Herne. Grundsteuerreform: Das Land hat für Herne Rechenmodelle vorgelegt. Was diese für Hausbesitzer und Mieter bedeuten würden, wie die Stadt reagiert.
Durch die Reform der Grundsteuerberechnung drohen in Herne vor allem Eigentümern von Ein- und Zweifamilienhäusern deutliche Erhöhungen. Im Gegenzug würden auf Gewerbeflächen erheblich weniger Steuern als bisher erhoben. Das NRW-Finanzministerium hat Herne und allen anderen NRW-Kommunen nun im Einzelfall vorgerechnet, welche Erhöhungen nötig wären, um Verluste bei diesen für städtische Haushalte unverzichtbare Steuereinnahmen zu vermeiden und wie einseitige Belastungen vermieden werden könnte. Die Stadt hat darauf in einer Pressemitteilung mit Kritik und einem Appelll reagiert.
Und das ist das vom Land für Herne errechnete Ergebnis: Wenn die Stadt ab 2025 nach Inkrafttreten der Reform keine Einbußen bei ihren Grundsteuereinnahmen hinnehmen möchte (Aufkommensneutralität), müsste sie den einheitlichen Hebesatz der Grundsteuer B von derzeit 830 auf 995 Punkte erhöhen. Das entspricht einem Plus von 19,9 Prozentpunkten und übertrifft damit sogar noch frühere Herner Befürchtungen. Kämmerer Hans Werner Klee war zuletzt im Februar 2024 in seiner Berechnung von einer Erhöhung auf „nur“ 933 Punkte ausgegangen. Ein Verzicht auf eine Erhöhung würde für Herne in Zukunft zu Einnahmeverlusten von bis zu vier Millionen Euro führen, so die Prognose.
Die Stadt Herne weist nun in einer aktuellen Pressemitteilung darauf hin, dass sie mit anderen Kommunen schon zu Beginn des Jahres 2022 auf die sich abzeichnende systematische Lastenverschiebung hingewiesen habe, bei der Landesregierung aber kein Gehör gefunden habe. Es handele sich um eine strukturelle Belastungsverschiebung, die in nahezu allen Städten und Gemeinden des Landes auftrete.
Der vom Land für Herne errechnete „aufkommensneutrale“ Hebesatz von 995 Punkten für die Grundsteuer würden nach Angaben der Stadt dazu führen, dass die Grundsteuer für Wohngrundstücke deutlich steigen würde. Ein- und Zweifamilienhauseigentümer müssten mit einer Steigerung von 30 bis 39 Prozent rechnen, bei den Mietwohngrundstücken und Eigentumswohnungen liege die Mehrbelastung bei 13 bis 15 Prozent. Eigentümerinnen und Eigentümer von Geschäftsgrundstücken würden trotz des höheren Hebesatzes profitieren und im Schnitt 46 Prozent weniger Grundsteuer zahlen müssen, betont die Stadt in einer Pressemitteilung. Die zusätzliche Belastung für zum Beispiel Mieterinnen und Mieter sei stark vom Einzelfall abhängig. „Wenn die Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung auf die Mieter abgewälzt wird, ist mit einer Mehrbelastung zwischen zwei und vier Euro pro Monat zu rechnen. Diese gemittelten Werte können aber auch deutlich abweichen“, erklärt die Stadt
Differenzierung der Grundsteuer statt hohe Mehrbelastungen für Hausbesitzer?
Um die großen Verschiebungen bei der Grundsteuer zwischen Wohnflächen und Gewerbeflächen auszugleichen und einen deutlichen Anstieg bei der Besteuerung von Hausbesitzern zu vermeiden, stellt das Land den Kommunen alternativ anheim, anders als bisher eine Differenzierung bei den Grundsteuerhebesätzen vorzunehmen. Das Rechenmodell des Finanzministeriums sieht demnach für Herne vor, dass im Falle eines Einfrierens der Steuer auf Wohngrundstücke bei 830 Punkten eine Erhöhung der Steuer auf Gewerbegrundstücke auf 1535 Hebesatzpunkte nötig wäre. Die Entscheidung - pauschale Grundsteuererhöhung oder Differenzierung - muss am Ende der Rat treffen.
Wie geht es in Herne weiter? Im Herbst werde im Rahmen der Haushaltsberatungen - die ersten unter dem neuen Kämmerer Marc Ulrich - mit dem vom Land vorgegebenen Hebesätzen „ergebnisoffen“ beschäftigen und eine Entscheidung treffen, kündigt die Stadt an. „Bis dahin besteht die Hoffnung, dass das Land die einhellige Kritik der Städte und Gemeinden in NRW endlich ernst nimmt und die systematische Belastungsverschiebung mit einer Anpassung der Steuermesszahlen auf Landesebene korrigiert – so wie es die Landesregierungen in Sachsen, in Berlin und im Saarland schon getan haben.“ Denn neben verfassungsrechtliche Bedenken sei auch die technische Umsetzung bei der Anwendung differenzierender Hebesätze zum 1. Januar 2025 nicht mehr möglich
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Außerdem sei davon auszugehen, dass die Einführung unterschiedlicher Hebesätze zu einer Widerspruchs- und Klagewelle führen werde, die noch zusätzlich zu den Widersprüchen aufgrund der eigentlichen Grundsteuerreform abzuarbeiten wären. Und zuletzt bestünde die Gefahr eines weiteren „Steuerwettbewerbs“ auf kommunaler Ebene.
Verfassungswidrig: Warum die Grunsteuer reformiert wurde
- Die Grundsteuerreform war unumgänglich, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form für verfassungswidrig erklärt hatte. Das Berechnungsschema für die Grundsteuerwerte beruhte auf Zahlen aus dem Jahr 1964 beziehungsweise 1935 (neue Bundesländer) und konnte die aktuellen Wertverhältnisse nicht mehr abbilden, so die Begründung.
- Der Bundestag hat daraufhin Ende 2019 ein Gesetz zur Grundsteuerreform verabschiedet. Dieses Gesetz gilt grundsätzlich bundesweit, jedoch hat der Gesetzgeber eine Klausel eingefügt, sodass einzelne Länder eigene Berechnungsmodelle entworfen haben. Nordrhein-Westfalen und zehn weitere Bundesländer haben sich allerdings für das „Bundesmodell“ entschieden. M.M.