Herne. Nun steht fest: Der Herner Circus Schnick-Schnack muss sein Gelände räumen. „Jetzt ist es mehr als fünf vor zwölf“, sagt Zirkusdirektor Deutsch.

Der Herner Circus Schnick-Schnack hat die Kündigung erhalten und muss sein gepachtetes Gelände Ende kommenden Jahres räumen. Das hat der gemeinnützige Mitmachzirkus seit Jahren befürchtet und deshalb ein neues Quartier gesucht – bislang vergeblich. „Jetzt ist es mehr als fünf vor zwölf“, sagt Reiner Deutsch, der Geschäftsführer von Schnick-Schnack, zur WAZ. Um den Zirkus in Herne zu retten, wirbt er noch einmal für seine Idee der „Kulturinsel“ am aktuellen Standort im Ortsteil Baukau. Die Idee: Der Zirkus oder ein Gönner kauft das Gelände, und viele Kulturinitiativen finden dort eine Heimat und können sich und ihre Arbeit präsentieren.

Zum Hintergrund: Seit 2006 betreut der Sozialzirkus Schnick-Schnack an der Eschstraße mit vielen Ehrenamtlichen Hunderte Kinder jährlich, zum Beispiel bei den bekannten Zeltwochen. Mädchen und Jungen werden dabei artistisch angeleitet und sozial gefördert, am Ende präsentieren sie das Erlernte vor einem Publikum in der Manege. Dafür holt der Verein, der den Zirkus trägt, Fördermittel nach Herne: 1,3 Millionen Euro seien es allein seit 2013 gewesen, laut Verein könnten weitere 1,5 Millionen Euro bis mindestens 2027 fließen. Weil das Damoklesschwert einer Kündigung seit Jahren über dem Verein hing, wurde genauso lange ein neuer Standort gesucht. Ein Umzug zum damals geplanten „Sport- und Kulturzentrum Unser Fritz“ platzte seinerzeit genauso wie später zu einer „Seebrücke auf der Emscherinsel“. Zuletzt bemühte sich Schnick-Schnack vergeblich um einen Umzug in den Revierpark Gysenberg.

Herne: Verein hat ein „attraktives Konzept“ entwickelt

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Die besagte „Kulturinsel“ soll den Zirkus retten. Der Verein, sagt Zirkusdirektor Deutsch, habe ein attraktives Konzept entwickelt und der Stadt vorgelegt, mit dem nicht nur Schnick-Schnack, sondern auch vielen anderen Kulturinitiativen aus Herne eine Heimat geboten werden soll. Diese Heimat fehle Herne, das habe das KAZ, das Kulturell-Alternative-Zentrum, gegenüber der WAZ zuletzt völlig richtig beschrieben. Schnick-Schnack mache seit 20 Jahren die selben Erfahrungen wie das KAZ: „In öffentlichen Verlautbarungen werden wir immer über den Klee gelobt, aber sobald es konkret werden soll, lässt uns die Stadt im Stich“, so Deutsch. Nun bestehe die große Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: den Zirkus zu retten und einen Ort für die freie Kulturszene in Herne zu schaffen. Eile tue Not: Müsse der Zirkus das Feld räumen, müssten die Planungen in Kürze anlaufen.

Unter der Zirkuskuppel von Schnick-Schnack werden viele Aufführungen gezeigt, darunter zum Abschluss der Zeltwochen, aber auch die Weihnachtsshows, wie hier im Dezember 2019.
Unter der Zirkuskuppel von Schnick-Schnack werden viele Aufführungen gezeigt, darunter zum Abschluss der Zeltwochen, aber auch die Weihnachtsshows, wie hier im Dezember 2019. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Die Stadt, betont der Geschäftsführer, solle das Gelände ja nicht selber kaufen. Die Erwartung sei vielmehr, dass sie als Unterstützer bei den Gesprächen mit dem Grundstückseigentümer vermittelnd auftritt und dem Verein zur Seite steht. Neben dem Zirkus könnten auf einer „Kulturinsel“ Vereine, Gruppen und Initiativen aus den Sparten Musik, Theater und Tanz eine Heimat finden. Auftrittsmöglichkeiten könnte das Zirkuszelt bieten, das für die jeweiligen Bedürfnisse einfach umgestaltet werden könne. Aber nicht nur: Denkbar sei auch, dass eine benachbarte Halle mitgekauft und genutzt werden könne. Auch aus städtebaulicher Sicht und zur Quartierentwicklung wäre der Standort ideal, meint Deutsch: „Daran sollte auch die Stadt ein Interesse haben.“

Verein: „Einigermaßen glimpflich“ durch die Corona-Pandemie

Geschäftsführer und Zirkusdirektor: Rainer Deutsch.
Geschäftsführer und Zirkusdirektor: Rainer Deutsch. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Dem Verein seien aus verschiedenen Töpfen Förderzusagen zur Modernisierung der Zeltstadt zugesagt worden. Allein wegen der Standortunsicherheit könnten diese Mittel aktuell nicht abgerufen werden. Durch die Unterstützung seiner Partner und seine Zirkus-Familie sei Schnick-Schnack „einigermaßen glimpflich“ durch die Corona-Pandemie gekommen, stehe wirtschaftlich stabil da und habe die Aussicht, den Zirkus durch eine grundlegende Modernisierung und nicht zuletzt auch mit einem neuen Leitungsteam in die Zukunft zu führen. Dennoch könne das alles an der ungelösten Standortfrage scheitern. Nun hofft Deutsch, dass die „Kulturinsel“ der Rettungsanker wird.

>> WEITERE INFORMATIONEN: Partnerschaften knüpfen

„Bei der Umsetzung unserer Pläne ist es uns sehr wichtig, Partnerschaften zu knüpfen und feste Kooperationen aufzubauen“, heißt es im Konzept für die „Kulturinsel“. Und weiter: „Wir möchten ein kulturelles Zentrum sein, von welchem andere Kulturschaffende partizipieren können.“

Gleichzeitig sei es dem Verein Circus Schnick-Schnack wichtig, sozialengagierte Gruppen, Institutionen und Firmen zusammen zu bringen, um so die Stadtteile Herne-Horsthausen/-Baukau nachhaltig zu stärken.