Herne. Der Herner Bioladen „Kornmühle“ steht seit 1. Juli unter neuer Leitung. Im Interview mit der WAZ erläutert Katja Kern ihre Pläne für die Zukunft.

Der Herner Bioladen „Kornmühle“ steht seit 1. Juli unter neuer Leitung. Bislang führten „Kornmühle“-Mitgründerin Ingeborg Köhne und Katja Kern gemeinsam die Geschäfte. Nun ist Kern alleinige Geschäftsführerin. Im Gespräch mit Thorsten Hup spricht sie über die Entwicklung des Geschäfts.

Was bedeutet die Veränderung in der Geschäftsführung?

Ingeborg kann sich nach über 35 Jahren Bioladen endlich auch mal wieder um andere Sachen kümmern, darauf freut sie sich schon sehr. Wir wollen dann weiter durchstarten, es wird sich aber erst einmal nicht viel ändern. 2022 wird das Jahr der Konsolidierung. Auch wir haben in der Corona-Zeit etwa 20 Prozent Umsatz verloren. Das steckt man als kleinere Unternehmung nicht so einfach weg. Ich möchte dafür sorgen, dass unser Laden auch in 20 Jahren noch gut läuft und lege viel Wert auf eine gute Aus- und Weiterbildung unseres tollen Personals.

Den Herne Bio-Laden gibt es seit 1986. Was ist heutzutage anders?

Bio ist keine Nische mehr. Früher haben wir Müslis auch noch von Hand gemischt und es gab nur eine Sorte Bio-Schokolade, die kaum einem schmeckte (lacht). Heute haben wir den gleichen Marktdruck wie der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel. Die Konkurrenz wird immer größer, stationär und online. Der Discounter Aldi gehört mit fast 500 Bio-Artikeln mittlerweile zu den Marktführern des Bio-Segmentes.

Wo liegen noch die Unterschiede zu Ihrem Angebot?

Wir haben etwa 5000 Bio-Artikel im Laden. Und arbeiten mit eindeutig höheren Bio-Standards als die Discounter, Demeter ist dabei führend. Unser Personal ist viel besser qualifiziert, die Beratung erfolgt auf einem anderen Level. Das ist auch ein klares Alleinstellungsmerkmal. Der so genannte Kräuterschein ist ein gutes Beispiel, eine Art kleiner Apothekerschein, dafür muss man viel lernen und wissen. Grundsätzlich finde ich es aber richtig, dass Bio auch im konventionellen Handel verkauft wird, damit möglichst viele Leute Zugang dazu haben.

Katja Kern im Unverpackt-Bereich der Herner Kornmühle.
Katja Kern im Unverpackt-Bereich der Herner Kornmühle. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Ist der Name „Kornmühle“ eigentlich noch immer Programm?

Absolut. Wir mahlen noch immer täglich, die Kunden erhalten also frisches Mehl oder nehmen auch gerne geschrotetes Korn für Brei oder Müsli.

Was sind die Bestseller im Bioladen?

Was wir am besten verkaufen ist der Bereich mit Obst und Gemüse, außerdem Brot und Käse.

Gibt es aktuelle Trends?

Ein großer Trend, der aber nicht mehr ganz aktuell ist: fleischlose Ernährung oder Fleisch-Ersatzprodukte. Das ist nach wie vor schon sehr präsent bei uns im Laden. Wir merken das auch an den vielen Angeboten, die wir von Herstellern bekommen.

Was waren Flops?

Wir haben Renner- und Penner-Listen. Zu den Pennern gehörten zuletzt zum Beispiel exotische Joghurts mit eher unbekannten Früchten, die auch ohne Joghurt nicht schmecken. Auch die Osterware lief in diesem Jahr ungewohnt schlecht.

Schwierig ist es manchmal, am späten Nachmittag oder am Abend noch ein Brot bei Ihnen zu ergattern, dann sind die Regale oft leer...

...gerade bei „Shop-in-Shop-Bäckereien“ ist es so, dass dort die Auflage gilt, auch um 20 Uhr das Brot-Regal noch voll zu haben, solange Kunden da sind. Wir dagegen versuchen so zu kalkulieren, dass am Ende des Tages möglichst alle Brote verkauft und alle Kunden zufrieden sind. Das Ziel ist es, möglichst nachhaltig einzukaufen, damit nicht so viel übrig bleibt. Alle Brote können bei uns auch bequem vorbestellt werden, das nutzen viele Kunden.

