Herne. Ein Verkehrschaos sei zum Start der Polizeihochschule in Herne nicht zu vermeiden, so die Stadt. Kurz darauf wird diese klare Ansage relativiert.

Der neue städtische Verkehrsdezernent Stefan Thabe geht davon aus, dass es nach der für Herbst 2027 geplanten Inbetriebnahme der neuen Polizeihochschule im Herner Funkenberg-Quartier zunächst zu einem Verkehrschaos kommen wird. Deutliche Worte fand er in der Sitzung der Bezirksvertretung Herne-Mitte auch für die inzwischen verworfene Tunnellösung.

„Ich würde mich nicht trauen zu sagen: Es gibt zu Beginn kein Chaos“, sagte Thabe zur Verkehrssituation. Er setzte damit etwas andere Akzente als Mitarbeiter der beiden städtischen Fachbereiche Tiefbau und Stadtplanung, die sich zuvor in der Sitzung zurückhaltender bzw. vorsichtiger geäußert hatten.

Der neue Bau-, Planungs- und Verkehrsdezernent Stefan Thabe trat zum 1. Mai die Nachfolge von Karlheinz Friedrichs an.
Der neue Bau-, Planungs- und Verkehrsdezernent Stefan Thabe trat zum 1. Mai die Nachfolge von Karlheinz Friedrichs an. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Hintergrund: Es steht außer Frage, dass die Ansiedlung der Polizeihochschule mit insgesamt rund 4000 Studierenden und 200 Mitarbeitenden zu erheblichen Mehrbelastungen beim Straßenverkehr in Herne-Mitte führen wird. 2022 hatte die Stadt eine von einem Gutachter vorgeschlagene Tunnellösung im Bereich Bahnhof favorisiert, dieses Projekt nach erheblichem Gegenwind aber schnell wieder begraben.

Neuer Herner Dezernent: Tunnelbau ist Verkehrsplanung nach Art der 60er- und 70er-Jahre

„Ich bin erst einmal froh, dass dieser Tunnel nicht kommt“, sagte Dezernent Thabe im Bezirk Herne-Mitte. Diese Art der Verkehrsplanung sei in den 60er- und 70er-Jahre üblich gewesen, aber längst nicht mehr zeitgemäß: „Das kostet ein wahnsinniges Geld, und am Ende bringt es nichts“, so die klare Kante des 57-Jährigen, der zum 1. Mai die Nachfolge von Dezernent Karlheinz Friedrichs angetreten hat.

Bei der Bewältigung und Steuerung der zusätzlichen Belastung durch die Polizeihochschule setzt die Stadt vor allem auf die vom Rat beschlossene „Mobilitätswende“ in Herne, die zu einer Reduzierung des Autoverkehrs um 30 Prozent führen soll. Geplant sind außerdem ein mit der Polizeihochschule zu erarbeitendes Mobilitätskonzept, Parkhäuser an der A42-Ausfahrt sowie ein Umbau des Kreuzungsbereichs Westring/Cranger Straße/Bahnhof.

Der Grünen-Bezirksverordnete Rolf Ahrens vermisste eine konkrete Zeitplanung auf Seiten der Stadt und sichtbare Fortschritte: „Der Oberbürgermeister verkündet ja fast schon den Spatenstich, das Richtfest und die Fertigstellung der Polizeihochschule. Und zur Erschließung und zu anderen wichtigen Fragen sagt die Verwaltung immer nur: Da sind wir in einem intensiven Austausch.“

Rolf Ahrens (Grüne) vermisst Fortschritte bei der Planung für die Erschließung der Polizeihochschule in Herne.
Rolf Ahrens (Grüne) vermisst Fortschritte bei der Planung für die Erschließung der Polizeihochschule in Herne. © fotografie-buehler-duesseldorf.de | Hartmut Bühler

Thorsten Rupp, Leiter des Fachbereichs Tiefbau und Verkehr, formulierte es diesmal ein wenig anders: „Wir arbeiten ganz hart daran.“ Mit Investor Hochtief und der Hochschule „ringe“ man zurzeit um ein vernünftiges Mobilitätsmanagement für die Neuansiedlung des Landes. Dabei solle es unter anderem um die Bewirtschaftung von Stellplätzen und die Bildung von Fahrgemeinschaften gehen. Und: Zum Ausbau der Kreuzung werde im Juli eine politische Sondersitzung stattfinden. Schließlich: Zurzeit laufe die Ausschreibung für ein Kommunikationskonzept zur Mobilitätswende in ganz Herne, in Kürze erfolge die Vergabe. „Dann kommen wir auch mit Aktionen auf die Straße beziehungsweise in die Stadt“, so Rupp.

