Herne. Dem Inhaber des „Höllenblitzes“ werden massive Sicherheitsmängel vorgeworfen. Er selbst spricht vor Crange von „Krieg in der Schaustellerei“.
DIe Vorwürfe sind massiv: Die bundesweit bekannte Achterbahn Höllenblitz soll sich vor der Cranger Kirmes in einem derart miserablen Zustand befinden, dass Fahrgäste in Gefahr seien. Auch der WAZ liegen aus mehreren Quellen konkrete Hinweise auf marode sicherheitsrelevante Teile vor. Die Warnungen stammen ausgerechnet aus der sonst so verschwiegenen Schaustellerszene, die selbst wegen des Höllenblitzes um ihren Ruf bangt. Der Höllenblitz-Betreiber spricht dagegen wörtlich von „Krieg“ unter Schaustellern und sieht sich als Opfer einer konzertiert organisierten „Hexenjagd“. Er wirft seinen Kollegen „Sabotage“ vor. Die Vorwürfe seien komplett erfunden. Der Schausteller teilt selbst so offensiv gegen seine Kollegen aus und bricht ein Tabu unter Kollegen.
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Fakt ist: Beim Oktoberfest in München waren im vergangenen Jahr zwei Höllenblitz-Züge zusammengeprallt, weil ein Wagen zurückrollte. Es gab laut Polizei neun Verletzte. In Hamburg blieb ein Zug stecken. Menschen mussten aus großer Höhe von der Feuerwehr befreit werden. Inhaber Willi Ottens bestreitet auf WAZ-Nachfrage die Aussagen der Polizei: „Beim Oktoberfest gab es nicht einen einzigen Verletzten.“ Es sei ein „sanfter Aufprall“ gewesen. Durch die angeblich Verletzten seien danach keinerlei Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden. Der Feuerwehr-Einsatz in Hamburg sei übertrieben gewesen.
BIlder von gerissenen und verosteten Verbindungsteilen - sind sie authentisch?
Unserer Redaktion liegen Bilder von einem gerissenen Stahlelement vor, das Teil des Höllenblitzes sein soll - so wie er gerade auf der Cranger Kirmes aufgebaut wird. Ein Bild zeigt eine völlig verrostete und gerissene Verbindung, die angeblich in 20 Metern Höhe montiert wird. Die Verbindung sei äußerlich nicht zu sehen, weil sie im aufgebauten Zustand in den Rohren der Schiene verschwinde, heißt es. „Wenn das Teil ganz bricht, dann hilft auch kein Sicherheitssystem mehr“, sagt jemand, der es eigentlich wissen muss, aber anonym bleiben will. Der Höllenblitz soll schlecht gewartet sein. Ob das defekte Teil tatsächlich weiter genutzt wird, ließ sich für die Redaktion nicht nachprüfen. Es handele sich um ein völlig unbedeutendes zwei Finger breites Teil, sagt Willi Ottens als er das Bild sieht. Das sei „eine winzige Aufnahme“ von einem 15 Meter langen Stahlträger. „Eine absolut nicht nennenswerte Sache“, sagt Ottens. Viel entscheidener seien die anderen Schweißnähte, die weiter oben sind. Das Teil sei auch nicht in 20 Metern Höhe. Er wolle das Teil jetzt selbst dem TÜV zeigen.
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„Kein Bauteil kommt bei mir defekt wieder zum Einsatz“, sagt Willi Ottens auf WAZ-Nachfrage. „An solchen Bahnen entstehen immer mal wieder kleinere Schäden. Das wird dann fachmännisch geschweißt.“ Er habe, seit er die Anlage 2019 gekauft hat, noch Millionen in die Anlage investiert. Alleine die Umstellung auf eine neue DIN-Norm habe ihn zwei Millionen Euro gekostet. Er sehe sich als Opfer von Medien, die sich auf ihn eingeschossen hätten, und Schausteller-Kollegen.
