Herne. Das ehemalige Polizeigefängnis in Herne soll eine Gedenkstätte werden. Das fordert der Rat in einer Resolution. Aber was ist das Papier wert?
Das ehemalige Polizeigefängnis in Herne-Mitte soll ein Lern- und Erinnerungsort werden. Das fordert der Rat, der einstimmig eine entsprechende Resolution verabschiedet hat.
Mit diesem Schritt unterstützt der Rat den Herner Förderkreis Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis Herne. Dieser will aus dem alten Zellentrakt, der noch nahezu im Originalzustand auf dem Hof der Polizeiinspektion am Friedrich-Ebert-Platz steht, eine Mahn- und Gedenkstätte machen. Das Problem: Der gesamte Gebäudekomplex soll verkauft werden, eine entsprechende Ausschreibung, an der sich Interessentinnen und Interessenten beteiligen, ist auf der Zielgeraden. Die „Kaufpreisvorstellung“ des Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) des Landes für den denkmalgeschützten Klinkerbau aus dem Jahr 1929 liegt bei 1,1 Millionen Euro.
Herne: Im Ausschreibungstext wird Erinnerungsort nicht erwähnt
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In dem Ausschreibungstext, kritisierte SPD-Fraktionschef Udo Sobieski in der letzten Ratssitzung des Jahres, werde mit keinem Wort auf den geplanten Erinnerungsort hingewiesen. Für ihn kämpft der Förderkreis seit Jahren und hat dazu auch Gespräche mit dem BLB geführt. Was also, wenn der künftige Besitzer oder die künftige Besitzerin keinen Erinnerungsort in dem Klinkerbau will? Mit der Resolution, so Sobieski, zeige der Rat dem Investor oder der Investorin, dass die Politik großen Wert auf die Gedenkstätte lege.
Das ehemalige Polizeigefängnis sei in der NS-Zeit von den Nazis zweckentfremdet worden und zentrale Sammelstelle für Zwangsarbeiter aus aller Welt gewesen, begründete Sobieski den gemeinsamen Antrag von SPD und CDU. Außerdem seien dort unter anderem Widerständler und Oppositionelle gefangen gehalten worden, darunter der spätere Herner Oberbürgermeister Robert Brauner und der Pfarrer Ludwig Steil, der im KZ Dachaus starb.
Dieser Ort, so die Resolution, müsse deshalb erhalten bleiben, mehr noch: zur Mahn- und Gedenkstätte ausgebaut werden. „Eine solche Einrichtung könnte zu einem Orientierungspunkt des kulturellen Gedächtnisses der Stadt werden, weil das Polizeigefängnis ein besonderes Symbol für die in unserer Stadt geplanten und begangenen Verbrechen während der NS-Diktatur ist“, heißt es in dem Text. Und weiter: „Zugleich könnte in Zusammenarbeit mit den Herner Schulen hier ein Ort für historisch-politisches Lernen entstehen. Das würde ein Lernen aus der Geschichte ermöglichen, das dem Andenken an die Opfer verpflichtet ist und demokratische Einstellungen und Kompetenzen fördert.“
Grüne: Es reicht nicht, einen „schönen Brief“ zu schreiben
Alle Ratsmitglieder sprachen sich für die Resolution aus. Thomas Reinke (Grüne) betonte aber, dass es nicht reiche, einen „schönen Brief“ zu schreiben. Aus der Vergangenheit wisse man, was mit Resolutionen passiere: Sie würden gelesen – und zur Kenntnis genommen. Er wünschte sich einen „größeren Nachdruck“ von Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) und Stadtdirektor Hans Werner Klee gegenüber dem aktuellen Gebäudebesitzer BLB, damit dieser an einen Investor verkaufe, der den Erinnerungsort auch will.
Das sagte OB Dudda zu. Der Oberbürgermeister zeigte sich „optimistisch“, dass man den Rat „nicht vollkommen überhören“ könne: Am Ende müsse der Rat über den Verkauf des Gebäudes abstimmen – dieser habe also eine Einflussmöglichkeit darauf, an wen die Immobilie gehe. Das bekräftigte Dudda kurz vor dem Jahreswechsel auch noch einmal im Gespräch mit der WAZ.
>> WEITERE INFORMATIONEN: Die Polizei zieht um
Das Land will das Gebäude mit der Polizeiinspektion Herne-Mitte verkaufen, weil die Polizei Ende 2022 dort ausziehen will: Für sie wird gerade eine neue Wache in Bahnhofsnähe an der Cranger Straße gebaut. Der vier- bis fünfgeschossige und unterkellerte Gebäudekomplex am Friedrich-Ebert-Platz wurde als Verwaltungsgebäude gebaut und verfügt über eine Fläche von knapp 10.000 Quadratmetern.
Möglich sind dort laut Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB) Büros, Geschäfte, Wohnungen, Hotelzimmer oder Räume für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Der neue Besitzer muss aber kräftig investieren: Der Bau weist laut BLB einen „altersbedingten Sanierungs- und Modernisierungsrückstau sowie Defizite im Brandschutz und eventuelle Statik-Problemstellungen im Bereich der Betondecken auf“. Außerdem könnten in Betondecken, Wandputzen und Anstrichen der Fensterrahmen Schadstoffe lagern.