Herne. In einem internen Prüfbericht wirft die Stadt Herne sich selbst Mängel bei Gebrauchsabnahmen auf der Cranger Kirmes vor. Zurecht?
Ausgerechnet die städtischen Rechnungsprüfer haben angebliche Mängel bei der Abnahme von Fahrgeschäften und Ständen auf der Cranger Kirmes festgestellt. Die Bauordnung sei bei der Abnahme zeitlich so stark gefordert, dass notwendige Prüfungen übersehen werden könnten, heißt es. Bislang gibt es keinerlei Belege dafür, dass das tatsächlich geschah. Aber die Stadtverwaltung stockt für die Kirmes 2024 das Personal auf.
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Kontrolleure zweifeln das Prüfverfahren auf der Kirmes an
Die Prüferinnen und Prüfer hatten sich zwei Tage vor Beginn der Cranger Kirmes 2023 selbst eingeladen, um das Team der Bauordnung auf der Kirmes zu begleiten. Im Fokus der Bauordnung steht die Abnahme sogenannter Fliegender Bauten, die allen Vorgaben entsprechen müssen. Schon bei der Auswahl der Bauten gebe es einige „auffällige Aspekte“, heißt es in dem Bericht.
Dabei bemängeln die Prüfer, dass die Bauordnung auf „Erfahrungswerte“ aus den vergangenen Jahren zurückgreife. Es werde zwar für jeden Fliegenden Bau, bei dem vermutet wird, dass es sich um einen abnahmepflichtigen Bau handelt, ein Vorgang mit Aktenzeichen angelegt. „Nach Ansicht der Prüferinnen könnten dort erste abnahmepflichtige Bauten übersehen werden, besonders wenn es sich um neue Fahrgeschäfte bzw. Buden handelt, zu denen es keine Erfahrungswerte gibt.“
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Stadt: Nur zwei von 400 Abnahmen bemängelt - was heißt das für die Sicherheit?
Die Bauordnung habe sich gerechtfertigt, dass man auch während des Rundgang auf neue Bauten achte. Das können die Kontrolleure nicht gänzlich nachvollziehen: „Während des Ortstermins wurde den Prüferinnen der Eindruck vermittelt, dass der Zeitplan für die bereits an diesem Tag geplanten Gebrauchsabnahmen wenig Spielraum für zusätzliche Tätigkeiten bot.“
War das auch relevant für die Sicherheit? Innerhalb von vier näher betrachteten Jahren bemängeln die Prüfer nur die Prüfvorgänge von zwei Fliegenden Bauten. Das müsse man ins Verhältnis von „400 Gebrauchsabnahmen von Fliegenden Bauten auf der Cranger Kirmes in vier Jahren“ setzen, betont Stadtsprecher Christoph Hüsken auf Nachfrage. „Hierbei handelt es sich um die nicht durchgeführte Abnahme eines Kinderkarussells, welches laut Gesetz nicht zwingend abnahmepflichtig war und eine gegenüber den Vorjahren ermessensbedingte abweichende Gebührenfestsetzung für ein Fahrgeschäft.“
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Bauordnung will Personal in Abnahme-Teams aufstocken
Was heißt der geschilderte Zeitmangel am Ende für die Qualität der Prüfungen? War die Sicherheit der Fahrgeschäfte gewährleistet? „Die Gebrauchsabnahmen wurden vom Fachbereich Bauordnung trotz der relativ hohen Anzahl der Fliegenden Bauten auf der Cranger Kirmes stets mit der nötigen Sorgfalt und Qualität im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen durchgeführt“, betont Christoph Hüsken. Diese Aussage wird gegenüber der WAZ aus mehreren Quellen im Kirmesumfeld exakt so bestätigt.
Die Stadtverwaltung reagiert dennoch auf die Vorwürfe: „Um auch in Zukunft diesen Ansprüchen zu genügen und zur Sicherheit der Fahrgeschäfte auf der Cranger Kirmes beizutragen, wird der Fachbereich Bauordnung zur Cranger Kirmes 2024 die Anzahl der Abnahme-Teams von drei auf vier Teams erhöhen und im Vorfeld eine interne Schulung speziell über die Fliegenden Bauten auf der Cranger Kirmes durchführen“, sagt der Stadtsprecher. „Insbesondere den neueren Kolleginnen und Kollegen in der Bauordnung soll der sichere Umgang mit der Thematik zu erleichtert und ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab festgesetzt werden.“
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Schausteller-Präsident: Prüfungen immer ordentlich und akkurat
Für Schausteller-Präsident Albert Ritter kommen die Vorwürfe überraschend. „Ich habe auf der Cranger Kirmes immer ordentliche und akkurate Prüfungen wahrgenommen.“ Er nehme die Kontrollen als sehr detailliert wahr. Sicherheit sei den Schaustellern ohnehin das höchste Gut, sagt Ritter wie schon viele Male zuvor. Er betont, dass man die Gebrauchsabnahmen auch nicht mit der intensiven TÜV-Prüfung verwechseln dürfe. Bei der TÜV-Prüfung werde ein Fahgeschäft mitunter über Tage auf Herz und Nieren geprüft. Bei der Gebrauchsabnahme prüfe die Bauordnung den korrekten Aufbau nach Baubuch: „Das ist eine Sichtkontrolle.“
Prüfer: Abrechnung in mehreren Fällen nicht korrekt
Bei der Abrechnung der Gebrauchsabnahme gab es Mängel. Die Prüferinnen und Prüfer stellten fest, dass für gleiche Tätigkeiten in verschiedenen Jahren verschiedene Gebührenbescheide ausgestellt wurden. Mal seien die Gebühren für dieselben Fahrgeschäfte teurer geworden, mal billiger. Die Abweichungen betrugen maximal 35 Euro je Bescheid. Allerdings halten die Prüfernden den Gebührenkatalog für nicht richtig eingesetzt: „Durch den Fachbereich Bauordnung sollte sichergestellt werden, dass interne Regelungen zu Gebührentatbeständen bekannt sind und entsprechend angewandt werden. Ein Interpretationsspielraum für die Sachbearbeitenden sollte nicht gegeben sein.“
Die Prüfernden bemängeln eine fehlende Dokumentation, vor Corona habe man das Geld für die Prüfungen im Kirmesbüro sogar noch bar angenommen. Dies sei zwar quittiert worden, allerdings seien die Zahlungen nur Personen, aber nicht den Ständen und Fahrgeschäften zuzuordnen gewesen. Seit 2022 setze die Bauordnung auf „rechtssichere“ Gebührenbescheide.
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Anlass für Prüfungen war ein Korruptionsverdacht
Die Rechnungsprüfer machen mit dem Bericht auch einen Korruptionsverdacht „durch den Betreiber eines Fliegenden Baus“ aus dem Jahr 2022 öffentlich. Daraufhin sei im Rathaus intern ermittelt worden. Der Verdacht habe sich aber nicht bestätigt. Worum ging es da? „Bei dem Vorfall aus dem Jahre 2022 handelte es sich um eine Situation während der Gebrauchsabnahme, die von den Mitarbeitenden der Bauaufsicht als Korruptionsversuch von Seiten des Schaustellers wahrgenommen wurde. Der Vorfall wurde gemeldet und innerhalb der Verwaltung weiterverfolgt“, sagt Christoph Hüsken.