Herne. Auszubildende der Zentralen EvK-Pflegefachschule in Herne leiteten vier Wochen eine Station. Der WAZ haben sie ihre Erfahrungen geschildert.
Plötzlich haben sie die Verantwortung für eine ganze Station. Sie müssen sich um alles kümmern, alles im Blick haben. Stimmt der Dienstplan, haben die Patienten schon ihr Essen bestellt und wie sieht es eigentlich mit der Dokumentation aus? All diese und noch mehr Fragen mussten 13 Auszubildende der Zentralen Pflegefachschule der Ev. Krankenhausgemeinschaft meistern. Beim Projekt „Auszubildende leiten eine Station“ übernahmen sie für vier Wochen die Verantwortung auf Station 9 (Gefäß- und Thoraxchirurgie) am Standort Eickel.
„Ich habe mich gefreut, aber dann am ersten Tag gedacht: Oh Gott, müssen wir das wirklich alleine schaffen“, verrät Kim Jahnke, Auszubildende im Mittelkurs. Sehr nervös sei sie am ersten Tag gewesen. „Man muss alles im Auge haben, aber es hat sich gut eingespielt.“ Kira Goetting – ebenfalls aus dem Mittelkurs – war anfangs nicht so begeistert vom Projekt. „Selbstständig arbeiten war anfangs schwer“, sagt sie. „Aber die Fachrichtung ist so interessant, dass es schnell Spaß gemacht hat.“
Vielen Azubis ist der Umfang der Aufgaben zu Beginn nicht klar
Die Teilnahme am Projekt ist verpflichtend. Das Team der Zentralen Pflegeschule hat es ins Leben gerufen, um Pflegeschülern die Chance zu geben, einen Einblick ins spätere Berufsleben zu erhalten. „Sie sollen sehen, was auf sie zukommt“, betont Juliane Böse, Leitung Ausbildungsbetreuung. Vielen sei gar nicht klar, welche Aufgaben eine examinierte Kraft im Alltag zu bewältigen hat: Betreuung der Patienten, Dokumentation, Hygiene- und Apothekenbegehung, Teamsitzungen und Aufgabenverteilung und mehr.
Das Team, das aus Auszubildenden des Mittel- und Oberkurses bestand, wurde anhand der Einsatzplanung zusammengestellt. Sven Serrels aus dem Oberkurs übernahm die vorübergehende Stationsleitung. „Ich habe mich sehr auf das Projekt gefreut, auch wenn es nicht ganz einfach war.“ Das Drei-Schicht-System kannte Sven Serrels so noch nicht, auch das Schreiben der Dienstpläne war eine Herausforderung. Was, wenn sich jemand krankmeldet oder einen positiven Corona-Test hat? „Aber mit den Kollegen hat es gut funktioniert, und ich konnte erste Erfahrungen in einer leitenden Position sammeln.“
Sie alle mussten lernen, miteinander den Überblick zu behalten und sich auszutauschen. „Anfangs will man alles alleine machen, da fällt es schwer, Aufgaben abzugeben“, erklärt Kim Jahnke. Mit der Zeit wachse aber das Vertrauen in die eigenen und die Fähigkeiten der anderer. Der Austausch werde koordinierter. „Es ist eine gute Sache, dass es das gibt.“ Gerome Froß, examinierter Kranken- und Gesundheitspfleger des regulären Stationsteams, hätte sich dieses Projekt in seiner Ausbildung gewünscht. „Man erhält eine völlig andere Sicht auf die Dinge und kommt in den Austausch mit anderen Berufsgruppen. Das alles ist für die Zeit nach dem Examen sehr hilfreich.“
Patienten ist der Wechsel offenbar kaum aufgefallen
Das Team aus Ausbildungsbetreuung, Praxisanleitung und das Team der Station 9 waren im Hintergrund stets für die Azubis da. „Anfangs mussten wir häufiger Tipps geben, aber schon in der zweiten Woche hat sich das Team gut aufgeteilt“, sagt Gerome Froß. Auch seine Kollegin Malin Schulz ist begeistert von der Leistung der Ausbildenden: „Mir ist sehr positiv aufgefallen, dass alle über sich hinausgewachsen sind. Sie wurden von Tag zu Tag besser und haben sich gut reflektiert.“ Und das, obwohl das Projekt in diesem Jahr unter erschwerten Bedingungen startete: Das gesamte Krankenhaus musste nämlich in der ersten Woche wegen einer Bombenentschärfung evakuiert werden. „Da war hier alles etwas strubbelig“, sagt Ausbildungsbetreuerin Nicole Speckmann lächelnd. „Aber die Gruppe hat es gut gemeistert.“
Den Patienten indes ist der Wechsel offenbar kaum aufgefallen. „Die meisten haben es gar nicht gemerkt“, sagt Kim Jahnke und lacht. Nach dem Projekt sei sie noch mal auf der Station gewesen und habe mit einigen darüber gesprochen. „Die Patienten haben sehr positive Rückmeldungen gegeben“, betont Pflegedirektorin Beate Schlüter. „Es ist beeindruckend, wie schnell sich ein gut funktionierendes Team finden kann.“ Die Rückmeldungen aller Seiten bestätigen, dass diese Erfahrung wichtig für die Auszubildenden ist. „Jetzt fühlen wir uns viel besser vorbereitet“, lautet deren einhelliges Fazit.
>>> AUSBILDUNG DAUERT DREI JAHRE
■ Die Ausbildung an der Zentralen Pflegefachschule der Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel beginnt zum 1. März und 1. September eines jeden Jahres.
■ Die dreijährige Ausbildung vermittelt ein breites Basiswissen, das durch vielfältige Weiter- und Fortbildungen spezialisieren werden kann. Die Ausbildung findet in der Pflegefachschule als Lernort sowie an einem betrieblichen Lernort der Krankenhausgemeinschaft statt.
■ Weitere Informationen: www.pflegefachschule-herne.de