Herne. Nach dem Start von Rats-TV im September 2021 sinken die Zuschauerzahlen. Wie Herner Ratsparteien über eine Fortsetzung dieses Angebots denken.
Am 7. September 2021 hat Rats-TV nach jahrelangem Ringen in Herne Premiere gefeiert. Im Juni muss die Politik nach Ablauf der Pilotphase über die Fortsetzung des Live-Streams von Ratssitzungen entscheiden. Eine Abfrage bei den Parteien ergab: Die breite Mehrheit will dieses Informationsangebot für Bürgerinnen und Bürger fortsetzen, doch es gibt auch vereinzelt Kritik an den Kosten, Bedenken aufgrund sinkender Zugriffszahlen sowie einen Vorschlag für eine Verlängerung der Testphase.
Die Zugriffszahlen
Die höchste „Einschaltquote“ verzeichnete Rats-TV bei der Premiere: Insgesamt 302 Menschen verfolgten damals im Internet auf der städtischen Homepage komplett oder zumindest zeitweise die Live-Übertragung der Sitzung, erklärt die Stadt auf Anfrage der WAZ. Im Nachgang gab es für die über elf Tage verfügbare Aufzeichnung 674 Abrufe.
Nach der Premiere gab es relative starke Schwankungen. Besonders gering war der Zuspruch bei der Ratssitzung am 15. Februar, die von insgesamt „nur“ 66 Bürgerinnen und Bürger verfolgt wurde. Bei der Sitzung am 15. März, bei der das Bürgerbegehren fürs Hallenbad Eickel auf der Tagesordnung stand, stieg die Zahl beim Live-Stream dann wieder auf 110 Zuschauende. Bei den Abrufen der Aufzeichnungen wurde der Tiefstand bei der Ratssitzung am 14. Dezember erreicht, für die sich 74 Menschen interessierten.
Sinkende Zahlen gibt es auch für den Live-Stream der Ratssitzung mit Gebärdensprache: Nutzten bei der Premiere im September immerhin 79 Zuschauende dieses zusätzliche Angebot, so schalteten sich im Februar noch 6 Menschen ein.
Die Kosten
„Die Kosten für die Übertragung der Sitzungen des Rates belaufen sich auf circa 3500 Euro pro Sitzung“, so Stadtsprecher Christoph Hüsken. Zu berücksichtigen seien dabei allerdings auch die Mehrkosten durch die Bereitstellung einer Version mit Gebärdensprache, die jeweils zwischen 1000 bis 1400 Euro betragen. Die Spanne entstehe dadurch, dass neben einigen fixen Posten wie zum Beispiel Studiomiete und eine zweite Streamingleitung auch variable Kosten bei der Abrechnung der pro Stunde bezahlten Dolmetschenden entstünden.
Die Bewertung
„Wir finden Rats-TV gut, weil wir damit mehr Menschen Kommunalpolitik und politische Abläufe nahebringen können“, sagt SPD-Fraktions-Chef Udo Sobieski. Der bisherige Zuspruch sei positiv und „besser als erwartet“. Vielleicht könne man noch an der einen oder anderen Stelle „nachjustieren“, doch zunächst müsse mal die Pilotphase beendet und von dem eigens eingesetzten Ratsarbeitskreis abschließend bewertet werden.
Neben der SPD hatten auch die Piraten nach der Kommunalwahl 2020 den Antrag auf Einführung von Rats-TV gestellt. Piraten-Ratsherr Lars Wind spricht schon jetzt von einer „Erfolgsgeschichte“. Und auch FDP-Ratsherr Thomas Bloch, dessen Partei wie auch Die Linke bereits in der vergangenen Ratsperiode Anträge auf Rats-TV gestellt hatte, will diesen Service auf jeden Fall beibehalten. So ein Angebot müsse sich auch erst einmal etablieren und herumsprechen, so Bloch.
Timon Radicke (CDU) weist dagegen auf die sinkenden Zugriffszahlen seit dem Start im September hin. „Der Zeitraum ist allerdings noch zu kurz, um hier zu einer abschließenden Beurteilung zu kommen“, räumt der Fraktionsvorsitzende ein. Er plädiert deshalb dafür, dass die Testphase nicht wie geplant im Juni endet, sondern bis Jahresende verlängert wird. „Meine persönliche Meinung ist: Eine Weiterführung sollte auch von den Zugriffszahlen abhängig gemacht werden“, so Radicke. Eine Untergrenze, ab der die CDU für die Einstellung von Rats-TV stimmen würde, wolle er aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht benennen.
Widerspruch erntet er vom Grünen-Fraktionsvorsitzenden Thomas Reinke: „Bei einer Ratssitzung sitzen auf der Tribüne, wenn es hochkommt, sechs Leute.“ Wenn nun rund 60 Menschen Rats-TV verfolgten, habe man immer noch zehnmal mehr Zuschauende als bisher. Bei einem Haushaltsvolumen von zig Millionen Euro seien Produktionskosten von rund 3000 Euro pro Sitzung sehr wohl vertretbar: „Demokratie kostet nun mal Geld.“ Das sieht Bernd Blech von den Unabhängigen Bürgern ganz anders. Die Kosten für Rats-TV seien nicht akzeptabel: „Dafür haben wir Geld, aber nicht für eine Behindertentoilette im Sportpark Eickel“, so seine Kritik.
Zugriffszahlen: Bestwert bei der Premiere
Die bisherigen Zugriffszahlen von Rats-TV (inklusive der Version mit Gebärdendolmetscher):
Live-Übertragung (Aufrufe/Personen)
– 7. September: 456/302
– 5. Oktober: 336/186
– 30. November: kein Live-Stream (technischer Fehler)
– 14. Dezember: 129/91
– 15. Februar: 117/66
– 15. März: 408/110
Abrufe der Aufzeichnungen von Ratssitzungen
– 7. September: 674
– 5. Oktober: 243
– 30. November: 326
– 14. Dezember: 73
– 15. Februar: 120
– 15. März: 570
Anmerkung: Die Aufzeichnungen können nur noch eine Woche nach Veröffentlichung der schriftlichen Protokolle der Ratssitzungen abgerufen werden (bisherige Verfügbarkeit: zwischen 12 und 34 Tagen).