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Eine Verkehrswende mit der angestrebten Verringerung des Autoverkehrs um 30 Prozent sei aber nicht auf Knopfdruck zu bekommen, sondern nur über eine Bewusstseinsänderung. Hier setze das Kommunikationskonzept an. Die Ergebnisse wolle man dann auch auf andere Herner Stadtteile übertragen, so Rupp.

Als „extrem ambitioniert“ bezeichnete Dezernent Thabe das von Stadt und Politik formulierte 30-Prozent-Ziel. Die Gesellschaft habe viele Jahrzehnte „aus dem Auto heraus“ agiert, das müsse sich nun ändern. Der eingeschlagene Kurs sei jedoch richtig: „Man muss hohe Ziele setzen, um etwas zu erreichen.“

Pressemitteilung der Stadt Herne: „Besondere Herausforderung“ statt „Verkehrs-Chaos“

Kurz nach der Veröffentlichung des WAZ-Berichts über die Sitzung der Bezirksvertretung veröffentlicht die Stadt eine Pressemitteilung und relativiert darin die Aussage Thabes über das befürchtete „Verkehrs-Chaos“ zum Start der Polizeihochschule. Die Rede ist stattdessen von „besonderen Herausforderungen“. Die Mitteilung der Stadt im Original:

„In den kommenden Sitzungen des Haupt- und Personalausschusses und abschließend des Rats der Stadt Herne sollen die Beschlüsse für den Bebauungsplan für die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) gefasst werden. Die erste Hochschulansiedlung in Herne ist für 4.500 Studierende und 200 Mitarbeitende geplant. ,Die Verkehre in Herne-Mitte unter Berücksichtigung der politisch beschlossenen Verkehrswende neu zu planen und zu denken, dafür nutzen wir diese historische erste Hochschulansiedlung in Herne. Unser Ziel ist es - neben der bestehenden hervorragenden ÖPNV-Anbindung am Bahnhof Herne durch Regionalzüge, S- und U-Bahn sowie die Busse der HCR - eine zusätzliche Verbesserung für alle Verkehrsteilnehmenden zu erreichen. Das gilt insbesondere für den Rad- und Fußverkehr‘, erklärt Stadtrat Stefan Thabe.

Die Stadt Herne sieht dabei durchaus, dass sich durch die Anreise der Studierenden der HSPV besondere Herausforderungen für den Verkehr rund um das neue Funkenbergquartier ergeben. Gerade deswegen setzt sie auf innovative Lösungen. So soll durch Maßnahmen im Rahmen der Verkehrswende der Autoverkehr rund um die HSPV um 30 Prozent reduziert und der umweltfreundliche Rad- und Fußverkehr sowie der ÖPNV gestärkt werden

Um diese komplexen Herausforderungen umzusetzen, die neben der Planung und baulichen Umsetzung auch einen Mentalitätswechsel bei den Verkehrsteilnehmenden bewirken soll, setzt die Stadt Herne schon bei der Vergabe auf innovative Lösungen. Deswegen wird sie den politischen Gremien, konkret dem Ausschuss für Digitales, Infrastruktur und Mobilität und der Bezirksvertretung Herne-Mitte, vorschlagen, die erforderlichen Vergaben im Rahmen eines wettbewerblichen Dialogs umzusetzen. ,Das Verfahren nutzen wir erstmals in Herne - und das genau an der richtigen Stelle. Denn es ermöglicht eine passgenaue Abwicklung für das überaus komplexe Bauverfahren. So können wir unsere ambitionierten Ziele für Herne-Mitte zügiger erreichen und die Verkehrsplanung und -Infrastruktur fit machen für die HSPV. Wir sehen die Herausforderungen, die sich durch die Hochschulansiedlung ergeben. Das ist für uns Ansporn‘, schildert Thabe weiter.“

Herner Bürgerinitiative: Planung der Stadt ist „nicht realistisch“

  • In einer aktuellen Pressemitteilung übt die XXL-Bürgerinitiative „Mehr Lebensqualität“ (BI) unter anderem Kritik an der Verkehrspolitik der Stadt. Für die verkehrliche Erschließung der Polizeihochschule und die Verkehrsbelastung auf den Zufahrtsstraßen gebe es noch keine Lösung, heißt es.
  • Die Planungen für das Funkenbergquartier und für das Dorn-Gelände müssten zusammen betrachten, fordert die BI. Die derzeitigen Berechnungen seien „nicht realistisch“. Allein die Hoffnung auf eine erfolgreiche Umsetzung des Mobilitätskonzeptes mit der Reduktion von Verkehrsmengen „reicht mit Sicherheit nicht aus“.