Bieten Sie auch einen Lieferservice an?

Wir haben einen Lieferservice, allerdings im begrenzten Rahmen. Wir beliefern Kitas und das Evangelische Krankenhaus mit Obst und Gemüse und noch ein paar anderen Sachen. In der Corona-Zeit hatten wir das ausgedehnt und für Jedermann angeboten, da viele unserer Kunden nicht selbst vorbeikommen konnten oder in Quarantäne waren.

Ingeborg Köhne, Mitgründerin der Herner Kornmühle, freut sich, sich wieder um andere Dinge kümmern zu können.
Ingeborg Köhne, Mitgründerin der Herner Kornmühle, freut sich, sich wieder um andere Dinge kümmern zu können. © Unbekannt | Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Kann man im Laden auch einen geführten Einkauf machen?

Das machen wir tatsächlich. Beratung ist ja sowieso unser großes Steckenpferd. Typisch dafür sind Ehemänner, die von ihren Frauen zum ersten Mal zum Bioladen geschickt werden, die erkenne ich sofort an ihrem hilfesuchenden Blick. Denen assistieren wir dann gerne, wenn sie mögen.

Wie setzt sich Ihre Kundschaft zusammen?

Bei uns kaufen Leute ein, die aufgeklärt und gut informiert sind, sich bewusst dafür entscheiden, gute Lebensmittel zu kaufen und sich auch gut und gesund zu ernähren. Wir haben ja auch eine eigene Kosmetikerin, dieser Bereich läuft auch sehr gut bei uns. Ein sehr hoher Anteil unserer Kunden sind Stammkunden, die teilweise schon seit Jahrzehnten kommen. Daneben haben wir immer wieder Leute, die zum ersten Mal kommen, dann aber hängen bleiben. Oft über den Mittagstisch im Bistro. Sie kommen aus Herne und den Nachbarstädten wie Bochum, Recklinghausen oder Witten.

Sind Sie mit dem Standort Herne zufrieden?

Definitiv. Die Kaufkraft in Herne liegt zwar grundlegend nicht auf den vordersten Plätzen im bundesweiten Vergleich, aber wir haben keinen Grund, uns zu beklagen. Leider sind einige inhabergeführte Geschäfte in unserer Straße verschwunden, das Flair hat sich verändert. Seitdem aber das Café Extrablatt gleich nebenan eröffnet hat, gab es einen deutlichen Anstieg an Laufkundschaft in der Viktor-Reuter-Straße, diese Entwicklung hat uns sehr gefreut.

Gibt es demnächst ganz neue Produkte, über die Sie etwas verraten können?

Es gibt immer wieder Neuerungen, die kommen. Spannend war gerade die Vorstellung einer ganz neuen Ingwer-To-Go-Handpresse, so etwas gibt es bisher noch nicht im Markt. Leider ist sie aus Kunststoff hergestellt – das lässt sie aus unserem strengen Bio-Raster fallen.

Was sind Ihre drei persönlichen Lieblingsprodukte in der Kornmühle?

Ich liebe Bio-Obst und Gemüse, aber keine Bananen und Äpfel. Weil es wirklich viel aromatischer schmeckt als im Supermarkt, kaufe ich gerne das letzte Hutzel-Brot, das abends übrig geblieben ist. Und gutes Fleisch vom Bioland-Heggehof.

>>> ZUR PERSON

■ Katja Kern ist 2018 als Geschäftsführerin und Mitinhaberin zum Herner Bioladen Kornmühle gekommen. In ihren vorherigen beruflichen Stationen war die gelernte Krankenschwester und Erziehungswissenschaftlerin Geschäftsführerin des Diakonischen Werks in Witten.

■ Katja Kern ist 1975 in Herdecke geboren, lebt mit ihrer Ehefrau und einem Sohn (21) in Witten.

■ Kornmühle: Viktor-Reuter-Straße 13; Öffnungszeiten: montags bis freitags, 9 bis 18.30 Uhr; samstags, 9 bis 14 Uhr; Internet: bioloaden-herne.de