Herne. Als Schulleiterin in Wanne-Eickel versuchte Katharina Rodermund neun Jahre lang, etwas zu bewegen. Doch dabei stieß sie an viele Grenzen.

Sie hat für ihre Schule gekämpft und ist nicht müde geworden, auf die mangelhaften Bedingungen an der Gesamtschule Wanne-Eickel hinzuweisen. Nach neun Jahren als Schulleiterin geht Katharina Rodermund nun in den Ruhestand. Der Stadt gibt sie mit auf den Weg, dass es in Herne zu wenig Hauptschulen und zu viele Gymnasien gebe.

Die Zeit an der Gesamtschule Wanne-Eickel hatte sich Katharina Rodermund anders vorgestellt. Das gibt sie offen und ehrlich zu. So wie sie in all den Jahren nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Als die Essenerin 2015 von einer Gesamtschule in ihrer Heimatstadt nach Herne wechselt, stößt sie schnell vor allem auf ein großes Problem: „In Essen mussten wir nicht so viele Realschüler und Gymnasiasten in der 7. Klasse aufnehmen.“ Diese Abschulungen führten dazu, dass sie zur Klasse 7 eine Mehrklasse bilden und dafür auch alle bestehenden Klassen durchmischen und neu aufteilen musste. „Ich habe damals nein gesagt, dass das nicht gehe.“ Ihr sei aber von der Stadt gesagt worden, sie müsse. „Das hat mich schon erschüttert und enttäuscht.“

Das Hauptproblem sei für sie in Herne, dass es nur eine Hauptschule gebe, aber fünf Gymnasien. „Die Gymnasien müssen wegen des Elternwillens die Kinder aufnehmen und geben sie dann nach zwei Jahren wieder ab“, so Rodermund. Die Gesamtschulen müssten dann einspringen und die Schulformwechsler aufnehmen – obwohl sie eigentlich schon voll sind. „Ich wäre dafür, Gymnasien in Gesamtschulen umzuwandeln“, sagt Rodermund.

+++ Lesen Sie auch: Was Kinder für den Wechsel aufs Gymnasium mitbringen sollten +++

Die Stadt überlege ja bereits, eine weitere Gesamtschule zu gründen, habe aber Probleme dabei, ein geeignetes Grundstück oder eine Immobilie für eine weitere Schule zu finden. Dies könne gelöst werden, wenn die Schulform geändert werde. „Zwei oder drei Gymnasien sind sicherlich notwendig“, sagt die Gesamtschulleiterin, mehr aber nicht. Denn für viele Kinder, die sich an einem Gymnasium anmeldeten, sei dies nicht die richtige Schulform. An der Gesamtschule gebe es bessere Strukturen, die Kinder zu fördern, und diese könnten durchgehend an der Schule bleiben und hätten die Option des Abiturs.

Sie würde sich aber eine bessere Ausstattung wünschen. „Als Gesamtschulen kommen wir in Herne als Letztes dran bei der digitalen Ausstattung“, beklagt sie. „Im gesamten Regierungsbezirk Arnsberg sind die Schulen besser ausgestaltet.“ In zwei Jahren sollten die Zentralen Prüfungen nur noch digital durchgeführt werden. „Das macht ja auch Sinn, aber dazu wären wir gar nicht in der Lage“, so Rodermund.

Im April 2015 wechselte Katharina Rodermund von Essen nach Wanne-Eickel an die Gesamtschule.
Im April 2015 wechselte Katharina Rodermund von Essen nach Wanne-Eickel an die Gesamtschule. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

„Es war eigentlich immer schwierig“, resümiert die Schulleiterin die vergangenen neun Jahre. „Das große Problem ist unser Raummangel bei der gleichzeitigen Zunahme der Herausforderungen.“ Damit meine sie zum einen das „Gemeinsame Lernen“. Pro Jahrgang seien rund 18 Förderschüler in den Klassen integriert. „Aber wir haben keine Räume für die Ausdifferenzierung“, klagt Rodermund. Container, für die sie jahrelang gekämpft hatte, bis sie endlich aufgestellt wurden, würden nun wieder abgeholt, sagt sie kopfschüttelnd. Zudem gebe es nicht genug Förder- und Fachlehrer.

Neben der Inklusion erschwere aber auch die Integration einer steigenden Zahl von Flüchtlingskindern die Unterrichtssituation. Wenn 30 Kinder in einer Klasse seien, von denen drei Förderschüler und zwei bis vier Zugewanderte mit Deutschproblemen seien, stelle das die Lehrer vor besondere Herausforderungen. „Für die Menge an Schülern, die wir hier versorgen müssen, reichen die Ressourcen nicht aus“, so ihr Fazit. „Ich habe erkannt, dass in dieser Stadt die Grundprinzipien der Arbeitsweisen von Gesamtschulen nicht präsent waren.“ Und so seien die Bedingungen nicht geschaffen worden, die Gesamtschulen benötigten, um gut zu arbeiten.

Ein Highlight: Das 40-jährige Bestehen der Schule 2019

Als Brennpunktschule möchte Katharina Rodermund die Gesamtschule Wanne aber nicht bezeichnen. „Sie ist eine typische Stadtteilschule im Ruhrgebiet.“ Und im Ruhrgebiet sei sie zu Hause. Als positives Highlight ihrer Zeit an der Stöckstraße bleibe ihr das Jubiläumsjahr 2019 in Erinnerung, als die Gesamtschule Wanne-Eickel ihr 40-Jähriges feierte und es ein großes Schulfest gab. Eigentlich sollte dieses im Zwei-Jahres-Rhythmus wiederholt werden, aber dann kam die Corona-Pandemie. Ausnahmezustand. „Den Distanzunterricht zu organisieren, war schon eine Herausforderung“, sagt sie nun. „Die Nachwirkungen der Pandemie haben wir bis ins letzte Jahr hinein noch gespürt.“

Aber, davon geht Katharina Rodermund aus: „Der Tiefpunkt ist durchschritten.“ So langsam sei die Schule digital gut aufgestellt, das Gemeinsame Lernen sei in allen Jahrgängen etabliert und die Strukturen für die Förderung aufgebaut. Sie hätten nun auch Erfahrungen mit Flüchtlingen, mit Sprachkursen und es sei eine Grundstruktur vorhanden, auf die zurückgegriffen werden könne. Zudem arbeite die Schule an einem Schutzkonzept für alle Schülerinnen und Schüler.

Schule in Herne - Lesen Sie auch:

Schule müsse sich in Zukunft grundsätzlich ändern, sagt die erfahrene Pädagogin, die die Fächer Sport, Französisch und Deutsch unterrichtete. Lehrer müssten sich mehr die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler ansehen und darauf reagieren. Sie seien mit zunehmender Digitalisierung eher Lernbegleiter. Die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler bekomme dabei einen größeren Stellenwert. Noch sehe sie aber bei den Verantwortlichen nicht den Willen, das Schulsystem grundlegend zu überarbeiten. „Ich glaube aber nicht, dass wir auf Dauer so mit Schule weiterkommen.“

Sie selbst wird diesen Prozess künftig nur noch von außen beobachten. Die 64-Jährige freue sich darauf, künftig mehr Zeit mit ihren zwei Enkelkindern verbringen zu können. Mit ihrem Mann möchte sie reisen – zunächst nach Norwegen. Und ansonsten wolle sie erstmal eine Weile nichts machen. „Kein Leben im 45-Minuten-Takt, nichts organisieren, nicht mehr um 6 Uhr aufstehen“, sagt Katharina Rodermund mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich habe hier getan, was ich konnte. Und nun freue ich mich auf den Ruhestand.“