Bochum/Herne. Ein Herner bestraft einen Tattoo-Fehler mit brutaler Gewalt. Mitverurteilt wird auch einer der Täter (15) im Fall des Trans-Mädchens „Jess“.

Weil er seinem Tätowierer das Wort „Fuck“ auf die Stirn gestochen und den Mann brutal zusammengeschlagen hat, ist ein Gewalttäter (38) aus Herne am Bochumer Landgericht zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Gegen drei Mitangeklagte (15, 17 und 19) wurden eine Jugendstrafe und zwei Dauerarreste verhängt – einer der Jugendlichen gehörte zu den Peinigern des Transmädchens „Jess“.

Zahlendreher auf Fingerknöcheln löste die brutale Tat aus

Es war ein Zahlendreher auf seinen Fingerknöcheln, der den vorbestraften Hauptangeklagten (28 Einträge im Strafregister) so wütend gemacht hatte, dass er seinem Tätowierer am 7. Dezember 2023 das Wort „Fuck“ ins Gesicht zurücktätowiert hat. Statt „1312“ hatte der 22-Jährige dem Herner zuvor „1213“ auf die Finger tätowiert. Der verschlüsselte Code für „ACAB“ (All cops are bastards, deutsch: Alle Polizisten sind Bastarde) war damit dahin. Tatort der perfiden Bestrafung war eine Mietwohnung an der Saarstraße.

Was der Herner und die drei Mitangeklagten zwei Tage später am 9. Dezember 2023 mit dem Tätowierer gemacht haben, wertete das Gericht am Ende aber noch weitaus schwerer als die Tattoo-Rache. „Der Mann wurde zusammengeschlagen. Das ist das einzige Wort, was hier passt“, sagt Richter Stefan Culemann. „Martyrium ist auch ein großes Wort – ganz verkehrt ist es hier sicher nicht.“ Abermals in der Wohnung an der Saarstraße schlug und trat das Quartett den 22-Jährigen laut Urteil über Stunden hinweg zusammen. Auch ein strafunmündiges Mädchen durfte laut Urteil auf den am Boden liegenden Mann eintreten.

„Höchstmaß an Erniedrigung“

„Als Zeichen der Herabsetzung und Verachtung“, so Richter Culemann, urinierte der 38-Jährige dem Opfer zum Schluss auch noch ins Gesicht. Staatsanwalt Frédéric Klasing nannte das Anpinkeln eines am Boden liegenden, blutüberströmten Opfers ein „Höchstmaß an Erniedrigung“. Das Opfer trug zahlreiche offene Wunden, Prellungen und Abschürfungen davon. Als zusätzlicher Auslöser für den zweiten Gewaltexzess gilt eine von dem Tätowierer zuvor verweigerte Rücknahme einer Strafanzeige.

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Dass die Richter am Ende unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft - fünf Jahre Haft - für den Hauptangeklagten blieben, lag vor allem an einer unterschiedlichen rechtlichen Bewertung des „Fuck-Tattoos“. Anders als der Ankläger sah das Gericht die Schwelle einer dauernden Entstellung „in erheblicher Weise“ nicht überschritten. „Dass niemand ein solches Tattoo auf der Stirn tragen möchte, steht außer Frage“, so Richter Culemann. Am Ende sehe man hier aber keine schwere, sondern eine gefährliche Körperverletzung. Unterm Strich halte man angesichts einer noch zu widerrufenden Bewährungsstrafe (acht Monate) die verhängte Strafe als angemessen. 

Einer der Gewalttäter hatte auch das Transmädchen Jess zusammengeschlagen

Wie im Prozessverlauf bekannt wurde, handelte es sich bei dem verurteilten 15-jährigen Herner um einen der beiden Gewalttäter, die im März 2022 die damals 15-jährige Jess auf dem Friedhof in Herne-Holsterhausen zusammengeschlagen haben. Zur Tatzeit war der Teenager noch 13 Jahre, damit strafunmündig und konnte nicht bestraft werden. Bei der Begründung des jetzt verhängten Strafmaßes gegen den 15-Jährigen (zwei Jahre Jugendhaft auf Bewährung plus vier Wochen Dauerarrest) wurde die Friedhof-Tat in der langen Liste der Ermittlungsverfahren gegen den 15-Jährigen erwähnt. Eine Polizistin war jetzt im Zeugenstand sogar in Tränen ausgebrochen, als sie noch einmal an den Fall „Jess“ erinnert hatte. Drei Jungen im Alter von 12 und 13 Jahren sollen das Trans-Mädchen seinerzeit bis zur Bewusstlosigkeit mit Tritten traktiert haben. Nach dem Angriff lag Jess vier Tage lang im Koma.