Herne. Seit 2009 hat die Herner Linkspartei bei Kommunalwahlen permanent an Zustimmung verloren. Das ist aber längst nicht das einzige Problem.
Die Linkspartei hat nicht nur im Bund, sondern auch in Herne schon bessere Zeiten gesehen. Eine Bestandsaufnahme.
Die Wahlergebnisse
2009 erreichte die Herner Linkspartei bei der Kommunalwahl noch 7,4 Prozent und fünf Sitze im Rat, danach ging es stetig bergab (siehe Grafik). Die Fraktion schrumpfte aber nicht nur durch Wahlergebnisse, sondern auch durch interne Querelen. So spalteten sich 2010 die drei Linke-Stadtverordneten Gabriele Bitzer, Rainer Kielholz und Günter Nierstenhöfer ab und gründeten im Rat eine eigene Fraktion.
Die Abgeordneten
Als verhältnismäßig kleiner Kreisverband konnte die Linke vor zehn Jahren aus dem Vollen schöpfen - war die Herner Partei doch auf allen politischen Ebenen mit einem Mandatsträger vertreten: Jürgen Klute gehörte dem Europaparlament an, Ingrid Remmers saß für die Gelsenkirchener und Herner Linke im Bundestag, und Bärbel Beuermann war sogar Fraktionsvorsitzende im Landtag. Das ist Vergangenheit: Schon seit Jahren hat der Herner Kreisverband keinen Abgeordneten und somit keinen direkten Draht mehr in die Parlamente. Das bedeutet nicht nur einen Verlust an Bedeutung und Einfluss, sondern hat auch finanzielle Folgen.
Die aktuelle Situation
Hoch gepokert – und verloren: Für die Kommunalwahl am 13. September 2020 nominierte die Linke auf den ersten drei Listenplätzen die altgedienten Stadtverordneten Veronika Buszewski (59), Andreas Ixert (62) und Klaudia Scholz (65), erst dahinter fanden sich auf den Plätzen 4 und 5 neue Gesichter wie Christoper Krogull (27) und Lea Jensen (24). „Wir waren uns sicher, dass wir vier Sitze bekommen und haben noch mit einem fünften geliebäugelt“, sagt Ratsfraktions-Chefin Veronika Buszewski. Bei am Ende 4,1 Prozent reichte es dann aber nur zum Wiedereinzug der alten Garde. Und selbst eine nachträgliche Korrektur durch einen Wechsel im Laufe der Ratsperiode ist – zumindest bei Krogull und Jensen – nicht mehr möglich sein: Beide verlassen aus persönlich-beruflichen Gründen Herne.
„Das treibt einen um“, sagt Buszewski über den stetigen Niedergang bei Kommunalwahlen. Kreisvorsitzender Patrick Gawliczek bedauert diesen ebenfalls, verweist aber auf den Trend: Auch in anderen Ruhrgebietsstädten habe die Linke bei der Kommunalwahl 2020 verloren. „Das soll aber keine Entschuldigung sein“, sagt er.
Es gab noch weitere Tiefschläge für die Linke: Kurz vor der Kommunalwahl trat der Eickeler Bezirksverordnete Rasim Celik aus und der SPD bei. Und kurz nach dem Urnengang gab der Wanner Bezirksverordnete Thorsten Röll das Parteibuch ab, womit die Linke nun ausgerechnet in ihrer eigentlichen Hochburg bis 2025 nicht mehr präsent ist. In den anderen drei Bezirken ist der Linkspartei der Generationswechsel im September immerhin perfekt gelungen. Konkret mit: Patrick Gawliczek (28) in Sodingen, David Schreiber (36) in Herne-Mitte und Nico Warmbier (36) in Eickel.
Die Causa Wagenknecht
Im Streit um Sahra Wagenknecht steht der Herner Kreisverband (fast) geschlossen da – gegen die prominente und provokante Politikerin, die in NRW Listenplatz 1 bei der Bundestagswahl besetzt. Sie spiele Identitäts- und Klassenpolitik gegeneinander aus und spalte damit, sagt Veronika Buszewski. „Das ist Politik des vergangenen Jahrhunderts.“ Damit nehme Wagenknecht aber nur eine Minderheitenposition innerhalb der Linkspartei ein; nach der Wahl werde sie keine Rolle mehr spielen. Das sieht Ratsfraktions-Geschäftsführer Daniel Kleibömer ähnlich, findet aber zumindest einige Positionen Wagenknechts „nicht ganz verkehrt“. Bei einigen Debatten habe sich die Partei zu weit von den Menschen entfernt, sagt der ehemalige Bundestags- und OB-Kandidat.
Einen Austritt habe es direkt nach Veröffentlichung von ersten Auszügen aus Wagenknechts Buch gegeben, berichtet Patrick Gawliczek, der 2018 bereits eineinhalb Jahre nach seinem Parteieintritt Vorsitzender geworden ist. Und wie will die Linkspartei in Herne wieder mehr Menschen erreichen? „Wir müssen uns auf unser Programm fokussieren und viele mutlose Nicht-Wähler:innen davon überzeugen, dass die Linke ihnen ein besseres Leben in dieser Gesellschaft ermöglichen kann“, sagt Gawliczek.