„Es ist ein Krieg in der Schaustellerei“, sagt Ottens. Er sei mit Mitte 30 recht jung, stamme zwar aus einer Schaustellerfamilie, sei aber gelernter Banker. „Ich habe mein Geld nicht mit der Schaustellerei verdient. Ich habe aber mittlerweile einen großen Kranschein, kann alle Kräne steuern. Ich habe schon eine recht gute Ausbildung. Bei den Schaustellern werden Sie nicht viele finden, die meinen Bildungsstand haben.“
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Ausfälle und Unfälle: Höllenblitz seit zwei Jahren in der Kritik
Es gibt diese eine Seite krasser Vorwürfe: Fragt man ein wenig unter Platz-Verantwortlichen und Schaustellervereinigungen in Deutschland herum, dann hat der Höllenblitz in den vergangenen zwei Jahren seinem Namen alle Ehre gemacht. Meldungen von Unfällen, Betriebsstillständen und technischen Mängeln machen die Runde, einige wurden öffentlich. Angebliche Augenzeugen wollen zusätzlich zu den öffentlich gewordenen Meldungen viele gefährliche und fahrlässige Dinge gesehen haben. Ein Beispiel: In Hamburg sei ein Kran umgekippt und dabei eine Schiene verbogen. Für den Besuch des TÜVs habe der Schausteller versucht, den Schaden mit einer Decke zu vertuschen - eine Geschichte, die in der Szene gleichermaßen für Erheiterung und Erschrecken sorgt. Dass dann ein Wagen wie von Ottens selbst geschildert, auf offener Strecke verhungere, sei eine Folge miserabler Wartung.
Dann ist da die andere Seite von Willi Ottens: Er weist jeden einzelnen Vorfall anderen Fahrgeschäften namentlich zu. Der Schienenunfall sei gar nicht bei ihm selbst, sondern bei seinem größten Konkurrenten passiert. Seine Anlage, die er auf dem Hof eines anderen Schaustellers abgestellt hatte, sei „als Geisel genommen“ worden. „Das sind Kollegen, die mich fallen sehen wollen.“ Ottens sagt: „Meine Anlage ist auf 18 von 20 Veranstaltungen störungsfrei gelaufen.“ Ottens soll selbst andere Schausteller bei Veranstaltern wegen angeblicher Verfehlungen angeschwärzt haben. Das bestreitet er nicht.
TÜV-Süd: Betriebsgenehmigung für Höllenblitz bis über Cranger Kirmes hinaus
Der zuständige TÜV-Süd hat dem Höllenblitz die Prüfung abgenommen. „Der Höllenblitz besitzt eine gültige Ausführungsgenehmigung über die Cranger Kirmes hinaus“, sagt TÜV-Sprecher Thomas Oberst auf Nachfrage. Die Bahn müsse einmal jährlich zur Prüfung. Dabei geht es unter anderem um die technische Betriebsfähigkeit, genau um Dinge wie rostige oder gerissene Schweißähte. Ist das Siegel erteilt, sei es zunächst für ein Jahr gültig. Wichtig ist: Zwischen den jährlichen Prüfungen sei der Schausteller für die Aufrechterhaltung der technischen Sicherheit verantwortlich.
Laut Schausteller Ottens ist das Siegel noch bis zum 31. Januar 2025 gültig. Er habe aber vor dem Start auf Crange noch eine weitere Prüfung beantragt, bereits die neue Jahresprüfung. Das mache er, weil er nach dem Unfall in München neue Wagen für die Züge beschaffen musste. Aus den vorhandenen habe er nur noch einen Zug bilden können. Jetzt habe er wieder neue Wagen und wolle wieder mit zwei Zügen auf die Strecke gehen.
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Bei einer Verlängerungsprüfung könne es aber immer auch Auflagen geben, sagt der TÜV-Sprecher. Es gebe keine Auflagen über die üblichen hinaus, versichert Ottens. Es soll auch bereits Hinweise an den TÜV gegeben haben, dass technische Mängel vorliegen. Diese Hinweise seien aktuell nicht bekannt, aber auch nicht gänzlich auszuschließen, sagt Oberst. Er kündigt an, nun den konkreten Hinweisen nachzugehen. Der Ergebnis ist noch offen.
