallager übernommen hat. Seitdem habe sich die Lage und die Stimmung dramatisch verschlechtert, es herrsche ein Klima der Angst, Mitarbeiter würden eingeschüchtert. Das könne damit anfangen, dass man nicht mehr gegrüßt werde, wenn man Dinge hinterfrage und nicht „spure“.

Längst zieht sich ein tiefer Riss durch die Belegschaft - die eine Hälfte steht auf der Seite des Arbeitgebers und hat den Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht vorangetrieben. Die andere Hälfte steht nach wie vor hinter dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden. Mehrerer Mitarbeiter hatten vor dessen Abwahl gefürchtet, dass es ihnen danach nicht gut gehen werde. Wenn man Probleme habe, könne man sich nicht mehr an den Betriebsrat wenden.

Mehrere tausend Menschen unterzeichnen Online-Petition für Betriebsratsvorsitzenden

Zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sagt Tarhan: „Das bestätigt unsere Sicht auf die Vorgänge im Lidl-Lager: Beschwerden, Abmahnungen und Kündigungen gegen Betriebsratsmitglieder oder Versetzungen in unliebsame Schichten oder Abteilungen dienen einzig dem Zweck, die Kolleginnen und Kollegen mürbe zu machen.“ Solches Vorgehen werde als Union-Busting bezeichnet, was nichts anderes meine als die systematische Bekämpfung von kritischen Betriebsräten und Gewerkschaften. „Dass die Kündigung des Betriebsratsmitglieds damit für null und nichtig erklärt wurde, ist ein großer Erfolg. Voraussichtlich wird der Arbeitgeber allerdings neue Kündigungsgründe erfinden. Das zeigt, wie wichtig es ist, eine starke Gewerkschaft im Rücken zu haben. Wir stehen an der Seite der Kolleginnen und Kollegen und beraten in solchen Fällen.“

Der Verdi-Sekretär hatte im Frühjahr mit einer Online-Petition versucht, Druck auf das Unternehmen aufzubauen. Mehrere tausend Menschen haben die Petition unterschrieben, doch eine erkennbare Reaktion von Lidl blieb bislang aus.

Auf Nachfrage der Herner WAZ-Redaktion hatte Lidl bereits zu einem früheren Zeitpunkt erklärt. „Wir dürfen Ihnen versichern, dass uns eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsratsgremium wichtig ist. Die von Ihnen geschilderten Behauptungen entsprechen nicht unseren Grundsätzen.“ Ansonsten äußere man sich grundsätzlich nicht zu internen Personalangelegenheiten.

Unterstützung von Günter Wallraff

Der Betriebsratsvorsitzende hat in der Auseinandersetzung prominente Unterstützung erhalten - von Enthüllungsjournalist Günter Wallraff. „Ich stehe auf Eurer Seite“, schrieb Wallraff. Und weiter: „Ich stehe auf Eurer Seite und fordere die Konzernspitze auf, endlich die grundlegenden demokratischen Rechte der Beschäftigten zu respektieren.“ Wallraff fügt an: „Schluss mit dem Bossing im Lager Herne!“ Und: „Lassen Sie die gewählten Belegschaftsvertreter ihre Arbeit machen! Beenden Sie die Attacken gegen die Gewerkschaftsvertreter durch Ihren örtlichen Geschäftsführer!“