Herne. Frische Lebensmittel aus dem alten Bunker. Das ist keine Utopie, sondern in Herne Realität. Wie ein Restaurant ohne Sonne Gemüse und Co. anbaut.
Gemüse direkt von der Farm, ein Stockwerk tiefer in die Küche und auf den Teller der Gäste, das gibt es im alten Bunker in Herne-Sodingen. Im ersten Geschoss des Wohnprojektes „We House“, direkt über dem Restaurant „Kulturküche“ wachsen Tomaten, Basilikum und Mangold unter einer violetten Beleuchtung, komplett ohne Sonnenlicht. Die Bunkerfarm soll das Restaurant mit frischen Kräutern und Gemüse beliefern – so regional wie es nur geht, mit dem womöglich kürzesten Lieferweg.
Vertikale Landwirtschaft in Herne: So funktioniert es
Kräuter und Gemüse, die auf wenigen Quadratmetern, übereinander auf mehreren Etagen angebaut werden und wachsen: Das nennt sich vertikale Landwirtschaft. Beim Indoor-Farming werden die Pflanzen ohne Sonnenlicht, unter künstlichen Bedingungen, in einem geschlossenen Gebäude angebaut. Auch in Herne existiert eine solche vertikale Farm, die eher an ein Szenario in einem Science-Fiction-Film als an Landwirtschaft erinnert.
Die Bunkerfarm habe Anfang Juni auf 75 Quadratmetern eröffnet – bislang in der Testphase, erzählt Kai Debner, Geschäftsführer der Kulturküche. Die Farm befindet sich im ersten Geschoss des Bunkers, direkt über dem Restaurant „Kulturküche“. Die selbst angebauten Salate und Kräuter sollen in dieser frisch weiterverarbeitet werden. Der große Vorteil von Indoor-Farming: mehr Lebensmittel auf weniger Raum – also höhere Erträge. Außerdem werden keine Pestizide benötigt und Wasser eingespart.
+++ Weitere Nachrichten aus Herne - Lesen Sie auch +++
- Känguru neben Hüpfburgen: Ist das legal? Das sagen Tierärzte
- Abkühlung bei 30 Grad: Sommer-Wetter füllt Herner Freibad
- Umfrage: Das sind die beliebtesten Eisdielen in Herne 2024
Aber wie funktioniert das? Drei Komponenten sind für die Indoorfarm wichtig: Beleuchtung, Bewässerung und Klimasteuerung, sprich die optimale Temperatur und Luftfeuchte. Letzteres wird durch einen Filter reguliert, durch den die Luft zirkuliert. Dreimal am Tag werden die Tische geflutet. Über das System werden sie mit Wasser und Nährstoffen in Form einer Düngelösung versorgt. Das Wasser läuft dann zurück und wird später wiederverwendet. Das Sonnenlicht wird durch LED-Lampen ersetzt.
In verschiedenen Zyklen werden die Samen gepflanzt – zunächst auf einer Wollmatte – und die Pflanze mehrere Male umgetopft, sodass regelmäßig geerntet werden kann, wenn die Pflanzen die gewünschte Größe zum Verzehren erreicht haben. Mindestens ein bis zweimal die Woche gucken die Farmer nach, wie es den Pflanzen geht, ob der pH-Wert, die Wasserqualität stimmt. „Wir eignen uns da derzeit eine Routine an“, sagt Kai Debner. Schon nach wenigen Wochen könne geerntet werden.
Herne: Indoor-Farming ist energieintensiv
Der Haken: Indoor-Farming brauche viel Energie für die Klimatisierung und Beleuchtung durch die vielen LED-Lampen. Den Strom für die Bunkerfarm beziehen sie daher vor allem über die hauseigene Photovoltaik-Anlage. Um Energie zu sparen, werde die produzierte Wärme zudem ins Haus weitergeleitet. Ein Kreislauf.
Derzeit befinde sich die Bunkerfarm noch in der Testphase, die seit zwei Wochen laufe. In dieser werde ausprobiert, unter welchen Bedingungen die Pflanzen am besten wachsen: Wie hoch muss die Luftfeuchtigkeit sein? Wie weit müssen die Pflanzen von den LEDs entfernt sein? Wie viel Zeit brauchen die Pflanzen, um zu wachsen? „Wir testen uns da aus“, sagt Luca Welles, stellvertretender Betriebsleiter der Kulturküche. Und das scheint bisher gut zu funktionieren. Der Salat sei innerhalb einer Woche auf eine verzehrfertige Größe gewachsen. In der nächsten Woche soll es in die richtige Phase gehen – und nach und nach die gesamten zwölf Tische bepflanzt werden.
Kulturküche Herne: Bunkerfarm soll Bedarf decken
Langfristig soll der Anbau der Lebensmittel den Bedarf für die Kulturküche decken. Erträge, die überbleiben, werden dann an Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnprojektes „We House“ und an Interessierte verkauft. „Unser Ziel ist es, die Nachbarn mit guten und gesunden Salaten zu versorgen, die sie ohne Bedenken essen können.“ Die Lieferdistanz von wenigen Metern sei unschlagbar.
Bislang werden Tomaten, Basilikum, Salat, Peperoni, Mangold, Kresse und Radieschen angebaut. Auch Obst sei langfristig geplant, aber das sei schwieriger anzubauen als Gemüse und Kräuter. „Schön wäre es, das ganze Jahr über Erdbeeren zu haben“, sagt Luca Welles.
Für eine vertikale Landwirtschaft braucht es nicht nur landwirtschaftliche, sondern auch technische Expertise. Doch vor dem Startschuss im We House hatten die Indoor-Farmer noch keine Berührungspunkte mit dem Anbau von Lebensmitteln. Ihr Wissen haben sie sich in Workshops angeeignet. Begleitet werden sie in dem Prozess für ein Jahr von der Firma Green Hub.
+++ Folgen Sie der WAZ-Lokalredaktion Herne auf Instagram! +++
Die Kosten haben sich schätzungsweise auf 120.000 Euro belaufen. „Wir hoffen, das durch die Kulturküche refinanzieren zu können. Sowas muss man langfristig sehen“, sagt Kai Debner. Die Kulturküche möchte ihren Gästen zudem exklusive Einblicke ermöglichen: Durch Kameras in der Indoor-Farm und ein Monitor im Essbereich der Kulturküche könnte in Echtzeit mitverfolgt werden, was in der Farm passiert.
In der Kulturküche soll es übrigens nicht nur vegane und vegetarische Gerichte geben, sondern auch fleischhaltige, so Debner. Die Priorität sei, dass es sich um eine regionale und gesunde Küche handele. Was nicht selbst in der Bunkerfarm gezogen wird, komme von Bauernhöfen oder Lieferanten im Umkreis.
Auch interessant
Derzeit suche die Kulturküche außerdem nach einem Koch oder einer Köchin, „einen kreativen Kopf, der Spaß am Umgang mit frischen, regionalen Produkten hat“, so Kai Debner.
+++ Lesen Sie mehr Nachrichten aus Herne! +++
„Kulturküche“, Mont-Cenis-Straße 294/Kurt-Edelhagen-Platz, Herne, Telefon/Reservierungen 02323 3689701. Öffnungszeiten: Sonntag und Montag 9-18, Donnerstag, Freitag und Samstag 10-18 Uhr; Dienstag und Mittwoch ist Ruhetag.