Schausteller-Präsident: Sicherheit ist für uns das allerhöchste Gut
„Sicherheit ist für uns das allerhöchste Gut“, sagt Schausteller-Präsident Albert Ritter, der sich zum konkreten Vorwurf nicht äußern will. So aufwändig es sei, Unterlagen und Bücher vorzulegen: „Wir sind voll auf der Seite der Prüfbehörden.“ Nichts sei wichtiger, als dass alle Gäste unbeschadet nach Hause kommen. „Wir haben in Deutschland das strengste Prüfsystem für Fliegende Bauten.“
Ritter erläutert wie der TÜV, dass bei jedem Aufbau auch die örtlichen Baubehörden noch eine Gebrauchsabnahme machen. Dabei werde auch noch einmal sehr genau hingesehen. Alles muss so stehen, wie es die Bücher vorsehen. Ritter zeigt selbst nur wenige Zentimeter lange Splinte an seinem Fahrgeschäft. Jedes Teil müsse da sein und genauso verbaut sein wie in den Büchern vorgeschrieben.
Teile der Achterbahn stehen bereits seit Mitte Mai auf dem Cranger Kirmesplatz, werden gerade aufgebaut. Achterbahn Betreiber Willi Ottens hatte die frühe Anreise in diesem Jahr mit ausbleibenden Engagements für andere Plätze begründet. Die Zeit für den Umbau von Düsseldorf nach Crange sei zu kurz. Es gebe nicht so viele geeignete Plätze für die große Achterbahn. Dass ausgerechnet das Traditionsgeschäft dieses Jahr nicht auf das Oktoberfest komme, sei abgesprochen: „Das haben mich die Medien gekostet.“ Er wolle ein Jahr aussetzen, habe aber ein anderes Engagement. Wo? „Betriebsgeheimnis.“
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Diebstahl bei der Polizei angezeigt: Kabel für 70.000 Euro weg
Willi Ottens hat unterdessen einen Diebstahl bei der Polizei angezeigt. Zwischen dem 7. Juni, 22 Uhr, und dem 12. Juni, 10 Uhr, seien ihm Kupferkabel im Wert von 70.000 Euro gestohlen worden. Laut Polizei wurde der Verlust von 1,5 bis 2 Tonnen Kabelsträngen gemeldet. Die Kabel (sogenannte Ölflexkabel aus Kupfer) sollen in einem Container auf dem Cranger Kirmesplatz gelagert gewesen sein. Zu möglichen Tätern gibt es keine Hinweise. „So etwas macht man nicht mit dem Golf“, sagt Polizeisprecher Marco Bischoff.
„Wir drücken ihm unser Mitgefühl aus“, sagt Kirmessprecher Alexander Christian. Der Kabeldiebstahl sei ein Zwischenfall, der eine Herausförderung sei. Die Stadt als Veranstalter gehe aber davon aus, dass es Ottens noch schaffe, den Höllenblitz rechtzeitig bis zur Kirmes an den Start zu bekommen. „Es ist ja auch noch ein Puffer für die TÜV-Abnahme eingeplant“, sagt Christian. „Der Platzmeister ist im engen Austausch mit dem Geschäftsführer des Fahrgeschäfts.“
Zu den Vorwürfen will sich Christian aktuell nicht äußern. Der Stadt lägen keine Hinweise auf eine nicht-sichere Betriebsfähigkeit des Fahrgeschäftes vor. Er warnt vor Behauptungen, die an Rufmord grenzten. Christian zeigt sich noch entspannt, was eine möglichen Ausfall für Crange angeht.
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Wer klaut einfach die Kabel beim Höllenblitz? Willi Ottens wirft nun, gut drei Wochen später, anderen Schaustellern Sabotage vor. „Das waren keine Schrotthändler. Das waren Kollegen.“ Auch bei seinem zweiten Fahrgeschäft, dem „Chaos-Pendel“, das zwischenzeitlich noch auf der Gevelsberger Kirmes steht, seien Kabel durchgeschnitten worden.