Herne. Aufatmen im Juni vor einem Jahr: Ein wichtiges Geschäft in Wanne-Mitte war gerettet. Die Freude währte nicht lang, nun wird es doch geschlossen.
Auf den Schaufenstern prangen riesige Aufkleber: EM-Aktion - 50 Prozent auf alles, außer Bücher. Man könnte aber auf den Gedanken kommen, dass es sich schon um den Auftakt für den Räumungsverkauf handelt. Der Grund: Der Standort von „buero.de“, bei den Wannern als Lucke seit Jahrzehnten bekannt, wird geschlossen. Das bestätigten die Mitarbeiterinnen im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion sowie das Unternehmen selbst. Die sechs Mitarbeiterinnen haben bereits die Kündigung erhalten, zwei von ihnen gehören dem Betrieb seit mehr als 40 Jahren an.
Vor Jahresfrist war die Erleichterung und Hoffnung noch groß. Nach der Insolvenz der Dortmunder Pro Büro GmbH, zu der Lucke gehörte, übernahm buero.de. Dessen Vorstandsvorsitzender Markus Schön zeigte sich im Juni 2023 noch überzeugt, dass der stationäre Einzelhandel Zukunft hat. „Menschen kaufen bei Menschen. Einen Montblanc, aber auch den ersten Schulfüller oder einen Schulranzen kauft man nicht online. Da wird Beratung gesucht. Hier haben die Mitarbeitenden von Pro Büro eine herausragende Expertise, die es unter der Führung von buero.de weiterhin flächendeckend im Ruhrgebiet und darüber hinausgeben wird.“
Kritik: Vermieter hat nicht auf Sicherheitsmängel reagiert
Für Lucke ist die Zukunft bald Vergangenheit. Das Aus begründet Markus Schön so: „Bei einer Sicherheitsbegehung stellte sich heraus, dass beide Unternehmensflächen in vielen Punkten unseren Sicherheitsansprüchen nicht genügen. Da die Vermieter teilweise überhaupt nicht reagierten, blieb uns am Ende keine Alternative zur Kündigung der Mietverträge.“
Bereits im vergangenen November kursierte das Gerücht einer Schließung (das Geschäft war allerdings lediglich wegen einer Umstellung der Telefonanlage nicht erreichbar). Auf Anfrage der Herner WAZ antwortete Schön damals: „Natürlich ist Herne weiterhin geöffnet und einer der wichtigsten von unseren rund 20 Standorten in Deutschland.“ Das hört sich bei Schön nun ganz anders an: „Natürlich ist Herne mit knapp 200.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ein interessanter und für unsere Filial-Tochtergesellschaft auch ein wichtiger Standort. Aber die Kunden stimmen mit den Füßen gegen die Hauptstraße ab.“
Markus Schön: Umfeld mit Drogenkonsumenten sorgt für Attraktivitätsverlust
Und weiter: „Der Attraktivitätsverlust liegt natürlich an dem Umfeld mit Drogenkonsumenten, aber auch an der fehlenden Investitionsbereitschaft der Vermieter. Wenn dort eine Verkabelung liegt, die aus Zeiten der Umstellung von Gaslaternen auf Elektrizität zu stammen scheint, können wir als führende Unternehmensgruppe die Risiken für Mitarbeitende und Kunden nicht akzeptieren. Mit diesen Risiken bekommt man die Waren, die einen hohen sechsstelligen Wert haben, auch nicht mehr versichert.“ Das schwierige Umfeld war allerdings schon bei der Übernahme nicht zu übersehen.
Allerdings scheint dem Augenschein nach die Investitionsbereitschaft von buero.de auch nicht besonders ausgeprägt gewesen zu sein. Die Leuchtreklame ist jedenfalls seit einiger Zeit lückenhaft. Schön wollte mit buero.de im Jahr 2022 mal 47 Standorte von Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen, das sich in einer seiner Insolvenzen befand.
Große Lücken in den Regalen der Buchhandlung
Das Angebot bei Lucke ist in zwei Bereiche aufgeteilt: einerseits Bürobedarf und Tornister und weitere Artikel, andererseits die Buchhandlung. Und dort gähnen große Lücken in den Regalen, die auch dadurch kaum kaschiert werden können, dass die Bücher flach in die Regale gelegt sind.
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Diese Ausdünnung hat nach den Worten von Schön folgenden Grund: „Wir benötigen Fläche für die Schulbuchbestellungen, die zumindest online schon in reger Zahl – auch für den Standort Herne – eingehen. Zudem wollen wir so schnell wie möglich diese Fläche aufgeben.“ Allerdings: Auch im vergangenen Jahr konnten die Schulbuchbestellungen trotz voll ausgestatteter Buchhandlung offenbar abgewickelt werden. Und nach WAZ-Informationen hat buero.de bei mindestens einem Großkunden die Lieferbedingungen so verschlechtert, dass dieser die Geschäftsbeziehungen beendet hat, auch die drei ausgebildeten Buchhändlerinnen haben das Unternehmen längst verlassen.
Wanne und Eickel sind bald ohne Buchhandlung
Gerade die Schließung der Buchhandlung trifft die Menschen in Wanne empfindlich: Lucke ist die einzige Möglichkeit, um in Wanne-Eickel Schulbücher zu bestellen - in diesem Jahr zum letzten Mal. Schön: „Unsere Kundinnen und Kunden können sicher sein, dass der Schulbedarf für das beginnende Schuljahr 2024/ 2025 vollständig bei uns gekauft werden kann. Wie lange wir dann noch geöffnet lassen, entscheiden letztlich die Kunden. Etwas vereinfacht: Solange Kunden in hinreichender Zahl kommen, sind wir da.“